Bezirk lehnt Entwicklung Neu Wulmstorf zum Mittelzentrum ab. Auch die Umfahrung Rübkes lehnt der Bezirk ab

Neu Wulmstorf . Hamburg und sein Bezirk Harburg blicken derzeit argwöhnisch gen Westen nach Neu Wulmstorf, wo der niedersächsische Nachbar dem Stadtstaat an seiner Landesgrenze bei Neugraben-Fischbek gewissermaßen direkt auf der Pelle sitzt. Dass Hamburg in früheren Jahrzehnten viele Einwohner wegen billigen Baulands an die Niedersächsische Gemeinde verlor, hat seine Ursache in den bisherigen Regionalen Raumordnungsprogrammen (RROP) des Niedersächsischen Landkreises Harburg, die die Ausweisung entsprechender Baugebiete ermöglichten.

Doch jetzt zündet der Landkreis mit dem RROP 2015-2025 die nächste Stufe der Raumordnung, die der Gemeinde Neu Wulmstorf noch mehr städtischen Charakter einhauchen soll. Und der Bezirk Harburg ist darüber alles andere als erfreut. Ablehnung wird signalisiert. Der Hamburger Senat wird voraussichtlich in Kürze eine entsprechende Stellungnahme an die Kreisverwaltung nach Winsen schicken.

Die Entwurfspläne des RROP hatten während des Sommers für zwei Monate öffentlich ausgelegen. Bis zum 5. September konnten Landkreisbewohner ihre Stellungnahmen zu den Plänen abgeben. Und in Neu Wulmstorf befasste sich der Rat in seiner Sitzung am vergangenen Donnerstag mit dem RROP. Politik und Verwaltung beschlossen die Stellungnahme der Gemeinde. Auch sie wird in Kürze bei der Kreisverwaltung eintreffen.

Zentrale Eckpunkte, mit denen sich die Verwaltung und die Fraktionen in Neu Wulmstorf auseinandergesetzt haben, sind die Ortsumfahrung von Rübke und das Hochstufen der Gemeinde vom reinen Grundzentrum zu einem Grundzentrum mit mittelzentraler Teilfunktion im Handel und in der Kultur. Ein Vergleich mit dem Fußball macht am besten deutlich, worum es bei dieser Entwicklung zum Grundzentrum mit mittelzentraler Teilfunktion geht. Die Veränderung ist in etwa mit einem Aufstieg von der dritten in die zweite Liga gleichzusetzen.

Das würde der Gemeinde Neu Wulmstorf die Möglichkeit verschaffen, mehr Geschäfte anzusiedeln, die nicht nur den täglichen Grundbedarf abdecken. H&M könnte dann in Neu Wulmstorf ein Geschäft eröffnen, um ein Beispiel zu nennen. Und da der Kaufkraftabfluss in Neu Wulmstorf eklatant ist, hat Neu Wulmstorf ohnehin ein hohes Interesse daran, diese mittelzentrale Teilfunktion zu bekommen. Mehr als ein Drittel der Neu Wulmstorfer gehen lieber in Buxtehude oder Hamburg einkaufen. Die umstrittene Ansiedlung eines Famila-Marktes auf dem Möbel-Meyn-Gelände hängt allerdings nicht an der Hochstufung. Egal, ob sich Neu Wulmstorf im RROP empor hangelt oder nicht, Famila darf sich so oder so an der Matthias-Claudius-Straße niederlassen.

Dem Bezirk Harburg stößt die angepeilte Mittelzentrumsfunktion Neu Wulmstorfs in Kultur und Einzelhandel mehr als sauer auf. Harburgs Baudezernent Jörg Heinrich Penner dazu: „Wir haben absolut kein Interesse daran, dass in Neu Wulmstorf noch mehr großflächiger Einzelhandel platziert werden kann. Und ich glaube auch, dass der Niedersächsische Landkreis Stade mit seiner Stadt Buxtehude, die ebenfalls Mittelzentrum ist, nicht erfreut ist über die angepeilten Entwicklungsschritte Neu Wulmstorfs. Unser Stadtteil Neugraben ist in Fragen der Nahversorgung als Bezirksentlastungszentrum eingestuft. Nach Niedersächsischer Einstufung wäre Neugraben auch ein Mittelzentrum. Zwischen Neugraben und Buxtehude passt kein drittes Mittelzentrum. Das wäre schädlich für uns, weshalb wir dem nicht zustimmen.“

Neu Wulmstorfs Bürgermeister Wolf Rosenzweig weiß, dass die Entwicklung seiner Gemeinde für die Nachbarn ein empfindlicher Punkt ist. Nicht umsonst schloss er die Diskussion über das RROP in der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag mit einer Bitte an die Neu Wulmstorfer Kreistagsabgeordneten Jan-Thorsten Lüdemann (CDU), Anneliese Scheppelmann (SPD) und Tobias Handtke (SPD).

„Die Antwort auf die Frage nach der künftigen Entwicklung der Gemeinde Neu Wulmstorf war zwischen dem Landkreis und uns nicht immer unstrittig. Ich habe Bedenken, dass unsere Änderungswünsche in Sachen Versorgungskern und mittelzentralörtliche Funktion kein Gehör finden. Deshalb hoffe ich, dass Sie sich in Winsen für unsere Belange einsetzen“, sagte Rosenzweig.

Ein weiterer Punkt, an dem sich Neu Wulmstorf und der Bezirk Harburg reiben, ist die Ortsumfahrung für Rübke. Die Einwohner des kleinen Ortes Rübke fürchten eine massive Zunahme des Lkw-Verkehrs, sobald die Autobahn 26 bis zu ihrem Ort führt. Deshalb fordern sie seit langem eine Umgehung, die den Verkehr östlich an Rübke vorbei leitet. „Die heutige Landesstraße 235 mit ihrer Ortsdurchfahrt Rübke ist nicht in der Lage, zusätzlichen Verkehr von der Autobahn aufzunehmen“, schreibt die Gemeinde Neu Wulmstorf in ihrer Stellungnahme zum RROP. Eine Ortsumfahrung sei umso dringender, da eine Anschlussstelle an die A 26 im Bereich Francop eben nicht vorgesehen sei.

Die Krux ist, dass die Ortsumfahrung – so wie sie sich die Gemeinde Neu Wulmstorf wünscht – das Hamburger Gebiet durchkreuzen würde. Aber der Bezirk Harburg ist gerade in der Frage der Ortsumfahrung von Rübke schon lange ein hartnäckiger Verfechter von Ablehnungen. „Mit uns nicht“, sagt Harburgs Baudezernent Jörg Heinrich Penner auch jetzt wieder. „Auf Hamburger Gebiet wäre von der östlichen Umfahrung Rübkes Obstanbaugebiet betroffen. An einem Verlust von Anbauflächen haben wir nach wie vor kein Interesse. Neu Wulmstorf möchte auch die zur A26-Anschlussstelle ausgebaute neue Bundesstraße 3 in kleinerer Form weiter nach Norden verlängern. Das würde dazu führen, dass noch mehr Verkehr in unsere Hamburger Elbdörfer Nincop und Neuenfelde geführt wird. Das lehnen wird ab.“ Der Hamburger Senat wird aus dem Bezirksbeschluss seine Stellungnahme ableiten.