Grabungen beendet: Archäologen finden Waffen und Geschirr – Zeugen der langen, wechselhaften Geschichte Harburgs

Harburg. Nach zwei Jahren und sieben Monaten hat das Archäologische Museum Hamburg seine im Frühjahr 2012 angefangenen Ausgrabungen auf dem Wohnungs-Neubaugelände zwischen Kaufhauskanal und Harburger Schloßstraße beendet. Und alle anfangs aufgestellten Vermutungen, dass sich in den Erdschichten bis fast fünf Meter Tiefe Harburgs gut 1000 Jahre alte Entstehungsgeschichte nachweisen lasse, haben sich bestätigt.

Mit Spaten, Schaufeln, Spachteln und Pinseln haben Grabungsteams unter Leitung von Dr. Philip Lüth mehr als 6000 Kubikmeter Erde bewegt, 13.000 Befunde erfasst und 36.000 Fundstücke inventarisiert. Alle in Handarbeit mühselig freigelegten Reste ehemaliger Häuser, Katen, Wege, Arbeitsstätten und früheren Hafen- und Werftanlagen wurden digital vermessen und auf mehr als 450 Plänen dokumentiert. Grabungsleiter Lüth: „Mit seinem Areal an der Harburger Schloßstraße zählt Harburg mittlerweile zu einer der am besten ergrabenen mittelalterlichen Städte Deutschlands.“ Erstmals wurde in Harburg auch die erste unterwasserarchäologische Untersuchung auf Hamburger Stadtgebiet vorgenommen. Im Lotsekanal war nach ersten Brückenverbindungen von der Schloßstraße zur Schloßinsel gesucht worden. In sechs Metern Tiefe wurde ein 1,30 Meter langes Konstruktionsteil aus Eichenholz gefunden, das vermutlich zu einer Brücke gehörte.

Fäkaliengruben der früheren Bewohner Harburgs sind für Archäologen häufig die ertragreichsten Fundstätten. So wurde aus einer Kloake des 17. und 18. Jahrhunderts das vollständige Service eines hochwertigen Tafelgeschirrs geborgen. Ansonsten verzeichneten die Ausgrabungsteams in verschiedenen Erdschichten bedeutende Waffenfunde, die auf eine bewegte militärische Geschichte Harburgs schließen lassen, darunter Armbrustbolzen, Pfeilspitzen, Äxte, Speere, Lanzen, Gewehr- und Pistolenkugeln, Musketengabeln und Artilleriegeschosse. Zu Gegenständen des täglichen Lebens zählen Tonpfeifen oder auch eine hölzerne Schalmei. Zahlreiche sogenannte Importfunde von Keramikartikeln aus Spanien und den Niederlanden lassen auf weitreichende Handelsbeziehungen schließen.

Harburg entwickelte sich zu einem Handelsplatz an einem Handelsweg in Nord-Süd-Richtung, wo sich die Elbe einfacher als anderswo mit Fähren und Lastkähnen überqueren ließ. Der Verlauf der Harburger Schloßstraße hat sich mehr als 800 Jahre nicht verändert, was als siedlungstopografische Besonderheit gilt. Handwerker und Händler siedelten sich an.

Die Archäologen konnten mit ihren Ausgrabungen die Anwesenheit verschiedener Handwerksberufe nachweisen, darunter Goldschmiede, Schuster, Bäcker und Schiffbauer. In den unteren Schichten wird Harburgs Entstehung als Grenzfestung deutlich, die Schichten darüber zeugen vom Leben zur Zeit, als Harburg Sitz von Herzögen war bis zur jüngsten Zeit der Industriealisierung. Während der Ausgrabungszeit nahmen mehr als 3000 Besucher an kostenlosen Führungen über die Grabungsstellen teil.

Alle Fundstücke liegen inzwischen in den Archiven des Archäologischen Museums. Das Material muss nun mit Fundstücken und Orten früherer Grabungen verglichen und wissenschaftlich zugeordnet werden. Dr. Rainer Maria Weiss, Direktor des Archäologischen Museums: „Die große Bandbreite der archäologischen Funde belegt die hohe Bedeutung, die der Region seit hunderten von Jahren als Siedlungsgebiet und Verkehrsknotenpunkt zukommt.“