Fünf Frauen stehen an der Spitze von CDU-Ortsverbänden im Landkreis Harburg. Die Zahl der Kandidatinnen steigt

Winsen. Es liegt an ihnen. Der Schritt in die Kommunalpolitik über die CDU ist für Frauen zwar längst nicht selbstverständlich, aber immer mehr wagen ihn. Ein Viertel der 2000 CDU-Mitglieder im Landkreis Harburg sind heute Frauen. „Wer Spaß an der Politik hat, muss Prioritäten setzen. Das bedeutete für Frauen oftmals, dass Haushalt und Kochen nicht so perfekt sind wie bei anderen“, sagt Cornell Babendererde, die erste Ortsverbandsvorsitzende in Winsen. Aber die Männer, so die Erfahrung der promovierten Historikerin, freuten sich regelmäßig über jeden Einstieg aus dem anderen Geschlecht.

Fünf von 17 Ortsverbänden im Kreis, ein knappes Drittel also, werden derzeit von Frauen geführt. Unter den Vorsitzenden die längste Dienstzeit hat Elke von Ziegner, CDU-Chefin in Ashausen und gleichzeitig seit 1992 Kreisgeschäftsführerin mit Büro in Winsen. „Es hat sich viel getan in den vergangenen 20 Jahren“, sagt sie überzeugt. Bei den Sitzungen in Ortsverbänden und Räten fallen keine Chauvi-Sprüche mehr, allenfalls mal, wenn die Männer in Rage kämen: „Sie haben sich an uns gewöhnt.“ Das gilt, obwohl gerade viele der älteren Herren unter dem Parteimitgliedern umdenken mussten. Schließlich lieht der Altersdurchschnitt in der Kreis-CDU bei 60 Jahren. „Nur als bei der Kommunalwahl 2011 gleich drei Frauen auf den ersten Listenplätzen in Stelle standen, da haben sich einige gewundert“, sagt von Ziegner. Die Kandidatinnen traten dennoch an, der damalige Vorsitzende, ein Mann, winkte das weibliche Führungstrio durch.

Die Entscheidung für eine Partei fällt Frauen häufig schwerer als Männern. Wer sich ganz traditionell mit Haushalt und Kindern ausgefüllt sieht, hat wenig Lust auf zusätzliche Abendtermine. Obwohl es gerade in der Kommunalpolitik oftmals um Themen geht, die Frauen interessieren müssten wie Kindergärten, Schulen, Betreuung oder den Verkehr in der Gemeinde, scheinen solche Themen zumindest aus der Sicht von außen für Frauen wenig reizvoll. „Frauen planen ihre Zeit mehr und sind nur bereit, eine Aufgabe zu übernehmen, wenn sie sie richtig ausfüllen können“, sagt von Ziegner. „Bei Männern bin ich mir da nicht so sicher.“

Die ziehen jedoch aus ihren alteingesessenen Vereinen oftmals schneller Informationen, die sich politisch nutzen lassen. „Mir fehlt die Feuerwehr oder der Schützenverein, um in Stelle schneller bekannt zu werden“, sagt Anke Ghina, die CDU-Chefin in der Gemeinde. Die Immobilien-Fachwirtin arbeitet in der City-Nord in Hamburg und hat neben dem Job einen langen Arbeitsweg zu bewältigen. Auch Babendererde, die vor elf Jahren mit ihrem Mann nach Winsen zog, fehlte der Zugang zum Vereinsleben vor Ort: „Das wäre für mich nicht authentisch gewesen.“ Beide Frauen schafften es dennoch an die Spitze der Ortsverbände.

Offensichtlich ist für den Landkreis, dass sich die aktiven Frauen nicht verzetteln wollen. So gibt es, nachdem die damalige Vorsitzende Karin Gedaschko ausstieg, keine Kreisfrauen-Union mehr. Das ist landesweit einmalig. Dahinter steckt sicher auch das steigende Selbstbewusstsein. Wozu zusätzliche Termine einer zusätzlichen Institution, wenn sich Frauen auch in den gemischten Gremien durchsetzen können? „Manchmal muss ich den Männern dabei erklären, wie ich etwas gemeint habe. Denn die beschreiben Themen anders als Frauen“, sagt Sybille Kahnenbley, eine gelernte Hauswirtschafterin und eingeheiratete Bäuerin, die den Ortsverband Fleestedt führt. Das macht ihr aber nur wenig aus.

Um wie andere Vereine, Verbände oder Initiativen um Nachwuchs zu werben, hat sich die CDU in der Gemeinde Seevetal zu einem besonderen Schritt entschlossen. Sie bietet Parteiarbeit zunächst für einen überschaubaren Zeitraum an. „Wir haben Arbeitsgruppen geschaffen, die sich um ein Projekt bemühen. Das ist gerade für Frauen attraktiv“, sagt Kahnenbley.

Brauchen Frauen in der CDU die Quote? Die Partei hat sich für ein Quorum entschieden. Das bedeutet: Bei den Parteiämtern muss unter den führenden Drei jeweils mindestens eine Frau sein. Im Kreisvorstand bedeutet das fünf von 15 Plätzen. „Probleme gab es dabei auf dieser Ebene noch nicht“, sagt von Ziegner. „Es sind heute mehr als ein Drittel der Ämter weiblich besetzt.“ Das Quorum funktioniert. Schwieriger bleibt es, im ersten Schritt zunächst Interessentinnen für die Politik zu finden. Die Notwendigkeit für die Quote sehen die vier Frauen dagegen für die Wirtschaft. „Noch fehlen vielen Frauen im Beruf Vorbilder“, sagt Babendererde. „Dabei gibt es genug gut qualifizierte Frauen, aber man lässt sie bisher kaum in Vorstände und Aufsichtsräte einziehen“, so Kahnenbley. „Wir brauchen die Quote, bis sich das geändert hat und sie daher nicht mehr nötig ist.“

Es ist ein zufriedenes Fazit, das die vier Ortsverbandschefinnen – Ursula Alexander aus Handeloh war bei dem Treffen mit dem Abendblatt nicht dabei – ziehen. „Man lernt viel über Menschen“, „es ist wie ein Soziologie-Studium“ oder „Es lässt sich etwas bewegen. Im Rat oder den Fachausschüssen sitzt man an den richtigen Hebeln“, so lauten die Statements. Gleichberechtigung ist keine Frage mehr. „Zuckerpuppe“ oder ähnliche Beschreibungen – das sind Vokabeln von vorgestern. „In der Politik geht es darum, Mehrheiten zu gewinnen“, sagt Babendererde. „Dabei hatte ich noch nie das Gefühl, eine Mehrheit nicht zu bekommen, weil ich eine Frau bin.“