Schwergewicht: Fachleute – unter anderem aus Harburg – wickeln am Kleinen Grasbrook ein elf Kilometer langes Starkstromkabel für den Seetransport

Kleiner Grasbrook. Ein solcher Spezialtransport kommt nicht alle Tage vor. Und ohne Expertenwissen und gründliche Vorbereitung wäre diese schwergewichtige Fracht vermutlich nicht so problemlos am Süd-West Terminal des Hamburger Hafens an Bord des russischen Frachtschiffs „Karelia“ gelangt. Ein elf Kilometer langes Starkstromkabel, das zwischen St. Petersburg und Kronstadt auf der vorgelagerten Ostseeinsel Kotlin verlegt werden soll, wird an Bord des Schiffs ähnlich einer Lakritzschnecke in Handarbeit von kräftigen Männern aufgerollt und für den Transport seefest verstaut. Nach dreitägiger Schichtarbeit rund um die Uhr wird am heutigen Donnerstag die Ladung voraussichtlich komplett an Bord gebracht und das Frachtschiff abfahrbereit sein. In etwa zwei Wochen folgt ein weiterer Kabeltransport in gleicher Größe logistischer Abwicklung.

Allein das Kabel hat ein Gewicht von 274 Tonnen. Das Gewicht pro laufendem Meter wird mit 23 Kilogramm angegeben. Hinzu kommt eine von der Hamburg-Neuenfelder Werft Pella Sietas GmbH speziell angefertigte Transport-Plattform aus Stahl, die das Gesamtgewicht der Ladung auf 316 Tonnen erhöht. Das auf der Plattform aufgerollt liegende Starkstromkabel kann auf die Weise am Zielort in St. Petersburg als komplettes Paket von einem Schwimmkran in Empfang genommen und an Bord eines speziellen Kabelleger-Schiffs gehievt werden.

Auftraggeber für den schwergewichtigen Seetransport ist der Kabelhersteller Nexans aus Hannover. Als Auftragnehmer hat die ostfriesische Ems Chartering GmbH aus Leer ihren Mitarbeiter Habbo Stark, seines Zeichens Captain und Sales Manager, die Verantwortung für das Transportprojekt übertragen. „Ich arbeite seit vier Jahren für Ems und hatte auch zuvor schon schwierige Anlagentransporte organisiert“, sagt Stark. Für die Transportabwicklung im Hamburger Hafen hat er die Fachleute der Neuenfelder Pella Sietas Werft für die Konstruktion der stählernen Plattform mit ins Boot geholt und für das Aufrollen des im Durchmesser 12,5 Zentimeter starken Kabels die Experten des auf Verpacken und Verstauen spezialisierten Betriebs Kapt. A.W. Behrendt GmbH. Die Verpackungsspezialisten hatten noch bis vor einem Jahr ihren Sitz an der Zweiten Seehafenstraße in Harburg. Jetzt befindet sich der Betrieb an der Antwerpenstraße in Waltershof. Mitarbeiter Sönke Detloff sagt: „Das Kabel muss sauber und ohne Zwischenräume aufgewickelt werden, damit auch auf dem letzten Meter nichts übersteht.

Kabelhersteller Nexans und die russische Nexans-Tochter sorgen mit ihrer Lieferung dafür, dass die Insel Kronstadt künftig von St. Petersburg aus über das durch die Ostsee verlegte Kabel mit Strom versorgt werden kann. Die elf Kilometer lange Kabelfracht ist von Hannover aus, verteilt auf einen aus 13 Waggons bestehenden, etwa 200 Meter langen Güterzug zum Süd-West Terminal der C. Steinweg GmbH, Am Kamerunkai, gebracht worden. Dort ist das Kabel an zwei Kranhaken hängend zum Laderaum des Frachtschiffs geleitet worden.

Transport-Projektleiter Habbo Stark: „Es ist immer wieder beruhigend, wenn alles so funktioniert, wie es geplant war.“ Um das Gesamtgewicht möglichst niedrig zu halten, ist die Tragkonstruktion statt aus 1000er Stahlträgern aus nur 800 Millimeter starken Trägern von der Pella Sietas Werft gebaut worden. Die Konstruktion hält. Das hat ein von technischen Prüfern der Klassifikationsgesellschaft Bureau Veritas abgenommener Belastungstest ergeben. 346 Tonnen Last hielt die Plattform. Das war auch die Belastungsgrenze der Werftkräne. Für den nächsten Kabeltransport in etwa zwei Wochen ist gestern die zweite Transport-Plattform von der Werft ebenso erfolgreich durch die Belastungs-Prüfung gebracht worden. Bei der Belastungsprüfung werden die Plattformen mit gefüllten Wassertanks beschwert.

Die Tragkonstruktion ist 11,30 Meter lang und 10,80 Meter breit. In der Mitte befindet sich ein Kern, um den herum das Kabel lückenlos gewickelt wird. Die Größe ist dem Laderaum des Frachtschiffs angepasst. Zu den Seiten ist noch einige Zentimeter Luft, um das Ladegeschirr anschlagen zu können. Bei Sietas werden für das Aufhängen der Plattform an Kranhaken und das Herausziehen der Ladung aus dem Schiff in St. Petersburg zusätzliche Spreizer oder „Speader“ angefertigt, damit das Kabel von den Zugseilen nicht eingedrückt werden kann. Von der Werft ist die Plattform per Schwimmponton zum Süd-West Terminal geschleppt worden.

Habbo Stark ist bereits als Kind in Leer mit dem Hamburger Abendblatt groß geworden. Er denkt dabei an seinen inzwischen 86 Jahre alten Vater Karl. „Er war beruflich zwar als Beamter tätig“, sagt er, „er hat aber eine große Leidenschaft für die Schifffahrt. Früher ging er in Leer täglich zum Zeitungsladen um sich das Hamburger Abendblatt für Schifffahrtsnachrichten zu kaufen. Heute bekommt er die Zeitung tagesaktuell mit der Post.“