Friedhelm Busch opfert als Verkehrshelfer gern ein bisschen Freizeit, damit Winsener Schüler heil nach Hause kommen

Winsen. Über dem Anorak trägt Friedhelm Busch eine Warnweste mit Leuchtstreifen, in jeder Hand liegt eine rote Kelle und auf dem Gesicht ein zufriedenes Lächeln. Wieder einmal ist er im Einsatz für die Sicherheit von Kindern. So wie jeden Tag, wenn die Grundschüler der Alten Stadtschule Winsen Unterrichtsschluss haben. Busch sorgt als Verkehrshelfer dafür, dass keines der Mädchen und Jungen auf dem Zebrastreifen der viel befahrenen Eckermannstraße zu Schaden kommt. Landläufig nennt man ihn einen Schülerlotsen. Allerdings gilt seine Sorge nicht ausschließlich Kindern. Während der halben Stunde, die er täglich vor Ort ist, stoppt er für jeden, der die Straße auf dem Fußgängerüberweg queren möchte, den Verkehr.

Sein Engagement findet der 74-Jährige selbst nicht weiter bemerkenswert. Der Verkehrssicherheitsberater der Polizeiinspektion Harburg aber schon. „Schüler- und Elternlotsen leisten einen großen Beitrag zur Verkehrssicherheit. Seit 1953 gibt es Verkehrshelfer in Deutschland und seither – also seit 60 Jahren – hat es keinen einzigen schweren oder tödlichen Unfall an einer von Lotsen gesicherten Stelle gegeben“, erklärt Dirk Poppinga. Im Landkreis Harburg sind zurzeit rund 300 Schulweghelfer an gefährlichen Querungen im Einsatz. Etwa ein Drittel der Lotsen drücken selbst noch die Schulbank. Ab dem Alter von 13 Jahren darf Verantwortung für Verkehrsteilnehmer übernommen werden. Nach entsprechender Schulung durch die Polizei, wie sie auch die Erwachsenen durchlaufen müssen. Jugendliche Schülerlotsen helfen nicht nur ihren Schulkameraden, sie profitieren auch selbst. „Sie haben einen deutlich geschärften Blick für das Verkehrsgeschehen“, weiß Poppinga. An weiterführenden Schulen ist es deshalb meist nicht schwer, genügend Freiwillige zum Schutz der Jüngsten zu rekrutieren.

Anders an reinen Grundschulen wie der Alten Stadtschule. Friedhelm Busch ist einer von gerade einmal neun Engagierten, die bereit sind, zur Sicherheit der Kinder 30 Minuten ihrer Zeit zu opfern. „Wir verschicken jeweils zur Einschulung einen Brief an die Eltern und fragen direkt an, ob sie helfen möchten“, sagt Schulleiterin Angelika Teuchert schulterzuckend. Auch auf Elternabenden werde das Thema immer wieder angesprochen. Die Resonanz sei minimal. Die Gründe sieht Teuchert in der veränderten Rolle der Frau. „Nicht nur die Väter, auch viele Mütter sind heute berufstätig. Deshalb schicken sie ja ihre Kinder auf eine Ganztagsschule wie unsere.“ Aber auch eigennütziges Denken und Ignoranz spielten eine Rolle. „Manche argumentieren, ihr eigenes Kind nutze den Zebrastreifen nicht, weil es aus der anderen Richtung komme oder im Auto gebracht werde. Und andere zeigen einfach kein Interesse.“

Umso dankbarer ist die Schulleiterin Menschen wie Friedhelm Busch. Er springt ein, obwohl keiner seiner fünf Enkel die Winsener Schule besucht und obwohl der geforderte Einsatz hier besonders hoch ist. Täglich muss die kleine Lotsen-Gruppe drei Termine besetzen – vor Schulbeginn sowie zum Schulschluss am späten Vormittag und am frühen Nachmittag. Da tut jeder einzelne sehr häufig Dienst und die Aufgabe, die eigentlich zu zweit versehen werden soll, ist allein zu bewältigen. Beide Fahrtrichtungen im Auge zu behalten, erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Verantwortung. Beides sind Gründe, warum sich keine neuen Freiwilligen melden. Mehr als einmal schon stand der Lotsendienst an der Alten Stadtschule kurz vor dem Aus.

Friedhelm Busch engagiert sich bereits seit drei Jahren am Zebrastreifen. Weil es ihm ein gutes Gefühl vermittelt, für die Sicherheit von Kindern zu sorgen. Weil er genug Zeit hat. Und weil es dem Witwer Spaß macht, freundlichen Menschen zu begegnen. Dass er von Autofahrern auch mal den Stinkefinger gezeigt bekommt, kann er verschmerzen. Viele Passanten kennen und schätzen ihn, fast alle danken mit einem Lächeln oder ein paar netten Worten. Sogar Radfahrer, die er freundlich darauf aufmerksam macht, dass sie in falscher Richtung unterwegs sind oder auf dem Fußgängerüberweg besser absteigen sollten, zeigen sich zumeist einsichtig und befolgen den Hinweis. „Ich bin kein Polizist und darf deshalb niemanden zur Rechenschaft ziehen“, sagt Friedhelm Busch. „Aber an die Vernunft appellieren kann und muss ich. Schließlich geht es um unser aller Sicherheit.“