Vier Bürgerunternehmen aus dem Hamburger Süden gründen in Wilhelmsburg Norddeutsche Energiegenossenschaft

Wilhelmsburg. Vier Energiegenossenschaften aus dem Hamburger Süden haben in Wilhelmsburg die Dachorganisation Norddeutsche Energiegenossenschaft gegründet. Die einzelnen Bürgerunternehmen bleiben zwar selbstständig. Mit Hilfe des Bündnisses hoffen sie aber, Projekte zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien realisieren zu können, zu denen sie allein nicht in der Lage wären. Die Norddeutsche Energiegenossenschaft vereint mehr als 500 Menschen, die Genossenschaftsanteile erworben und in die Energiewende investiert haben.

Die Gründung der Dachorganisation ist auch eine Reaktion auf das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz, das seit dem 1. August in Kraft ist. Nach Ansicht von Ingo Rieckmann aus Egestorf, ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der Energiegenossenschaft Elbe Heide, erschwere die Bundesregierung mit dem Gesetz kleinen Bürgerunternehmen die Möglichkeit, auf dem Strommarkt mitzumischen: „Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel macht die Energiewende kaputt“, sagt er. Der 42-Jährige ist selbstständiger Berater für ökologisch-nachhaltige Finanzierung.

In der Norddeutschen Energiegenossenschaft arbeiten vier Bürgerunternehmen aus der Metropolregion Hamburg zusammen: die Energiegenossenschaft Elbe Heide eG, die Bürgersolarkraftwerke Rosengarten eG, die Zukunftsgenossen Lüneburg eG und die BürgerEnergie Buxtehude eG. Die vier Bürgerunternehmen produzieren zurzeit nach eigenen Angaben mit Solar- und Windkraftanlagen zusammen etwa 545.000 Kilowattstunden Strom. Das entspricht dem durchschnittlichem Jahresverbrauch von 165 Vierpersonenhaushalten.

Die Bürgerunternehmen arbeiten über die Grenzen von Landkreisen und Bundesländern hinweg. Die Bürgersolarkraftwerke Rosengarten zum Beispiel betreibt die Fotovoltaikanlagen zur Gewinnung von Strom aus Sonnenenergie auf den Dächern der Baugemeinschaft „Open House“ in Wilhelmsburg. Das bei der Internationalen Bauausstellung Hamburg präsentierte Wohnbauprojekt ist mit dem Baugemeinschaftspreis der Freien und Hansestadt Hamburg ausgezeichnet worden. Die Solarkraft bewirkt hier, das 29 Tonnen Kohlendioxid im Jahr weniger in die Atmosphäre gelangen.

Die Energiegenossenschaften haben ihre Unternehmenssitze zwar in den Landkreisen südlich von Hamburg. Aber Hamburger arbeiten in ihnen mit. Die Betriebswirtin Fakhria Najem lebt im Wilhelmsburger Ortsteil Georgswerder und betreibt im Büro auf der Elbinsel ein Beratungsunternehmen, das auf die nachhaltige Energiegewinnung in Gewerbegebieten spezialisiert ist. Nebenbei ist die 34-Jährige noch ehrenamtlicher Vorstand in der Energiegenossenschaft Elbe Heide.

450.000 Euro haben die Mitglieder der Elbe Heide eG mit Sitz in Winsen bisher in die Energiewende investiert, so der Vorstandsvorsitzende Ingo Rieckmann. Ein Genossenschaftsanteil kostet 250 Euro. Noch profitieren die Genossen nicht im eigenen Geldbeutel von dem erzeugten Strom. Es geht den Idealisten darum, eine dezentrale, umweltfreundliche Stromerzeugung in Deutschland aufzubauen. „Langfristig ist aber eine Rendite erwünscht“, sagt Ingo Rieckmann. Auch eine Energiegenossenschaft sei ja ein Unternehmen.

Die Energiegenossenschaft Elbe Heide betreibt Solaranlagen auf den Dächern der Gymnasien in Meckelfeld und Winsen-Roydorf. Seit das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft ist, sei es schwieriger geworden, Projekte auf Schuldächern wirtschaftlich zu realisieren, sagt Ingo Rieckmann.

Neu ist, dass kleine Bürgerunternehmen im Gegensatz zu früher auf Eigentum anteilig eine EEG-Umlage zahlen müssen. Bei Lieferung von Strom direkt vor Ort ist ab sofort die komplette Umlage zu zahlen. Die Möglichkeit für Bürger, ihre Stromversorgung selbst in die Hand zu nehmen, sei komplizierter und risikoreicher geworden.

Mit gebündelten Kräften ergäben sich neue Chancen beim Marktzugang. Weitere Bürger-Energiegenossenschaften seien eingeladen, sich der Norddeutschen Energiegenossenschaft anzuschließen. In Zukunft könnte aus dem bloßen Zusammenschluss eine eigene Gesellschaft werden. Fakhria Najem: „Sobald wir gute Projekte haben, gewinnen wir auch neue Mitglieder.“ Die Bürgerenergie als Zugpferd der Energiewende könne dann wieder Fahrt aufnehmen.