Die Schreber in der vor 41 Jahren gegründeten Kleingartenanlage sind entsetzt und suchen Hilfe bei Bezirkspolitikern

Rönneburg/Meckelfeld. Als vor wenigen Tagen der Vorstand des Kleingartenvereins „Seeveparadies“ seinen 136 Vereinsmitgliedern das Schreiben von der Deutschen Bahn AG zeigte, saß bei allen der Schrecken tief und die Stimmung war im Keller: Die Bahn will das 9,5 Hektar große Grünland zwischen dem Seevekanal und der Gleisstrecke nach Hannover und Bremen, auf dem 1973 – vor 41 Jahren – die Kleingärten angelegt wurden, nach Möglichkeit verkaufen. „Wenn verkauft wird, was wird dann aus uns? – so lautete die Frage, die alle bewegte. Eine Antwort darauf gibt es bislang nicht. Die Schreber zeigen Geschlossenheit und bekunden mit einer Unterschriftensammlung, dass sie ihre „Scholle“ verteidigen wollen.

Der 76 Jahre alte Heinz Podulski aus Rönneburg, der vor 41 Jahren zusammen mit seiner Frau Helga zu den ersten Schrebern auf dem Gelände zählte, hat die Unterschriftensammlung in die Wege geleitet und hat auch Harburger Bezirkspolitiker von SPD und CDU auf den Ernst der Lage aufmerksam gemacht und um Hilfe gebeten. Jürgen Heimath, SPD-Fraktionsvorsitzender, mahnt bereits die soziale Verantwortung der Bahn AG an. Heimath: „Die Bahn AG sollte das als Grünland ausgewiesene Gelände den Schrebern zu einem nicht überteuerten, angemessenen Preis zum Kauf anbieten. Das wäre die einfachste Lösung.“

Problematischer würden andere sozialverträgliche Lösungen eines Grundstückskaufs aussehen, weil sich das Gelände zu einem Teil auf Hamburger Gebiet und zum anderen Teil auf dem Gebiet von Niedersachsen, Landkreis Harburg, Gemeinde Seevetal, Ortsteil Meckelfeld, befindet. Zumindest für den Hamburger Abschnitt könnte sich Heimath eine Grundstücksübernahme durch die Stadt vorstellen und eine Verwaltung durch den Landesbund der Gartenfreunde Hamburg (LGH). Heimath: „Ich bin erst am Anfang der Gespräche und werde versuchen, das Seeveparadies zu retten.“

Ursprünglich wollte die Deutsche Bahn AG vor gut 30 Jahren - damals noch Deutsche Bundesbahn - vom Rangierbahnhof Maschen eine Güterumgehungsbahn östlich um Hamburg herum führen. Nach Aufgabe des Vorhabens wegen massiver Proteste gab es auch keinen Bedarf mehr für das am Wagenwerkweg in Rönneburg gelegene Kleingartengelände und die Schreber konnten sich in ihrem Seeveparadies lange Zeit wohl fühlen. Bei der Bahn AG lautet nun aber die Ansage des Vorstands, alle nicht mehr benötigten Flächen in klingende Münze umzuwandeln.

Sabine Brunkhorst, Sprecherin der Deutschen Bahn AG in Hamburg teilt auf Anfrage zum Seeveparadies mit: „Seitens der DB Netz AG werden nicht mehr für den Bahnbetrieb erforderliche Flächen soweit möglich veräußert. In diesem Zusammenhang ist die DB Immobilien auch mit der Veräußerung der Flächen in Gut-Moor / Meckelfeld an der südlichen Hamburger Stadtgrenze beauftragt. Es handelt sich um etwa 9,5 Hektar Fläche, welche größtenteils als Kleingartenanlage an den Betrieb Bahn-Landwirtschaft verpachtet ist. Die Bahn-Landwirtschaft ist in der Verkaufsvorbereitung sowohl im Rahmen der Machbarkeitsprüfung als auch in der Datenrecherche eingebunden und bezüglich der Veräußerungsabsicht informiert. Zudem wurde der Bahn-Landwirtschaft bereits vorab angeboten, die Flächen selbst zu erwerben. Eine Rückmeldung dazu liegt noch nicht vor. Die Fläche wird noch nicht am Markt angeboten. Bei Veräußerung an einen Dritten werden die bestehenden Pachtverträge entsprechend übertragen.“

Heinz Podulski schätzt den Kleingartenanteil auf der Gesamtfläche auf etwa sechs Hektar. Die 136 Parzellen haben eine durchschnittliche Größe von 500 Quadratmetern, die Gartenlauben zählen 20 Quadratmeter. Die jährliche Pacht liegt bei 150 Euro plus rund 100 Euro Vereinsbetrag. „Das können wir uns leisten“, sagt Podulski. Als er 1973 die Parzelle anlegte, war er 35 Jahre alt. „Unsere beiden Töchter sind als Kinder hier groß geworden“, sagt er, „sie sind mit ihrem Schlauchboot auf dem Seevekanal gefahren. Hier ist es wirklich paradiesich.“ Sein Nachbar Ulrich Eggert, 79, der mit seiner Frau Sigrid seit 38 Jahren die Parzelle hegt und pflegt, erinnert sich an mühsame Jahre des Aufbaus. „Hier war Bahngelände. Das musste erst gründlich aufgeräumt werden“, sagt er, „und sehr viel Mutterboden war vonnöten, um hier gärtnern zu können.“

Ursprünglich waren wie Podulski und Eggert fast ausschließlich Eisenbahner im Seeveparadies. Inzwischen sind die Schrebergärtner eine weitgehend internationale Gemeinschaft. Podulski: „Wir haben hier auch wieder viele junge Familien mit Kindern, die sich eine Parzelle zugelegt haben und ihr eigenes Obst und Gemüse ernten.“ Selbst erntet Podulski auch jede Menge Obst und Gemüse. „Meine Frau kocht Marmelade, Beerenobst und Gemüse friert sie auch ein“, berichtet er, „so haben wir das ganze Jahr über aus unserem Garten etwas zu essen.“ Erst seit zwei Jahren ist Ilka Gregorius, 46, aus Meckelfeld Besitzerin einer Parzelle im Seeveparadies. Sie modernisiert derzeit ihre Gartenlaube. „Wir hatten einen tollen Sommer im Garten“ sagt sie, „meine beiden Jungs haben hier ihren Swimmingpool und Klettergeräte. Für sie gibt es nichts Schöneres. Und ich wünsche, dass unser Seeveparadies für uns erhalten bleibt. Die meisten Pächter haben sehr viel Geld in ihre Gärten und Lauben investiert.“