Die Neuen Liberalen in der Bezirksversammlung lassen Harburgs Rechtsdezernent Dierk Trispel jetzt rechnen

Harburg. In der Bezirksversammlung Harburg beginnt das große Stühlerücken. Weil sich am vorigen Wochenende mit den Neuen Liberalen eine sechste Fraktion gebildet hat, muss nicht nur die gesamte Sitzordnung im Großen Saal des Harburger Rathauses verändert werden. Auch der Zuschnitt der insgesamt elf Ausschüsse bedarf einer grundlegenden Überarbeitung.

„Da jeder Fraktion mindestens ein Sitz in den Ausschüssen zusteht, muss die Anzahl der Mitglieder modifiziert werden“, sagt Dierk Trispel, Rechtsdezernent des Bezirksamtes. Da es in Harburg bislang in der Regel Zehnerausschüsse gab, müssen es künftig mindestens Elferausschüsse sein. „Weil aber der Proporz in Bezug auf die Gesamtmandate der Fraktionen in der Bezirksversammlung auch in den Ausschüssen abgebildet werden muss, könnte sich auch eine Neuverteilung der Sitze für die stimmberechtigten Mitglieder ergeben“, so Trispel.

Für die großen Fraktionen SPD (jetzt 18 Mitglieder) und CDU (weiter 14 Mitglieder) ist das kein Problem. Sie haben genug Personal, das sie in die Ausschüsse entsenden können. Für die kleineren Fraktionen war die Anzahl der Ausschüsse schon jetzt ein Problem, entfielen auf jeden Abgeordneten doch mindestens zwei, im Falle der AfD mit ihren drei Mandaten sogar bis zu vier Fachgremien.

Ein weiterer Knackpunkt ist die Besetzung der Ausschussvorsitzenden. Bislang stellten SPD und CDU je vier, die Grünen zwei, die AfD einen. Die Grünen profitierten bisher vom Verzicht der Linken. „Weil wir nur fünf Mandate haben und vier unserer fünf Fraktionsmitglieder neu und damit noch relativ unerfahren sind, wollten wir den Vorsitz routinierteren Abgeordneten überlassen“, erklärt Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus.

Angesichts des Verlustes der beiden Mandate von Kay Wolkau und Isabel Wiest werden die Grünen mindestens einen Ausschussvorsitz abgeben müssen. Den könnten dann die Neuen Liberalen übernehmen, wenn die Linksfraktion bei ihrem Verzicht bleibt. Darüber scheint das letzte Wort aber nicht gesprochen. „Es kommt für uns ganz darauf an, an welche Fraktion der Vorsitz ginge. Darüber müssen wir in der Fraktion noch einmal beraten“, so Boeddinghaus zum Abendblatt.

Unterdessen kann die Linke jetzt auch Anspruch auf die Position des zweiten Stellvertreters von Manfred Schulz (SPD) anmelden, der die Bezirksversammlung als Vorsitzender leitet. Erster Stellvertreter ist Robert Timmann (CDU) als Vertreter der zweitstärksten Fraktion. Der dritte Sitz im Präsidium steht normalerweise der drittstärksten Fraktion zu. Momentan besetzt ihn Tülin Akkoc von den Grünen. Mit fünf Mandaten haben sie aktuell aber nicht mehr als die Linke. Trispel: „In dieser Frage war bislang die Geschäftsordnung der Bezirksversammlung ausschlaggebend, da sie gesetzlich nicht geregelt ist. Deshalb müssen sich die Fraktionen jetzt verständigen, ob es gegebenenfalls vielleicht zu einer Rotation auf dieser Position kommt.“

Das gleiche gilt für die Frage, wo genau die Fraktion der Neuen Liberalen nun eigentlich sitzen soll, mit Sicherheit aber links von der SPD. „Wenn sich alle kleinen Fraktionen darauf einigen könnten, dass nur der Fraktionschef in der ersten Reihe sitzt, könnte es vom Platz her hinkommen. Ansonsten wird es eng“, sagt Trispel.

Momentan schließen alle Fraktionschefs unisono neue Fahnenflüchtige für ihre Parteien aus. „Im Falle von Barbara Lewy und Anna-Lena Bahl waren es ja nur persönliche Gründe, die sehe ich bei anderen Abgeordneten unserer Fraktion aus heutiger Sicht nicht“, sagte SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath. Sein CDU-Pendant Ralf-Dieter Fischer hält abtrünnige Mitglieder in seiner Fraktion sogar für „gänzlich ausgeschlossen“, ebenso wie Sabine Boeddinghaus: „Die Linke präsentiert sich als hundertprozentig einig.“

Das reklamiert jetzt auch die Grüne Fraktionschefin Britta Herrmann für sich. „Nach dem Abgang von Kay Wolkau gibt es keine Konkurrenzsituation mehr, das Konfliktpotenzial ist weg. Wir sind jetzt ein starkes, geschlossenes Team mit viel Kompetenz, das sich jetzt wieder geschlossen auf die sachorientierte, kritische Oppositionsarbeit konzentriert“, ließ sie wissen.

Weitere wechselwillige Abgeordnete könnten sich für Rechtsdezernent Dierk Trispel allerdings rasch zum Alptraum auswachsen. Denn sobald sich die Kräfteverhältnisse zwischen den einzelnen Fraktionen erneut verschieben sollten, wäre eine weitere Anpassung der Sitzordnung in der Bezirksversammlung, als auch eine Modifikation des Zuschnitts der Ausschüsse die zwingend notwendige Folge.