Nach den Bewohnerinnen kritisieren auch Politiker die Verhältnisse in den Erstaufnahme-Zelten am Neuländer Platz

Harburg. Von teilweise erschreckenden und im Grunde nicht tragbaren Zuständen in der Zentralen Erstaufnahme (ZEA) in Harburg berichteten Flüchtlinge beim Willkommensfest der Initiative „Refugees Welcome in Harburg“ am vergangenen Wochenende auf dem Neuländer Platz. So gebe es keinerlei Privatsphäre, alleinreisende Frauen und Männer würden gemeinsam in Zelten untergebracht und die medizinische Versorgung sei unzureichend.

„Diese Missstände sind bereits länger bekannt, ohne dass sich an der Lage bislang etwas geändert hat“, sagt Sabine Boeddinghaus, Fraktionschefin der Harburger Linken. Bereits seit Wochen seien die Räumlichkeiten in der Alten Post hoffnungslos überfüllt. Rotes Kreuz und Technisches Hilfswerk mussten zwischenzeitlich sogar Zelte aufstellen, um den Asylbewerbern ein erstes Notquartier am Fluchtziel Harburg bieten zu können. Doch längst sind auch diese Kapazitäten erschöpft, so dass nun im Eilverfahren ein Flüchtlingscamp auf dem Schwarzenberg errichtet wird.

Bereits in der Bezirksversammlung am Dienstag voriger Woche hatte Boeddinghaus darauf hingewiesen, dass es de facto keine barrierefreien Zugänge zu Toiletten und Waschräumen gebe, was vor allem körperbehinderte Flüchtlinge vor große Probleme stelle. So treibe die Situation in der Alten Post „absurde Blüten“, wenn an konkret betroffene Asylbewerber Berechtigungsscheine für die Nutzung der wenigen Lifts in dem Gebäudekomplex vergeben werde. „Wir reden hier von keinen Einzelfällen, sondern von systemischen Versäumnissen. Das betrifft übrigens auch die zentrale Organisation von Sachspenden“, so Boeddinghaus.

Die Versorgung der Flüchtlinge mit dem Notwendigsten ist laut Aussagen von Bewohnern der ZEA nicht gewährleistet. So fehle es vor allem an Kleidung, Kinderspielzeug und medizinischen Hilfsmitteln wie Rollatoren und Rollstühlen. Dabei ist die Spendenbereitschaft der Harburger groß. So groß, dass die Mitarbeiter des Roten Kreuzes nach Informationen der Linken zeitweilig sogar schon Spenden abgewiesen hätten, weil sie mit dem Sichten, der Sortierung und Lagerung nicht nachgekommen seien. Dennoch werden angesichts des herannahenden Winters weiterhin vor allem warme Kleidung und wetterfestes Schuhwerk benötigt.

„Da ist im Vorfeld offenbar viel versäumt worden“, kritisiert auch CDU-Fraktionsvize Uwe Schneider. Nun wachse den verantwortlichen Behörden alles über den Kopf, die Versäumnisse der Vergangenheit würden die Bezirke in die Bredouille bringen. „Dass es nicht genügend Flüchtlingsunterkünfte gibt und nun Männer und Frauen gemeinsam in riesigen Massenquartieren untergebracht sind, sie nicht ausreichend medizinisch versorgt und in Krankheitsfällen nur unzureichend behandelt werden können, all das sind hausgemachte Probleme“, sagt Uwe Schneider.

SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath wertet die Klagen der ZEA-Bewohner als Beweis dafür, wie dringend nötig die Einrichtung einer weiteren, zeitlich befristeten Zweigstelle der Zentralen Erstaufnahme auf dem Schwarzenberg ist: „Die geschilderten Zustände sind nicht haltbar, deshalb muss nun schnell gehandelt werden, um weitere Plätze zu schaffen.“

Bereits in dieser Woche werden auf dem Festplatz Wohncontainer für bis zu 500 Flüchtlinge aufgestellt, zudem Leichtbauhallen für die Versorgung und die Beschulung von Kindern und Jugendlichen. Über Einzelheiten informieren Vertreter des Bezirksamts, der Innenbehörde und der Betreibergesellschaft fördern und wohnen (f & w) morgen, Mittwoch, 1. Oktober, ab 18 Uhr im Hauptgebäude A der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) am Schwarzenbergplatz 93.