Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung sieht bei der Unterbringung auch ländliche Gebiete in der Pflicht

Harburg. Die Beauftrage der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özuguz (SPD), hält Wohnschiffe für geeignet, um Flüchtlinge unterzubringen. Schiffe könnten ordentliche Unterkünfte wie Container auch sein, sagte die Staatssekretärin dem Abendblatt bei einem Besuch im Harburger Phoenix-Viertel. Dort war sie mit der Vorsitzenden des Migranten Elternbundes Hamburg, Elisabeth Can, zu einem Gespräch zusammengekommen. Dabei ging es um die doppelte Staatsbürgerschaft und Türkischunterricht an deutschen Schulen.

„Die Menschen rennen um ihr Leben, das können wir beinahe jeden Tag im Fernsehen sehen“, wirbt Aydan Özuguz eindringlich dafür, Flüchtlinge in der eigenen Nachbarschaft zu akzeptieren und nicht ständig auf andere Standorte zu verweisen. Flüchtlingsnöte wie derzeit würden sich alle zehn oder 20 Jahre ereignen. Deutschland habe es generell versäumt, in den vergangenen Jahren ausreichend Wohnungen zu bauen. Das wirke sich jetzt bei der großen Flüchtlingsnot verschärfend aus.

Im Bezirk Harburg lehnen CDU und SPD gemeinsam den Notfallplan des Hamburger Senats ab, das 110 Meter lange und 14 Meter hohe Hotelschiff „Transit“ im Harburger Binnenhafen als Flüchtlingsunterkunft festmachen zu lassen. Die positive Entwicklung des gesamten Quartiers würde beeinträchtigt, heißt es in einem gemeinsamen Antrag beider Fraktionen zu nächsten Sitzung der Bezirksversammlung am Donnerstag, 23. September.

Aydan Özuguz räumt ein, dass die Stadtstaaten Hamburg und Berlin stärker betroffen seien. „Wir müssen bei der Verteilung der Flüchtlinge auf die Standorte aufpassen, dass sich nicht alles in den Städten konzentriert“, sagte sie.

Bei dem Gespräch mit Elisabeth Can ging es vor allem um die Probleme türkischer Migranten. Die Vorsitzende des Migranten Elternbundes fordert für alle Kinder der in Deutschland lebenden Migranten das Recht auf die doppelte Staatsbürgerschaft. Der sogenannte Doppelpass sei ein wichtiges Thema bei ihrer täglichen Beratungsarbeit, sagt Elisabeth Can. Wenn Deutsche türkischer Abstammung in die Türkei reisen müssten, um nach dem Tode ihrer Eltern den Nachlass zu regeln, hätten sie große Schwierigkeiten bei der türkischen Verwaltung. Mit deutschen Papieren sei das kaum zu regeln, sagt Elisabeth Can.

Die neue Regelung des Staatsbürgerschaftrechtes, die der Deutsche Bundestag im Sommer beschlossen hat, bedeute für die meisten türkischen Migranten in Deutschland einen bedeutenden Fortschritt, sagt Aydan Özuguz. Grundsätzlich erlaubt das neue Recht demjenigen, zwei Pässe zu behalten, wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist.

Die Regelung gilt unter einer Voraussetzung: Bis zum 21. Geburtstag muss die betreffende Person mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt haben oder sechs Jahre hier zur Schule gegangen sein. Allerdings: Menschen, die vor 1990 geboren sind, haben die Wahlmöglichkeit nicht. Sie haben die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern. Hat ein vor 1990 geborener türkischer Migrant die deutsche Staatsbürgerschaft erworben, darf er nicht mehr zusätzlich die türkische zurück erhalten.

Das sei gegen die Unionsparteien nicht durchzusetzen gewesen, sagt Aydan Özuguz.

Viele in Deutschland lebende junge Türken fühlten sich als Deutsche, stünden aber dennoch im Zwiespalt, den türkischen Pass abzugeben. „Sie haben das Gefühl, irgendetwas zu verraten“, weiß Aydan Özugus.

Wie wichtig der Doppelpass oder Kenntnisse ihrer Heimatsprache sind, zeigt auch dies: „Deutschland ist ein beliebtes Einwanderungsland geworden, aber wir haben auch eine große Abwanderung in die Türkei“, sagt die Ausländerbeauftragte der Bundeskanzlerin.

Als Problem sieht Elisabeth Can, dass die Türkei Lehrern offenbar bürokratische Schwierigkeiten bei der Ausreise nach Deutschland bereite. Die Harburgerin, die Migranten ehrenamtlich Deutschunterricht erteilt, hält es für wichtig, dass türkischstämmige Kinder in Deutschland auch die Sprache ihrer Eltern beherrschen und zu Besuch in der Türkei keinen Dolmetscher benötigen.

Elisabeth Can setzt sich für muttersprachlichen Unterricht für Migranten während der Schulzeit ein – und nicht zusätzlich nach Unterrichtsschluss um 16 Uhr. Das sei im Ganztagsschulbetrieb nicht zumutbar.

Aydan Özuguz hält ein Wahlpflichtfach Türkisch zwar für sinnvoll. „Ich finde es aber nicht richtig, dass Lehrer aus der Türkei kommen, um Unterricht in Deutsch zu geben“, sagt die Migrationsbeauftragte des Bundes. Lehrer sollten in Deutschland ausgebildet sein und ihre Schüler kennen. Deutschland habe genug Leute, die dazu qualifiziert seien.