Erster Kultursensibler Fortbildungskursus in Harburg von evangelischer Pastorin im Krankenhaus Helios Mariahilf

Harburg. „Im Schmerz sind alle Menschen gleich – egal, welchen Glaubens sie sind“, sagt Altunova Hadice, seit 13 Jahren Krankenschwester im Krankenhaus Helios Mariahilf in Harburg. Sie ist durch berufliche Praxis erfahren im Umgang mit Menschen unterschiedlichen Glaubens und dennoch nimmt die Muslima derzeit noch an einem speziell für muslimische Frauen und Männer eingerichteten Fortbildungskursus „Seelsorge im Krankenhaus“ teil. Der Kursus zählt insgesamt zwölf Teilnehmer. „Ich lerne hier, wie ich im Gespräch noch besser auf die Sorgen und und Nöte der Patienten eingehen kann“, sagt sie, „leider ist im Alltag nur häufig die Zeit knapp, sich ausreichend unterhalten zu können und gegebenenfalls durch die passenden Worte auch Trost spenden zu können.“

Die evangelische Pastorin Dr. Christina Kayales hat die Fortbildungskurse ins Leben gerufen und bereits an der Asklepios Klinik St. Georg erstmals in Norddeutschland auch Imame in Seelsorge ausgebildet. Im Gegensatz zu christlichen Kirchen, die sich ihren Worten nach bereits seit den 1970er-Jahren in der Krankenhausseelsorge engagieren und seitdem den zuvor in der Regel ausschließlich von Familienangehörigen der Patienten geleisteten Seelenbeistand ergänzen oder übernehmen, kennt der Islam unsere Form der Seelsorge nicht. Kayales: „Imame haben als Vorbeter in der Moschee auch keine Aufgabe, wie sie bei uns von Pastoren wahrgenommen werden.

Dr. Ali Özdil, Leiter des Islamischen Wissenschafts- und Bildungsinstituts in Harburg, sagt: „Wir befinden uns inmitten einer Entwicklung von einer nicht deutschsprachigen zu einer deutschsprachigen Kultur. Die Seelsorge in deutscher Sprache wird Teil der Imamausbildung. Die Ausbildung läuft derzeit an fünf Standorten in Deutschland.“ Seelischen Beistand zu leisten ist in Ländern des Islam die Aufgabe von Familienangehörigen. In der Regel existieren auch noch Großfamilien, die umfangreich Hilfe leisten können. In Deutschland lebende Muslime sind hingegen der gesellschaftlichen Entwicklung angepasst. Familien zählen im Durchschnitt selten mehr als zwei Kinder. Özdil: Imame werden seelsorgerische Aufgaben nicht selbst in vollem Umfang leisten können. Wir sind auf ehrenamtliche Unterstützung angewiesen.“ Wie mitmenschlicher Umgang funktioniert, beweist Bilal Tan, seit acht Jahren am Krankenhaus Mariahilf für Patiententransporte zuständig. Er hat eine beruhigende Ausstrahlung auf Patienten, hält auf dem Weg zum Behandlungszimmer auch die Hand. „Im Kursus lerne ich, auch in der Unterhaltung die passenden Worte zu finden“, erklärt er.

Sichtweisen des Zusammenlebens und Handlungen sind in den Glaubensrichtungen unterschiedlich. Im Kursus geht es um kultursensible Seelsorge. Und im Falle einer schweren Erkrankung ist es nach den Worten von Kristina Kayales von Bedeutung, dass sich für den Patienten eine Zuwendung in kultureller und sprachlicher Vertrautheit ergibt. Kayales: „Im Islam ist jede Krankheit heilbar. Und gegen jede Krankheit muss es ein Mittel geben. So kann es vorkommen, dass der Arzt in einer ausweglosen Situation von Patienten oder Familienangehörigen geschüttelt wird.“ Und Islamwissenschaftler Dr. Ali Özdil sagt: „In der Not werden Gebote des Glaubens aufgehoben. Das Leben und die Gesundheit stehen an erster Stelle. Beispielsweise ist Alkohol für Muslime grundsätzlich verboten wegen seiner berauschenden Wirkung. Wenn Medizin aber nur in Alkohol gelöst eingenommen werden kann, so gestattet der Glaube auch Ausnahmen. Gleiches gilt für Medikamente, die in Gelatine aus Schweinefleisch eingenommen werden.“

Die Kursusteilnehmer erfahren in insgesamt neun Treffen – Abschluss ist am 29. November – unter anderem „Thesen zum Gespräch am Krankenbett“, „Deutung von Organspende, Autopsie, Missbrauch, Suizid im Islam“, „Deutung von Krankheit, Sterben und Tod im Islam“ oder auch Informationen zu „Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht.“ Zum Abschluss erhält jeder Teilnehmer eine Urkunde „Ehrenamtliche Krankenhaus Seelsorge.“

Bevor Christina Kayales ihre Arbeit als Seelsorgerin und interkulturelle Beraterin am Klinikum St. Georg aufgenommen hatte, war sie Gemeindepastorin, hatte mehrere Jahre auf den Philippinen gelebt und in Hannover im Kirchenamt gearbeitet. Der Bedarf an Ausbildung ehrenamtlicher muslimischer Seelsorgekräfte ist groß. Mit dem nun auch in Harburg geleiteten Kursus wird die Ausbildung voraussichtlich beendet sein. Die Muslime sollen Seelsorge in Zukunft in Eigenregie ausbauen.