Oppositionsparteien mahnen vor Bezirksversammlung in der Flüchtlingspolitik neue, stringente Konzepte an

Harburg. Die Bezirksversammlung heute Abend im Großen Sitzungssaal des Harburger Rathauses steht klar im Zeichen der anhaltenden Flüchtlingsströme. Vier von zehn Anträgen beschäftigen sich direkt oder indirekt mit diesem Thema. Kaum verwunderlich, sollen in Hamburgs südlichstem Stadtbezirk doch zeitnah mehr als 1000 Asylbewerber unterkommen.

Wie bereits berichtet, haben sich SPD und CDU in einem gemeinsamen Antrag gegen eine Inanspruchnahme des Binnenhafens ausgesprochen, insbesondere im Hinblick auf die Unterbringung in Wohnschiffen. Allen Erfahrungen aus der Vergangenheit nach sei dies „nicht unproblematisch“. Sollte die Maßnahme dennoch unumgänglich sein, käme dafür allenfalls ein Liegeplatz am Ziegelwiesenkanal infrage.

Die Linke hat diese Herangehensweise am vergangenen Wochenende in scharfer Weise kritisiert. „Der Streit über den vermeintlich richtigen Standort im Binnenhafen für ein Wohnschiff ist mehr als peinlich und zeugt von einer unehrlichen Willkommenskultur“, so Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus. Wenn die Nutzung eines Schiffes zur Unterbringung von Menschen in großer Not notwendig sei, dann solle es auch im Zentrum des Hafens liegen. „Aus unserer Sicht gehören Flüchtlinge in die Mitte unserer Gesellschaft und nicht an den Rand. Sie brauchen unsere volle Unterstützung und Zuwendung“, sagte Boeddinghaus. Aus ihrer Sicht wäre diese Haltung Nachweis für ein „gutes Image“ des Bezirks, und nicht Glasfassaden und geputzte Kaimauern.

Wie die Linke, fordern auch Grüne, AfD und FDP endlich schlüssige Konzepte für die Hamburger Flüchtlingspolitik. Eine gute Grundlage sehen die Grünen im Harburger Integrationskonzept, das die Bezirksversammlung bereits im November 2011 einstimmig beschlossen hat. Das mit 56 Seiten umfangreiche Papier verfüge „über eine bezogene Sachanalyse, über ein Leitbild, konkrete Zielsetzungen und Handlungsfelder wie Sprache, Bildung und Ausbildung, berufliche Integration, soziale Integration und das Zusammenleben in Harburg“. Jetzt müsse es nur fortgeschrieben und den aktuellen Entwicklungen entsprechend angepasst werden.

Die FDP-Abgeordneten Carsten Schuster und Viktoria Pawlowski haben erneut eine frühzeitige Einbindung der Bürger angemahnt. Dies sei unverzichtbar bei der Planung von weiteren Einrichtungen und Standorten.

Beim Thema Bürgerbeteiligung sehen die Liberalen generell nach wie vor große Defizite im Bezirk. So gebe es bislang nur in der Bezirksversammlung (BV) und den Regionalausschüssen Bürgerfragestunden. Künftig soll es die aber in allen Ausschüssen geben, je nach Bedarf bis zu 15 Minuten lang. „Die Bürgerfragestunde hat sich als wichtiges Instrument der Beteiligung bewährt und sollte deshalb in allen öffentlich tagenden Ausschüsse verbindlich eingeführt werden“, sagte Schuster dem Abendblatt. Es müsse Schluss damit sein, dass die Ausschussvorsitzenden über diese Frage nach Gutdünken, Lust und Laune entschieden.

Dazu wäre unterdessen eine Anpassung der BV-Geschäftsordnung nötig. Diesen Vorstoß beraten hat die Geschäftsordnungskommission, der Vertreter aller Fraktionen angehören, in der Vorwoche auch schon. Ohne sich allerdings auf eine abschließende Empfehlung zur Beschlussfassung in der Bezirksversammlung einigen zu können. Weshalb der ursprünglich vorgesehene Tagesordnungspunkt 10 von der aktuellen Agenda gestrichen wurde.

„Einige Kommissionsvertreter haben noch einmal Beratungsbedarf in den Fraktionen angemeldet“, ließ SPD-Fraktionschef Jürgen Heimath wissen. Für fast noch mehr Diskussionsstoff sorgt nach Abendblatt-Informationen indes der FDP-Antrag, dass sich die beiden liberalen Abgeordneten Schuster und Pawlowski zu einer Gruppe zusammenschließen dürfen. Nach dem Verlust des Fraktionsstatus könnten sie dann wieder an den wichtigen Beratungen des Ältestenrates teilnehmen und sich auch gegenseitig in Ausschüssen vertreten. Wo sie jetzt nur noch Teilnahme- und Rederecht, aber kein Stimmrecht mehr haben.

Carsten Schuster: „In anderen Hamburger Bezirken wie Nord, Wandsbek und Altona wird der Aufnahme der Drei-Prozent-Hürde in die Hamburger Verfassung Rechnung getragen, indem die Bildung von Gruppen zugelassen wird. Sollten sich SPD und CDU hier verweigern, wäre das aus unserer Sicht ein undemokratischer Akt.“

CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer rechnet derweil mit keiner Zustimmung für den FDP-Antrag. Eine Gruppe hätte ganz andere Ansprüche, auch hinsichtlich der Redezeit, Aufwandsentschädigung und Einflussmöglichkeiten. „Mit der Bezirksverwaltungsreform 2006 wurden die aktuellen Regelungen getroffen, um vor allem die Machtoptionen für rechtsradikale Parteien zu limitieren“, so Fischer. Eine Aufweichung dieser Regelungen wäre einfach nicht systemkonform.

Britta Herrmann, Fraktionschefin der Grünen, hätte hingegen kein Problem damit, den Liberalen den Gruppenstatus zuzuerkennen: „Ich habe die FDP-Abgeordneten in der vergangenen Legislatur zumeist als sehr konstruktiv erlebt. Deshalb sollte man sie in ihren Möglichkeiten nicht weiter beschneiden, als das unbedingt nötig ist.“