Arbeitsagentur fördert jobbegeleitende Qualifikation von Beschäftigten. Arbeitslosigkeit im Kreis sinkt im September

Stelle. Sie folgte ihrem Mann von Kasachstan nach Heimfeld, fand 2004 Arbeit beim Süßwarenhersteller Lühders in Stelle und erzieht mit ihrem Mann als Hausfrau und Mutter die beiden Töchter. Doch die angehende Ingenieurin Natali Weibert konnte bis zum Juni nur als Ungelernte die Verpackungsmaschinen bedienen. Ihr fehlte der Abschluss. Jetzt hat Weibert nachgelegt. Vor der Hamburger Handelskammer bestand sie mit 94 von 100 Prozent die Prüfung zur Maschinen- und Anlagenführerin mit Schwerpunkt Lebensmitteltechnik. „Ich wollte etwas anderes machen, eben Denken statt nur Süßes einzupacken“, sagt die 35 Jahre alte Frau.

Dabei half Weibert das Programm WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen), über das die Arbeitsagentur allein in diesem Jahr 29 Menschen qualifiziert hat. Die junge Frau wechselte ein Jahr lang jeden Monat zwischen der Arbeit im Betrieb und der Schulung bei einem Hamburger Bildungsträger. Die Agentur übernahm dabei nicht nur die Lehrgangskosten, sondern auch die Hälfte der Lohnkosten der jungen Frau, während sie am Unterricht teilnahm.

Der Süßwarenhersteller Lühders will nun auch künftig an dem Modell festhalten. „Jährlich wollen wir jeweils einen ausgesuchten Arbeitnehmer über das WeGebBau-Modell fördern lassen“, sagt Betriebsleiter Mario Ellrodt. Denn Fachkräfte für Süßwarentechnologie sind schwer zu bekommen. Der Hintergrund: Für die Süßwarenwirtschaft gibt es mit der Zentralfachschule in Solingen nur die eine Ausbildungsstätte. Der Beruf wird zudem erst seit kurzem in einer Ausbildung gelehrt. Mit dem Programm sollen nun vor allem Menschen aus der rund 70köpfigen Stammbelegschaft neue Chancen erhalten, die zwar über gute Bildungsabschlüsse verfügen, in der Branche bisher aber nur als Ungelernte eingesetzt werden können.

„Von der Qualifikation profitieren Gesellschaft, Unternehmen und die jeweiligen Personen, weil sie ohne Einkommensverluste dazulernen können“, sagt Ellrodt, der seit 2009 bei Lühders beschäftigt ist. Für Weibert zahlte sich ihr Einsatz auch finanziell aus. Ihr Gehalt erhöhte sich um 15 Prozent brutto.

Die Chancen als Anlagen- und Maschinenführer einen neuen Job zu finden, sind im Landkreis ohnehin nicht schlecht. Allein im Bereich der Maschinen- und Fahrzeugtechnik, zu der die Berufe zählen, sind im Kreis 70 freie Stellen für Fachkräfte gemeldet. „Auf eine freie Stelle kommen so im Schnitt 1,9 qualifizierte Arbeitssuchende. Bei dieser Relation sprechen wir von einem Engpass“, sagt Fred Nippert, der Teamleiter der Arbeitsagentur in Winsen.

Trotz des anhaltenden Mangels an Fachkräften ist die Arbeitslosigkeit im September im Kreis aber sowohl in der Geschäftstelle in Winsen als auch in Buchholz im Vergleich zum August gesunken. In vergangenen Monat lag die Quote in Buchholz bei 4,5 Prozent (August: 4,7 Prozent), in Winsen bei 4,6 Prozent (4,9 Prozent). Für den gesamten Kreis ergibt sich eine Verbesserung von 4,8 auf 4,5 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen ging um 328 auf 5979 zurück.

Die Entwicklung entspricht der saisonal bedingten Belebung im Herbst, wenn viele junge Menschen ihre Ausbildung beginnen oder auf eine weiterführende Schule wechseln. „Trotz der insgesamt robusten Lage am Arbeitsmarkt sank aber die Nachfrage nach Arbeitskräften“, sagt Bernd Passier, der Chef der Arbeitsagentur Lüneburg-Uelzen, zu der der Landkreis Harburg zählt. Als Hintergrund sieht er gedämpfte Konjunkturerwartungen und vorsichtigere Einstellungen bei den Betrieben.

Natali Weibert will nach ihrer Prüfung zum Facharbeiter das Lernen fortsetzen. „Gern würde ich den Abschluss als Ingenieur nachholen“, sagt sie. Im Betrieb könnte sie zum Schichtführer, Gruppen- oder Abteilungsleiter aufsteigen. „Das wäre“, versichert Betriebsleiter Ellrodt, ein promovierter Elektroingenieur, „durchaus möglich.“