Züchter Reiner Dettmann aus Neugraben erhält bei Rasse- und Ziergeflügelschau in Klecken Landesverband-Ehrenband

Klecken. Catwalk-König Bruce Darnell, ehemaliges Jury-Mitglied der TV-Show „Germany’s next Topmodel“, hätte eine Freude an dieser Dame gehabt. Kokett legt sie ihren Kopf nach links, dann nach rechts und stolziert graziös von einer Ecke in die andere. „Sie zeigt sich einfach gut“, sagt Reiner Dettmann. Dabei hat sie nur in einem kleinen Käfig Platz, sich zu bewegen.

Sie ist eine Henne. Rasse: Zwerg Wyandotten, Farbe: Gelb-Schwarzcolumbia. Name: Fehlanzeige. Das Tier hat die Preisrichter der Rasse- und Ziergeflügelschau des Kreisverbandes Lüneburger Heide in Klecken schwer beeindruckt. An ihrem Käfig in der Kleckener Schießsporthalle steckt eine grün-gelb-farbene Schleife mit der Aufschrift vorzüglich. Reiner Dettmann, Züchter aus Neugraben und Schriftwart des Nutzgeflügel-Zuchtvereins Klecken hat mit seiner Henne die höchste Auszeichnung ergattert, die man bei der Schau bekommen kann: das Landesverband-Ehrenband. 97 Punkte hat die Jury dem Huhn gegeben. Mehr geht nicht. Die Höchstpunktzahl 100 zu erzielen, ist utopisch. Die vergeben Preisrichter in Deutschland bei solchen Schauen traditionellerweise nicht.

Insgesamt 862 Tiere der unterschiedlichsten Geflügelrassen stellen die Züchter der Vereine aus dem norddeutschen Raum am Sonnabend und Sonntag in Klecken aus: Tauben, Hühner, Enten, Fasane, Gänse, Sittiche. Für die Züchter ist ihr Hobby so etwas wie ein Kulturgut. Sie bleiben ihrer Rasse über Jahrzehnte treu und tragen so zum Erhalt alter Rassen bei. Denn inzwischen sind schon zahlreiche Geflügelrassen vor dem Aussterben bedroht und auf der Roten Liste gelandet: etwa das Ramelsloher Huhn, einst ein bedeutendes Nutztier im Norden, und das deutsche Reichshuhn.

Schreck nach der Ausstellung: Reiner Dettmanns Henne war plötzlich weg

Es riecht nach Hühnerkot in der Schützenhalle in Klecken, und die Hähne krähen um die Wette. Die preisgekrönte Henne scheint das nicht zu stören. Es scheint, als wisse sie um ihren anmutenden Anblick. Als genieße sie die Aufmerksamkeit. Stolz reckt sie ihren Kopf in die Höhe und gackert. „Sie hat immer was zu schnacken“, sagt Reiner Dettmann und lacht. Das Tier ist nur sechs Monate alt und hat schon ein ziemlich bewegtes Leben hinter sich. „Sie war weg“, sagt Reiner Dettmann.

Jemand hatte sie im Oktober aus dem Käfig der Landesgeflügelschau in Hannover gestohlen. Als Züchter Reiner Dettmann sie nach Ende der Ausstellung abholen und zurück nach Neugraben fahren wollte, fand er nur einen leeren Käfig vor. Ohne seine Henne den Weg nach Hause anzutreten, war für ihn unmöglich. Er stellte Nachforschungen an und wurde bei einem Züchter südlich von Bremen fündig. „Der sagte, er hätte versehentlich meine Henne mitgenommen“, sagt Dettmann. Man sieht ihm an, dass er das nicht so recht glauben kann und dass ihn der Vorfall immer noch ärgert.

Bei seiner Henne stimmt einfach alles. Die Form, die Farbe. Dettmann nimmt das Tier aus dem Käfig, fächert einen Flügel auf und streicht sanft über die Federn. „Innen schwarz und außen gelb gesäumt, so muss sie aussehen“, sagt er zu Daniel Reuscher. Der 16-Jährige aus Hittfeld zählt zu den Jungzüchtern im Kleckener Verein. Auch er begeistert sich für die Zwerg Wyandotten und stellt eine eigene Henne dieser Art in der Schützenhalle aus. Da ist es selbstverständlich, dass Reiner Dettmann all sein Wissen über die Rasse an ihn weitergibt. So baut er den Nachwuchs auf.

Offenbar mit Erfolg. Der Kleckener Verein zählt 19 Nachwuchszüchter zwischen sieben und 17 Jahren. „Das ist die größte Jugendgruppe im Landesverband“, sagt Friedrich Schröder, Vorsitzender des Kreisverbands Lüneburger Heide. Und es ist das Kapital, mit dem die Rassegeflügelzucht auch in Zukunft bestehen kann. Denn der Altersdurchschnitt ist hoch bei den Züchtern. Zudem sei die Zahl der Geflügelliebhaber rückläufig, da sie mit hohen Auflagen zu kämpfen hätten, so Dettmann.

Liebe zum Tier drücken die Jungzüchter in großen Volieren aus

Und so sieht ein moderner Nachwuchszüchter aus: in der rechten Hand das Smart-Phone, in der linken das Huhn. Ole Hauff aus Buchholz muss noch kurz der Freundin eine Nachricht schicken, bevor er sich ganz seinem holländischem Zwerghahn widmen kann. Vater Friedo Hauff, Vorsitzender des Nutzgeflügel-Zuchtvereins Klecken, hat ihm das Hobby näher gebracht. Der 19-Jährige streicht über die Federn des Hahns auf seinen Arm. Aber das sind seltene Liebkosungen. Seine Liebe zum Tier drückt Ole Hauff eher in großen Volieren und sauberen Ställen aus. „Das ist viel wichtiger als sie jeden Tag zu tätscheln“, sagt er.

Er und die anderen Nachwuchszüchter haben auch kein Problem damit, dass die Tiere irgendwann im Topf landen. „Dann gehen sie in den Wintersport“, sagt Ole Hauff grinsend. Soll heißen: in die Tiefkühltruhe. „Unser Nachwuchs hat eine gesunde Beziehung zum Fleisch“, erklärt Jugendleiter Hans-Heinrich Beecken. „Es kommt darauf an, dass die Tiere vom ersten bis zum letzten Tag ein gutes Leben hatten.“

Bei manchen ehrgeizigen Züchtern kommt das Huhn sogar schon auf den Küchentisch, wenn es 90 oder weniger Punkte bei einem Wettbewerb erzielt hat. „Bei mir aber nicht“, betont Reiner Dettmann. Und seinem Tier ist nach der Auszeichnung sicherlich ein ziemlich langes Leben sicher. Fast liebevoll sagt Reiner Dettmann: „Sie ist meine beste Henne.“