Bürgermeister Wilfried Geiger liebt seine Stadt – das ist aus jedem Satz herauszuhören. In 13 Tagen endet seine Amtszeit, in der Investitionen getätigt und der Dialog etabliert wurden

Buchholz. Wilfried Geiger ist gut vorbereitet, er hat einen Wahlkampf-Flyer von 2006 herausgesucht. „Alles, was ich darin versprochen habe, habe ich auch umgesetzt“, sagt der Buchholzer Bürgermeister stolz. Nur bei einem Punkt muss er passen: dem Ostring. Aber dazu später.

Am 1. November wird Geiger seinem Nachfolger Jan-Hendrik Röhse ein aufgeräumtes Haus übergeben. Acht Jahre war Geiger Chef im Rathaus, wo er seit 1991 tätig war, vor seiner Wahl als Stadtkämmerer. „Vieles ist heute selbstverständlich, was es damals überhaupt nicht war“, sagt er. Die Bürgerbeteiligung ist nur scheinbar erst seit kurzem alltäglich, aus Geigers Sicht ist sie es schon viel länger. Das Sandwegeausbauprogramm war einst ein Reizthema, weil die Bürger vor allem die Kosten sahen. So suchte Geiger das Gespräch und nahm seine Verwaltung mit. „Anfangs wurden wir attackiert und beschimpft, aber wir überzeugten die Bürger, indem wir sagten: Die Stadt bestimmt, dass ausgebaut wird, die Bürger wie.“ Mittlerweile klagten Bürger gar darüber, dass der Sandwegeausbau in ihrer Straße noch nicht begonnen hat.

Zentrales Thema war für ihn die Infrastruktur: „Sie ist entscheidend für eine Stadt. Wir haben die erste IGS im Landkreis bekommen, die Zukunftswerkstatt, das Krankenhaus wurde und wird ausgebaut. Nicht alles haben wir allein gemacht, aber wir waren beteiligt.“ Anpacken, machen – und zwar zügig ist die Devise. „Man hat immer nur ein bestimmtes Zeitfenster, in dem man Dinge tun kann“, ist Geiger überzeugt. Soll heißen: Wenn eine Stadt die Hände in den Schoß lege, könne sie abgehängt werden. Besser, man hält das Uhrwerk am Laufen. Ein Sinnbild für den 62-Jährigen: „Wenn ein Rädchen nicht funktioniert, bleibt die Uhr stehen.“ Beispiele gibt es genug: „Seit Jahren liegt die Arbeitslosenquote bei rund 4,5 Prozent. Durch die stete Ausweitung der Gewerbegebiete haben wir heute 13.300 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Früher gab es Möbel Kraft und die Maurerstraße. Inzwischen haben sich die Gewerbesteuereinnahmen verdreifacht, von fünf auf 15 Millionen Euro.“ Bei der Einkommensteuer ist gerade ein neuer Rekord erzielt worden.

„Wir erhalten und erweitern die Infrastruktur auch in den Ortschaften. Die Schule Trelde stand kurz vor dem Aus, in diesem Jahr ist sie wieder zweizügig. Wegen solcher Dinge werden auch dann noch Menschen nach Buchholz kommen, wenn in die anderen Gemeinden keine Menschen mehr ziehen“, sagt er selbstbewusst. Sein persönliches Highlight ist der Zuwachs bei den Krippenplätzen: von 15 auf 300. Aber auch die „Einkaufstadt Buchholz“ – das Fachmarktzentrum, die Innenstadt mit der vor zwei Jahren eröffneten Buchholz-Galerie. „Ein echter Glücksfall.“ Wenn man Investoren, die zweistellige Millionenbeträge mitbringen vor die Tür setze, sei man selbst Schuld. Jetzt gelte es, das Citycenter aus dem Tal zu holen, „vielleicht geht das auch nur mit einem Citycenter II, wie auch immer dies aussehen wird.“ Gleichwohl dürfe weder ein einzelner Anwohner noch ein einzelner Investor darüber bestimmen, was passiert.

Gegen Kritiker musste sich der Bürgermeister mehr als einmal durchsetzen – wie auch schon der eine oder andere Vorgänger. „Die Empore, das Gewerbegebiet II, das Parkhaus am Bahnhof haben sich trotz aller Kritik im Nachhinein als richtig herausgestellt. Unsere Pläne für Fahrradstellplätze wurden belächelt, dabei gab es am Bahnhof nichts.“ Seine Strategie: „Man muss zuhören, wer welches Problem hat, sich die Argumente anhören.“ Ein Grund, weshalb Wilfried Geiger Jahr um Jahr einmal im Monat auf dem Buchholzer Wochenmarkt das Gespräch sucht – zum letzten Mal am kommenden Sonnabend. „Manche haben ganz persönliche Probleme vor der Haustür, wo ich versuche zu vermitteln. Andere kommen mit hochpolitischen, Themen auf mich zu.“ Hinter so manchen Protesten aber stünden Partikularinteressen, „da muss man abwägen gegenüber dem Allgemeinwohl. Wenn ich von überzeugt war, dass etwas für die Entwicklung der Stadt nötig ist, habe ich es gemacht.“ Geärgert hat ihn, wenn Kritik auf Halbwissen basierte. „Doch wenn ich durch die Stadt laufe, werde ich von den Menschen ermutigt.“ Dazu stehen, was man tut, trotz Gegenwind. Das ist Geigers Überzeugung.

Seine Buchholzer nennt der Bürgermeister „jung und dynamisch“, es gebe sehr viele Zuzüge, auch einige Wegzüge. „Sie sind selbstbewusste Menschen, freundlich und hilfsbereit, das schätze ich.“ Sie sorgen für ein positives Image der Stadt. Als erfolgreiche Sportler, beim Feiern, bei einzigartigen Veranstaltungen wie dem Porschetreffen. Gestritten werde zwar auch, aber auf hohem Niveau, „und Streit ist nicht per se schlecht.“ Das zurzeit diskutierte Stadtentwicklungskonzept sei eine gute Möglichkeit, Themen zu kanalisieren. Die Diskussionskultur sei angekommen. Ganz anders als früher: „Da haben sie übereinander statt miteinander geredet, jeder in seinem Stammlokal.“ Diese Gesprächskultur hat auch in den Stadtrat Einzug gehalten, den zu früheren Zeiten tiefe Risse durchzogen hatten. Die Situation, die seit der jüngsten Kommunalwahl vorherrscht – nämlich dass der von CDU und FDP ins Amt gehobene Bürgermeister sich nun einer rot-grünen Mehrheit gegenüber sieht – hat die Wogen mehr geglättet als das Ausscheiden einiger besonders streitbarer Mitglieder. Er selbst sei aus Überzeugung parteilos geblieben. Der Beweis für das bessere Klima: „Seit der letzten Wahl wurde der Haushalt dreimal in Folge einstimmig verabschiedet.“ Die Bilanz trübt der Ostring. Den hätte Wilfried Geiger gern zumindest in Bau gesehen – doch das Verwaltungsgericht Lüneburg grätschte im Februar 2011 dazwischen, erklärte die Planung für ungültig. Erst vor wenigen Wochen wurde der Beschwerde gegen diesen Beschluss stattgegeben. Nun ist das Oberverwaltungsgericht am Zug, wahrscheinlich kommt es zu einem Mediationsverfahren. „Ich hoffe, dass das OVG für endgültige Klarheit sorgt“, sagt Geiger. Auf manche Dinge hat ein Bürgermeister eben keinen Einfluss. Thema öffentlicher Nahverkehr: „Ich würde einen 15-Minuten-Takt beim Metronom begrüßen. Immerhin haben wir gemeinsam mit Winsen und Buxtehude erreicht, dass die Tarife auf den Prüfstand kommen. Aber das ist Ländersache.“ Auch die ärztliche Versorgung sei nicht in allen Bereichen zufriedenstellend. „Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung blieben ergebnislos. Die berufen sich allein auf ihre Statistiken, die keine Unterversorgung belegen.“ Und aktuell bereiten das Landes- und das Regionale Raumordnungsprogramm Kopfzerbrechen. Und manche Projekte hätte Wilfried Geiger gern noch weiter begleitet. „Die Attraktivität der Innenstadt zu steigern – dazu gehört in jedem Fall das Citycenter II, wie auch immer es gestaltet wird –, aber auch die Attraktivität des Fachmarktzentrums. Es wäre schön, wenn das Hochregallager von Möbel Kraft endlich verschwinden würde.“

Aber ab 1. November stehen für den 62-jährigen Neu-Pensionär andere Dinge auf der Agenda. „Ich freue mich darauf, mich um meine Familie zu kümmern, um Haus und Hof, und auf die Weihnachtszeit.“ Auch sonst hat er einiges „auf dem Zettel": Hobbys pflegen, eine Sprache lernen, Ahnenforschung betreiben, Sport. Das Tennisspiel hat er als Bürgermeister nicht aufgegeben, eine weitere ausgleichende Sportart sucht er noch. Sich weiter für seine Stadt engagieren, das will er, in welcher Richtung steht noch nicht fest. „Es gibt viele Angebote, ich werde mir alles in Ruhe anschauen.“ Politik gehört übrigens nicht dazu.

Empfang am Sonntag, 26. Oktober, 11.30 Uhr, Rathaus. Statt Geschenke erbittet Wilfried Geiger Spenden für die Jugendfeuerwehr (Konto DE13 2406 0300 2470 6388 01, Volksbank Lüneburger Heide) oder die St. Paulus Kinderstiftung (Konto DE83 2003 0000 0006 7028 80), HypoVereinsbank