Seit April leitet Peter Schlegel den Sozialpsychiatrischen Dienst des Landkreises. Er kommt aus Braunschweig

Winsen. Die Zahl der psychischen Erkrankungen, etwa Neurosen und Persönlichkeitsstörungen, wird in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen. Davon geht der neue Chef des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Landkreises, Peter Schlegel, aus. Gerade junge Menschen und mit zunehmender Tendenz auch Ältere werden davon betroffen sein, so der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. „Für solche Menschen fallen heute immer mehr Nischen in Familien oder in kirchlichen- oder anderen Gruppen weg, die sie bisher aufgefangen haben“, sagt Schlegel. Heute werden im Kreis 2000 psychisch Kranke oder suchtkranke Bürger vom Dienst betreut. „Es ist zu befürchten, dass gerade für ältere Menschen in spätestens 20 Jahren die Hilfen weder finanziell noch personell getragen werden können.“

Schlegel, der seit April als Nachfolger von Folke Sumfleth den Dienst des Kreises führt, ist auch Chef des Verbundes aller Akteure und Institutionen, die sich um psychisch Kranke im Landkreis kümmern. Zu dem Verbund zählen die psychiatrischen Tageskliniken in Buchholz und künftig in Winsen, Heime und Wohngruppen, Vereine wie die Lebenshilfe oder der Herbergsverein oder niedergelassene Ärzte sowie Kostenträger wie Jugend- oder Sozialamt, Krankenkassen und die Rentenversicherung. „Die Kreise müssen solche Verbünde einrichten und darauf hinwirken, dass sich alle Mitwirkenden beteiligen“, sagt Reiner Kaminski, der Sozialdezernent des Kreises, zu dessen Aufgabenbereich der Dienst zählt. Dass diese Zusammenarbeit funktioniert, war einer der Gründe dafür, dass Schlegel vor sechs Monaten nach Winsen wechselte.

Der Landkreis ist in der psychiatrischen Betreuung insgesamt gut aufgestellt. Dies gilt vor allem für zwei Modellvorhaben, die Schlegel mit voranbringen wird. Dabei geht es zum einen um mehr Verantwortung für die Kreise bei der Eingliederung von körperlich, geistig und seelisch Behinderten und zudem um ein Projekt, bei dem psychisch Kranke zu Hause statt in einer Klinik behandelt werden. Beim ersten Vorhaben, bei dem die Finanzierung von stationären Behandlungen künftig stärker in die Hand der Kommunen gelegt werden könnte, koordiniert Harburg die Interessen von sieben weiteren Landkreisen. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.

Gerade erst Anfang Juli mit zehn Patienten begonnen hat eine neue Kooperation mit der Psychiatrischen Klinik in Lüneburg. Dabei können Ärzte, Schwestern und Therapeuten der Klinik zu den Beteiligten nach Hause kommen, um sie zu untersuchen und zu betreuen. Voraussetzung dafür ist, dass die Menschen im Kreis Harburg wohnen und bei der AOK-Niedersachsen versichert sind. Ziel des Projektes: Die Krankheiten sollen schneller bewältigt und langfristig Kosten gespart werden. „In jedem Bundesland gibt es nur einen beteiligten Kreis“, sagt Dezernent Kaminski. Schlegels Sozialpsychiatrischer Dienst ist dabei in das auf acht Jahre angelegt Projekt eingebunden.

Der neue Chef stammt aus Braunschweig, hat in Hannover Medizin studiert und dort seine Promotion abgeschlossen. Am Städtischen Klinikum Braunschweig stieg er bis zum Oberarzt auf und war seit 1993 in der psychiatrischen Klinik sowie im dortigen Sozialpsychiatrischen Dienst tätig. 2009 übernahm Schlegel die Leitung des Dienstes in Braunschweig. Von dort kam er nach Winsen. Für ihn stimmt bei dem Wechsel auch die geographische Richtung. Der Arzt liebt das Meer und die Schifffahrt und hat mit der „Queen Mary 2“ schon den Atlantik gequert.

Vor Ort steht für Schlegel nun seine erste Veranstaltung mit der Vertreten des gesamten Sozialpsychiatrischen Verbundes an. Zu dem Treffen am 3. Dezember in der CVJM-Tagungsstätte Sunderhof in Seevetal werden mehr als 100 Experten erwartet. Sie werden sich mit Hilfen und Perspektiven für psychisch kranke Eltern und ihre Kinder befassen. Gleich im Anschluss an die Tagung wird dann eine neue Gruppe im Mittelpunkt stehen: Flüchtlinge.

Schließlich haben viele von ihnen schon auf dem Weg nach Deutschland traumatische Erfahrungen gemacht. Jetzt müssen sie von ihren Familien und Freunden getrennt leben und sich in einer fremden Kultur zurechtfinden. „Es gibt einen hohen Leidensdruck. Viele Plätze in der Klinik in Lüneburg sind schon heute mit Flüchtlingen belegt“, sagt Schlegel. Jetzt soll im Verbund nach Lösungen gesucht werden. „Wir werden dafür“, so der Facharzt, „eine eigene Arbeitsgruppe einrichten.“