Wahlplakat zerkratzt die Motorhaube von Tuba Sezers Auto. Für den Schaden zahlen will die Partei aber nicht

Harburg. Anfang kommenden Jahres ist es wieder so weit, die nächste Wahl steht an. Am 15. Februar sollen die Hamburger darüber entscheiden, wer in die nächste Bürgerschaft einzieht. In Kürze werden sie deshalb wieder überall zu sehen sein, die unvermeidlichen Plakate, mit denen sich die Kandidaten der Parteien ins rechte Licht zu setzen versuchen. An den jüngsten Wahlkampf zum Europa-Parlament hat die Harburgerin Tuba Sezer nachgerade traumatische Erinnerungen. Weil der 22-jährigen Deutschtürkin ein Wahlplakat buchstäblich um die Ohren flog, noch dazu eins der NPD.

Der 11. Juni dieses Jahres ist ein stürmischer Tag. Tuba und ihre Freundin Leiluma sind um die Mittagszeit mit dem Auto auf dem Weg in die Hamburger City, um ein Abschiedsgeschenk für die scheidende Leiterin des Mädchentreffs im Harburger Frauenkulturhaus, Annette Backa, zu besorgen. Kurz hinter der Billhorner Elbbrücke passiert es. Plötzlich fliegt das Plakat der Rechten von links kommend (!) vors Auto. „Alles ging blitzschnell. Erst knallte es auf die Motorhaube, dann auf die Frontscheibe, und wehte dann über das Auto davon“, schildert Tuba die unheimlichen Augenblicke.

Bleich vor Schreck legt sie eine Vollbremsung hin. Als sie ihren hart ersparten, schwarzen 1er-BMW kurz darauf checkt, entdeckt sie tiefe Lackkratzer auf der Motorhaube. In einer Fach-Werkstatt wird der Schaden bestätigt, der Kostenvoranschlag für die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen beläuft sich auf 1218,05 Euro.

Die will Tuba natürlich erstattet haben. Als Schwesternschülerin am Universitätsklinikum Eppendorf bekommt sie im Schnitt gerade 750 Euro ausgezahlt. Davon lässt sich so eine Reparatur nicht mal eben bezahlen. Also versucht sie Kontakt zur NPD aufzunehmen. Mehrere Anrufe bei der Partei-Dependance in Hamburg bleiben erfolglos. Also schreibt sie eine freundliche E-Mail an die NPD-Zentrale in Berlin und bittet um eine Kostenübernahme. Die Replik aus dem Hauptquartier der Partei lässt nicht lange auf sich warten. Wo denn die „eindeutigen Beweise“ seien, dass ein „eventueller Schaden“ an der Motorhaube „unzweifelhaft von einem abgerissenen Wahlplakat der NPD“ stamme, will Frank Schwerdt von der Rechtsabteilung des NPD-Parteivorstands wissen.

Da ahnt Tuba Sezer schon, dass ihr die NPD-Juristen nicht gerade wohl gesonnen sind. Und schaltet zur Wahrnehmung ihrer Interessen den Harburger Rechtsanwalt Michael Wied ein. Für den gibt es gar keinen Zweifel, dass die Schadenersatzansprüche rechtens sind. „Der Schaden wurde allein schuldhaft dadurch verursacht, dass die NPD ein Wahlkampfplakat unsachgemäß am Straßenrand befestigen ließ. Ein heftiger Windstoß reichte offenbar aus, dass es sich losreißen und in den fließenden Autoverkehr fliegen konnte“, sagte Wied dem Abendblatt. Überdies gebe es mit Leiluma Ebrahimzada eine direkte Zeugin und der gesamte Vorfall sei durch Fotos belegt.

Das wird in der NPD-Zentrale – nicht ganz überraschend – gänzlich anders beurteilt. Weder aus dem anwaltlichen Schreiben Wieds, noch aus den beigefügten Bildern, noch aus den Aussagen der jungen Frauen lasse sich eine Verbindung der Schäden am Fahrzeug mit dem NPD-Wahlplakat herstellen. „Deshalb lehne ich für die NPD sämtliche Ansprüche Ihrer Mandantin ab“, so Frank Schwerdt.

Dass es doch noch zu einer außergerichtlichen Einigung kommt, hält Michael Wied inzwischen für ausgeschlossen. Dabei hatte er die NPD-Rechtsabteilung Mitte August noch einmal angeregt, den eingenommenen Standpunkt zu überdenken. „Die Kausalkette zwischen Schadensverursachung und dem Schaden selbst ist lückenlos“, sagt Wied. Er hatte sogar angeboten, sich persönlich mit der Haftpflichtversicherung der NPD in Verbindung zu setzen. „Da die Gegenseite alle Ansprüche von Frau Sezer aber vollumfänglich zurückweist und bis dato in keine konkrete Schadensregulierung eingetreten ist, werde ich jetzt die Klageschrift vorbereiten und Anfang November beim zuständigen Amtsgericht in Hamburg einreichen.“

Tuba Sezer geht fest davon aus, dass sie das Geld für die Reparatur bekommen wird: „Ich denke, alle nötigen Beweise liegen vor, und schlüssig sind sie auch.“ Deshalb sei es für sie auch gar keine Frage gewesen, ihr Recht einzuklagen. Dass ihr dabei ausgerechnet die NPD gegenüberstehe, habe sie von ihrer Entscheidung nicht abbringen können. Anwalt Michael Wied wundert derweil, wie dürftig selbst die Sprachqualität der NPD-Antwortschreiben ausfällt: "Für eine Partei, die nicht müde wird vor Überfremdung zu warnen und ständig die deutsche Leitkultur beschwört, sind den rechten Rechtsexperten erstaunlich viele Rechtschreibfehler unterlaufen.“