Die neuen Harburger Theatermacher Walking Actors inszenieren eine poetisch-heitere Großstadtgeschichte

Harburg. Das Landei Trudi zieht in die große Stadt – und gerät an die kuriosesten Typen. Da ist der cholerische Psychologe Lübbke, der offenbar selbst Hilfe braucht, spricht er doch in seiner Einbildung mit einem Hund namens Wotan. Oder der Charmeur Hans-Werner Tulpe, der nur Süßholz raspelt, um Frauen ins Bett zu hofieren, und sich als Schwein im Anzug entpuppt. Die Großstadt ist rau – und doch so voller Hoffnung. Davon handelt die Theaterproduktion “Ein bunter Strauß voll Leben“. Nach der Uraufführung im April im Hamburger Sprechwerk ist das poetisch-heitere Stück jetzt in Harburg zu sehen. Ein Heimspiel, denn es stammt von neuen Theatermachern aus Harburg.

Walking Actors Theater- und Filmproduktion nennen sich die beiden Schauspieler Melanie Weirather, 30, und Maik Möller, 42. Wobei der Zusatz Film zunächst noch ein Versprechen auf die Zukunft ist. Beide stammen aus Bayern und sind mittlerweile in Harburg heimisch geworden. Ein Jahresengagement der Allgäuerin Melanie Weirather als Schauspielerin in der Geschichts- und Gruselausstellung Hamburg Dungeon führte das Paar vor drei Jahren an die Elbe, eine leere Mietwohnung in den Stadtteil Rönneburg. „Gehen Sie nach Harburg, dort ziehen Künstler und Studenten hin“, hatte ein Taxifahrer Maik Möller geraten.

Maik Möller hat Fernseherfahrung. In einer Folge der ZDF-Krimiserie „Der Alte“ hat er mitgewirkt, bei den „Rosenheim Cops“ eine kleine Gastrolle übernommen und in der ARD-Soap „Marienhof“ einen Polizisten gemimt. Am Theater in München hat Maik Möller sogar in zwei verschiedenen Stücken an einem Abend gespielt: erst in dem gesellschaftskritischen Stück „Doppelhaushälfte“ und anschließend in dem poetischen Stück „Die Geschichte von St. Magda“. Das räumt mit dem Vorurteil auf, Kunst sei keine Arbeit.

„Ein Strauß voll mit Leben“ ist ihre erste eigene Theaterproduktion, finanziert mit Hilfe einer Schwarmfinanzierung im Internet. Die Harburger haben den Regisseur Lars Ceglecki engagiert. Der inszenierte so unterschiedliche Stoffe wie „Ödipus“ oder „Agatha Christies Hobby ist Mord“ und hatte seine ersten Berührungspunkte mit Regiearbeit bei Axel Schneider am Altonaer Theater gemacht. In die Rollen der Großstadtneurotiker schlüpfen Maik Möller und Melanie Weirather.

Ein Jahr lang hat die Realisierung von der Idee bis zur Produktion gedauert. Herausgekommen ist eine Mischung aus Poesie, Theater, Musik und Comedy. Maik Möller zetert als Psychiater Lübbke so herrlich vulgär über die Auswüchse der Regenbogenpresse, das Comedians nach der Uraufführung angefragt haben, die Figur für ihr Programm adaptieren zu dürfen. „Möglicherweise werden Figuren unseres Stückes in Comedy-Shows übernommen“, sagt Maik Möller. Ein Ziel der Walking Actors sei genau das, Künstler und ihre Genres zu vernetzen.

In Bewegung zu bleiben, sagt Maik Möller, stellt nicht nur eine Philosophie oder ein Lebensmotto dar, sondern erweist sich für Künstler als wirtschaftliche Überlebensstrategie. „Vier Prozent aller Schauspieler verdienen viel Geld, die übrigen nicht“, sagt er. Wie Künstler überleben können, beschreibt er gerne mit diesem Satz: „Steh fest, guck weit und beweg dich!“

Mit ihren Grenzgängen setzt die Theaterproduktion „Ein Strauß voll Leben“ konsequent diese Theorie um. Stille Momente, wenn maskierte Figuren poetische Texte von Melanie Weirather, Rilke oder Kästner rezitieren und den Großstadtrhythmus unterbrechen, wechseln mit komödiantischen Szenen, etwa wenn der kaputte Seelenklempner Lübbke sich schrill über Prominente auskotzt.

Das Schauspiel ist gleichzeitig Konzert, denn gleich sieben Songs, Jazz und Seemannslieder, sind in die Aufführung integriert. Deshalb zählen zwei Musiker zum Ensemble, der Saxofonist und Komponist Thomas Nestler und die Sängerin Ulrike Kohl. Nebenbei mimen die Musiker als Grenzgänger noch die Barfrau Kitty und den zockenden Barmusiker Hannes Hamburg.

Die Aufführung am 26. Oktober ist eine doppelte Premiere. Nicht nur, dass das Stück der neuen Harburger Theatermacher zum ersten Mal in Harburg zu sehen ist. Zum ersten Mal geht der Musikklub Marias Ballroom das Experiment ein und öffnet sich dem Theater. Genug Gründe also, Trudi auf ihrer Hamburg-Odyssee zu folgen.

„Ein bunter Strauß voll Leben“ (Schauspiel mit Musik), Walking Actors, Sonntag, 26. Oktober, 19 Uhr, Marias Ballroom in Harburg, Lassallestraße 11, Eintritt: 13 Euro; Sonnabend, 8. November, 19 Uhr, Kulturhaus Süderelbe in Neugraben, Am Johannisland 2, Eintritt: 12 Euro