Der Wiederaufbau nach dem Großfeuer am historischen Hafen in Lüneburg soll im November beginnen. Die Ermittlungen dauern an

Lüneburg. Sie schmerzt auch ein Jahr nach dem großen Brand im Lüneburger Wasserviertel noch: die Lücke am historischen Stintmarkt. Zwar haben sich die Arbeiten im 3,5-Millionen-Euro-Neubau bereits um einige Monate verzögert. Doch das Postkartenidyll der kuschelnden Giebel soll Ende nächsten Jahres wieder perfekt sein.

Es war die Nacht zum 2. Dezember, als ein Dutzend Menschen ihr Zuhause verloren. Als ein Wirt seinen Irish Pub, eine Familie ihr italienisches Restaurant aufgeben musste. Nach einer Brandstiftung in den Räumen des Lokals im Erdgeschoss und schwierigen Löscharbeiten wegen der Lage des Hauses direkt am historischen Hafen musste das 150 Jahre alte Gebäude nach dem verheerenden Feuer wegen Einsturzgefahr abgetragen werden – einzig der denkmalgeschützte Keller aus dem 16. Jahrhundert blieb stehen.

Doch auch das Gewölbe ist bei dem Brand in Mitleidenschaft gezogen worden: Löschwasser hat für Schimmel gesorgt, Pilze sind aus Decken und Wänden gesprossen. Und so war die erste Arbeit am neuen Haus eine Schimmelsanierung im alten Teil.

Im November soll der wichtigste Schritt für den gesamten Neubau beginnen: die Gründung. Der Lüneburger Architekt Henryk Reimers plant das Projekt gemeinsam mit seinem Kollegen Gunnar Schulze und erklärt: „Wir bohren 60 Pfähle in die Hohlräume der mittelalterlichen Kellerwände, darauf wird die Erdgeschossdecke gelegt. Auf der steht später das gesamte Haus.“ Die historischen Kellerwände sind etwa einen Meter dick und zweischalig, der Hohlraum ist mit Bauschutt und Gips verfüllt. „Die Gründung ist die größte Hürde, der größte Knackpunkt“, sagt der Architekt. „Danach geht’s wie bei jedem Neubau in die Höhe, auch wenn eine Fachwerkfassade natürlich etwas aufwändiger ist.“

Aufwändig ist auch die Kombination aus massiven Brandschutzauflagen und historischem Erscheinungsbild. So hat der Altbau nur ein einziges Treppenhaus besessen – und das ist heute eigentlich nicht mehr erlaubt, weil es einen zweiten Flucht- und Rettungsweg geben muss. Die Folge: Der Neubau bekommt eine Entrauchungsanlage mit dem Anspruch eines Hochhauses.

Was nicht gelingen wird wie zunächst gehofft, ist die Verwendung gebrauchter Baumaterialien. „Wir waren auf der Deponie und haben die Schuttberge nach verwendbaren Resten durchsucht“, erzählt Reimers. „Aber es war alles wie geschreddert. Wir konnten leider nichts bergen.“

Die Eichenbalken werden daher ausschließlich neu sein, die dunkelroten Ziegel nach historischem Klosterformat gebrannt. Ob die Fassade zum Wasser hin wieder in einem Rosa-Ton getüncht wird wie zuvor, steht noch nicht fest. Denn eigentlich sind die Handformatsteine und edlen Balken zu schade, um übermalt zu werden. „Die Patina kommt von ganz alleine“, sagt Reimers. „Das geht relativ schnell.“

Etwa drei bis vier Monate hängt das Projekt derzeit hinter den ursprünglichen Planungen, unter anderem wegen falscher Unterlagen aus der Geschichte des Hauses. Als die Architekten den historischen Keller von einer Firma vermessen ließen, stellten sie fest: Die Originalpläne aus dem Bauamt stimmen mit dem Ist-Zustand nicht überein. Die Kellerwände als tragende Achsen liegen in der Realität woanders als auf den Zeichnungen. Also musste neu gerechnet werden.

Mittlerweile liegt die Baugenehmigung vor, der Eigentümer sucht einen Generalunternehmer. „Ende 2015 ist als Fertigstellung immer noch realistisch“, sagt Henryk Reimers. Wobei die Witterung des Winters viel ausmachen wird: ob es zu kalt ist und Schnee liegt oder ob weitergebaut werden kann.

Noch immer ermittelt die Polizei wegen schwerer Brandstiftung und mehrfachem versuchtem Totschlag. In den oberen Stockwerken des Hauses lebten zwölf Menschen. Sie alle konnten sich in der Nacht ins Freie retten. Ihr Hab und Gut haben sie jedoch verloren.

Nicht nur das Nachbarhaus des abgebrannten Gebäudes wird derzeit noch saniert, auch am anderen Ende des Lüneburger Stintmarkts verdeckt ein Baugerüst die historische Fassade. Die älteste Kneipe der Stadt wird restauriert.

Neben neuen Fenster bauen die Arbeiter zur Wasserseite auch eine neue Tür ins Mauerwerk: Zwischen zwei nach außen stehenden Fenstern, genannt Utluchten, wo früher der Haupteingang war. Im November soll die Seite zur Ilmenau hin fertig sein. Noch heute wird in dem Eckhaus Bier ausgeschenkt – wie seit 1573.