Die Arp-Schnitger-Orgel ist stark gefährdet. Windladen und das prachtvolle Gehäuse sind zwar noch original erhalten, aber instabil

Der berühmteste Einwohner von Neuenfelde ist der weltbekannte Orgelbauer Arp Schnitger. Er ließ sich hier nieder, heiratete die Tochter und Erbin eines reichen Obstbauern. Nach ihm wurde eine kleine Straße benannt, der Arp-Schnitger-Stieg. Dazu passend der Organistenweg. Und baute in Neuenfelde eine seiner zahlreichen Orgeln. Die Orgel ist die Königin der Instrumente.

Ich betrete die St.-Pankratius-Kirche. Auf den ersten Blick wirkt dieser barocke Saalbau katholisch. Mit dem prächtigen Kanzelaltar und dem bilderreichen Deckengewölbe. Aber sie ist eine norddeutsche evangelisch-lutherische Barockkirche. Und sie beherbergt die größte zweimanualige Orgel Schnitgers in der Weser-Elbe-Orgellandschaft. Mit 34 Registern und 2050 Pfeifen. 1688 erbaut vom großen Meister. Pilgerziel vieler Orgelkenner aus aller Welt.

Ich bin mit dem Kantor und Organisten Hilger Kespohl verabredet. Er erzählt, dass er als 15-Jähriger darauf brannte, diese Orgel zu hören. Aber sie war 1979 ausgebaut. Sie hatte Schaden genommen durch die Heizung. Kenner wissen, dass Orgeln keine heftigen Temperaturschwankungen vertragen. Die Kirchen dürfen nie mehr als 16 Grad Celsius haben. Seit seiner Jugend lassen Orgeln Kespohl nicht los. Er ist seit 7 Jahren Organist in St. Pankratius. Es reizte ihn, auch die zusätzliche Verantwortung für die Restaurierung zu übernehmen. Und das Sammeln von Geld.

Ich frage ihn, was die Faszination dieser Orgel ausmache. „Der Reiz ist die Vielfalt der verschiedenen Klangfarben und der Registrierungen. Ideal geeignet für die Werke der norddeutschen Orgelliteratur aus der Zeit ihrer Fertigstellung, für die Werke von Dietrich Buxtehude und Nikolaus Bruhns. Andere Orgeln klingen uniformer.“

Faszination Orgel. Ich kenne Menschen, die weinen müssen, wenn die Orgel erklingt. Sie berührt emotional. Ein Gottesdienstbesucher sagte mir: „Die Orgel ist die Königin aller Instrumente. Sie spricht eine Sprache, in der Gott einem ganz nahe kommt.“

Die Arp-Schnitger-Orgel ist stark gefährdet. Windladen und das prachtvolle Gehäuse sind zwar noch original erhalten, aber es ist instabil. Die größten Pfeifen sind eingesunken.

Sie zu stimmen ist schon lange nicht mehr möglich. Das große Juli-Festival auf allen Arp-Schnitger-Orgeln von Neuenfelde bis nach Ostfriesland, immer um den Geburtstag des großen Meisters Ende Juli, findet schon länger ohne sein Werk in Neuenfelde statt.

Kirchengemeinde und die Arp-Schnitger-Gesellschaft haben schon 500.000 Euro zusammen. Die Kosten für die aufwendige Restaurierung liegen bei Euro 780.000 Euro. Mit Blick auf die Kostensteigerung bei der Elbphilharmonie frage ich, ob diese Schätzung realistisch ist. „Wir haben einen hervorragenden Orgelbauer gewonnen, der auch anerkannter Restaurator ist. Unser Ziel ist es, den Originalzustand von 1688 wieder herzustellen. Unsere Schätzung ist sicher. Die Arp-Schnitger-Gesellschaft hat Pfeifenpatenschaften ausgeschrieben. Die größten Pfeifen sind für 1000 Euro zu haben, die kleinsten für die Töne in höheren Lagen für 50 Euro

Im Februar des nächsten Jahres soll die Orgel ausgebaut werden . Im September 2016 wird die umfangreiche Arbeit in der Werkstatt von Kristian Wegscheider in Dresden beendet sein. Gleichwohl gibt es auch in diesem Jahr noch die beliebten „Neuenfelder Orgelmusiken“ von Mai bis Dezember. Sie ziehen Menschen aus dem Großraum Hamburg an. In ihnen spielen hochkarätige Organisten. „Wie ist das möglich?“, frage ich. „Die Orgel ist schwer zu spielen. Längst nicht alle Register erklingen noch. Die Gastorganisten müssen sich darauf einstellen und lange üben.“ „Und was tun Sie in den anderthalb Jahren? Sind Sie dann arbeitslos?“, frage ich.

„Erstens habe ich noch meinen Chor, zum anderen werden wir uns mit einer kleinen Orgel, einem Positiv oder mit einem Klavier behelfen, um die Gottesdienste musikalisch zu gestalten.“

Hilger Kespohl ist es wichtig, auf die beiden Abschiedskonzerte hinzuweisen. Am Sonntag, 2. November wird einer der bedeutendsten Organisten und Orgelpädagogen, Michael Radulesco, spielen.

Von ihm hat Kespohl viel gelernt. Am 7. Dezember – ebenfalls ein Sonntag – findet dann das letzte Konzert statt. Bei Kerzenschein. Das wird der Herr Organist selbst spielen. Es wird ein Hoffnungskonzert sein.

Helge Adolphsen ist emeritierter Hauptpastor des Hamburger Michel. Er lebt in Hausbruch. Seine Kolumne erscheint alle zwei Wochen sonnabends in der Regionalausgabe Harburg & Umland des Hamburger Abendblattes.