Nach 23 Jahren endet die Amtszeit von Bürgermeister Dietmar Stadie. Am kommenden Freitag wird das SPD-Urgestein am Kiekeberg verabschiedet

Rosengarten. Als Dietmar Stadie 1976 in den Gemeinderat eintritt, ist längst nicht absehbar, welch kräftigen Stempel er einmal der Gemeinde Rosengarten aufdrücken wird. 23 Jahre Bürgermeister, 38 Jahre Mitgliedschaft im Gemeinderat, 15 Jahre Vorsitzender der SPD-Fraktion. Von einer Ära zu sprechen, wäre angesichts dieser Daten eine glatte Untertreibung.

Jetzt endet die Amtszeit des 68-jährigen Bürgermeisters der Gemeinde Rosengarten. Wer 67 Jahre und älter ist, darf nicht erneut für das Amt antreten. Am Freitag, 17. Oktober, feiert Stadie im Freilichtmuseum am Kiekeberg seinen Abschied. Dirk Seidler aus Hambühren bei Celle ist sein Nachfolger und tritt das Amt im November an.

Es ist ein gewisser Automatismus, der vor 23 Jahren alles ins Rollen bringt. Als Chef der SPD-Fraktion ist es so etwas wie eine Selbstverständlichkeit, dass Dietmar Stadie gefragt wird, ob er ehrenamtlicher Bürgermeister werden will. Am 26. November 1991 wählt der Gemeinderat den damals 45-Jährigen, der als Referatsleiter bei der Shell AG tätig ist.

Mit der Änderung der niedersächsischen Gemeindeordnung verschwindet das Ehrenamt. Die Position des Bürgermeisters wird aufgewertet. Er soll jetzt Chef der Verwaltung und oberster Repräsentant des Rates zugleich sein und wird von den Bürgern direkt gewählt. Stadie, verheiratet, zweifacher Vater und seit 1989 SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag, setzt sich in der ersten Wahl am 23. September 2001 mit 54,9 Prozent der Stimmen gegen den Kandidaten der CDU, den EDV-Fachmann Ulrich Diercks aus Sieversen (45,1 Prozent), durch. Schöner Nebeneffekt: Nach 30-jähriger Tätigkeit bei der Shell AG muss Stadie, der in Rosengarten wohnt, sich nicht mehr durch den Elbtunnel quälen. „Eine große Gnade“, sagt er.

Damit wird er erster hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Rosengarten und bleibt es bis heute. 2006 kandidiert Stadie erneut und wird mit 53,3 Prozent der Stimmen gewählt. Helga von Mohnsdorff (CDU, 38,2 Prozent) und Dr. Stefan Lübben von den Grünen (8,5 Prozent) bleiben chancenlos.

23 Jahre Bürgermeister. Wie macht man das? Ein Grund ist sicherlich, dass Stadie den Bürgern nah ist. Stadie ist einer von ihnen, Mitglied im TuS Nenndorf, in den Schützenvereinen Nenndorf, Emsen, Tötensen und Vahrendorf. Man kennt sich. Rhetorisch macht ihm kaum einer etwas vor. Stadie ist schlagfertig und weiß immer etwas zu erzählen. Journalisten gegenüber fügt er dann gerne hinzu: „Aber nicht schreiben.“ Die Einwohner, die mit ihrem Anliegen zu ihm kommen, werden alle gleich behandelt. Egal, ob sie Dieter Bohlen heißen oder Manfred Müller. Für ihn ist Bohlen aus Tötensen, der Musiker, Produzent und gefürchtete Juror von Deutschland sucht den Superstar „ein ganz normaler Bürger“.

Stadie ist ein prinzipienfester Mensch. Hat er sich einmal für etwas entschieden, bleibt er dem treu. Das zieht sich durch sein ganzes Leben und lässt sich nicht nur an den 23 Jahren als Bürgermeister festmachen. 25 Jahre sitzt er für die SPD im Kreistag. Bis heute, 26 Jahre lang, ist er Vorsitzender des TuS Nenndorf. „Das Ehrenamt reicht fast für zwei Leben“, weiß Stadie und grinst. Auch dem HSV hält er seit Jahren die Treue, fährt regelmäßig im Trikot zum Stadion, selbst als dem Verein der Abstieg droht.

Stadie blickt zufrieden zurück. „Sein Kind“ ist der Regionalpark Rosengarten. „Rosengarten hat so viel schöne Natur. Das muss man aufbereiten, damit die Menschen daran teilhaben“, denkt sich Stadie und wird 2008 einer der Gründungsväter des Paradieses für Radfahrer, Mountainbiker, Wanderer, Nordic Walker und Reiter mit 37 Routen auf insgesamt 543 Kilometern. Auch der Erhalt der Stellmacherei in Langenrehm, die zur Außenstelle des Freilichtmuseums am Kiekeberg werden soll, ist seine Idee.

Besonders stolz ist er, dass die Gemeinde Rosengarten schuldenfrei ist. Stadie ist gewiss keiner, der mit dem Geld der Bürger um sich wirft. Die Gemeinde ist eine der ersten, die Straßenlaternen ab Mitternacht abschaltet, um Geld zu sparen. „Vor 15 Jahren war das vor allem eine fiskalische Tat. Heute wissen wir, dass wir damit auch ökologisch viel bewirkt haben“, so Stadie.

In seiner Amtszeit werden alle vier Grundschulen saniert und teilweise erweitert. Neue Kindergärten entstehen, bestehende wachsen. In Nenndorf Süd entsteht ein neues Wohngebiet mit 100 Baugrundstücken. Zu den Leuchtturmprojekten zählen außerdem der Bau der Dreifeldsporthalle in Klecken, Bau der Skateranlage in Tötensen und die Neugestaltung des Nenndorfer Ortskerns. Stadie bewahrt zudem das alte Hauptschulgebäude vor dem Abriss und bringt dort unter anderem das Jugendzentrum und Bündnis für Familie unter. Dass die Oberschule Rosengarten etabliert wird, hält Stadie ebenso für einen großen Erfolg.

Es gibt aber auch dunkle Phasen in seiner Amtszeit. Der Kampf um den Standort des einzigen Supermarktes für die Menschen in den Ortschaften Klecken und Eckel vor vier Jahren ist von einer giftigen Atmosphäre geprägt. Stadie hat weniger damit ein Problem, dass eine Bürgerinitiative ihren Standortwunsch durchsetzt. Aber dass seine Integrität in Frage gestellt wird, verletzt ihn und geht an die Substanz. Eine anstrengende Zeit, bestätigt auch Verwaltungsvize Rainer Alka. „Ein schwächerer Bürgermeister hätte damit sicherlich seine Probleme gehabt“, sagt Alka.

Aber Stadie ist „eine starke Persönlichkeit mit Mut zur Entscheidung. Sein Name hat in der Region Gewicht“, sagt Alka. Während seiner Amtszeit trägt ihn die so genannte bunte Mehrheit im Rat. Das ist noch so eine Besonderheit in der Gemeinde Rosengarten: Obwohl die CDU im Rat die stärkste Kraft ist, stellt eine Koalition aus SPD, UWR, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke die Mehrheit. Und das seit 23 Jahren. „Das gibt es bundesweit nicht noch einmal“, sagt Stadie. „Wir haben uns gemeinsam bemüht, die Gemeinde angemessen weiter zu entwickeln“, sagt er. „Es hat Freude gemacht.“ Besonders, weil „man so dicht dran ist an den Bürgern“.

Jetzt scheidet Stadie aus und nimmt sich eine Auszeit. Ob und was danach kommt, lässt er offen. „Das entscheide ich in Ruhe. Erstmal Beine hoch und John Wayne gucken“, sagt er und lacht.