Die Apostelkirche in Harburg hat ein neues Gottesdienstkonzept entwickelt und dafür eine ungewöhnliche Werbekampagne gestartet

Eißendorf . Seit Jahren kämpfen auch die evangelischen Kirchen südlich der Elbe mit einer schwindenden Akzeptanz. Besonders augenfällig wird die Abkehr bei den Gottesdiensten. „Zu Weihnachten und beim Erntedankfest ist das Kirchenschiff gut gefüllt. Aber an Sonntagen kommen kaum mehr als 30 Menschen, an guten Tagen auch mal 60“, sagte Hermann Straßberger unlängst dem Abendblatt. Doch mit dieser Einschätzung ist der Gemeindesekretär von St. Paulus am S-Bahnhof Heimfeld nicht allein.

Früh aufstehen müssen, lange Predigten und einschläfernde Kirchenlieder – diese negativen Assoziationen haben viele Menschen, wenn sie an einen Gottesdienst denken. Die Apostelkirchengemeinde am Eißendorfer Hainholzweg 52 wollte sich damit nicht abfinden. In einer gemeinsamen Aktion haben mehr als 20 Ehrenamtliche ein ganzes Jahr lang unter Leitung der beiden Pastoren Burkhard Senf und Klaus Scheffler ein neues Konzept für ihre Gottesdienste entwickelt. An der Umsetzung sind letztlich sogar mehr als 120 Gemeindeglieder beteiligt. Bündeln sollen sich alle neuen Ideen in den sogenannten „Punkt-Gottesdiensten“. Den ersten gibt es an diesem Sonntag, 21. September, um 11 Uhr.

„Wir haben uns viel mit den Gründen auseinandergesetzt, die Menschen davon abhalten, in die Kirche zu gehen. Angefangen bei der Uhrzeit, über die Orgelmusik bis hin zu dem Gefühl, nicht wirklich dazu zu gehören“, sagt Pastor Burkhard Senf. „Wir haben diese Vorbehalte ernst genommen und uns überlegt, was man anders machen könnte.“ Herausgekommen sei schließlich eine neue Form des Gottesdienstes. Sie soll auch Menschen ohne viel Vorwissen ansprechen, um einfach mitzufeiern und so mehr über Gott und den Glauben zu erfahren.

„Wichtig war uns dabei, nicht jene Gründe aufzuführen, die gegen Kirche und Gottesdienstbesuche sprechen, sondern für sie“, sagt Julia Pause. Seit knapp sechs Jahren gehört die junge Frau zur Gemeinde und hat jetzt besonders intensiv in den Arbeitskreisen Moderation und Organisation mitgewirkt. In den „Punkt-Gottesdiensten“ soll deutlich werden, dass sich die Predigten in viel stärkerem Maße an alltagsbezogenen Themen und Problemen orientieren. „Wir wollen die Menschen dabei unterstützen, ihre vielfältigen Gedanken, Widerstände aber auch Sehnsüchte auf den Punkt bringen zu können.“

Laut Pastor Burkhard Senf sei es für den Erfolg der neuen Offensive von ausschlaggebender Bedeutung, Fragen und Situationen aufzugreifen, die Menschen beschäftigen. Und zwar unabhängig davon, ob sie nun an Gott glauben oder nicht. Wie meistern wir Krisen in unserem Leben? Warum gibt es so viel Leid in der Welt? Wie führe ich ein erfülltes Leben? Burkhard Senf: „Wir laden die Menschen ein zu erfahren, welche Antworten die Bibel auf solche Fragen gibt.“

Dabei setzt die Gemeinde künftig teilweise ganz neue Mittel ein. Etwa gespielte Szenen durch eine Theatergruppe. Oder dass die Pastoren nach der Predigt gezielt auf konkrete Fragen aus dem Auditorium eingehen. Neu ist auch, dass Mitglieder der Gemeinde den gesamten Gottesdienst moderieren.

Der Unterschied zu sonstigen Gottesdiensten beginnt schon mit der Startzeit: Jeden ersten und dritten Sonntag im Monat ist Beginn um 11 Uhr, an allen anderen Sonntagen erst um 18 Uhr. Da bleibe genug Spielraum für die individuelle Sonntagsplanung. Auch die Umrahmung der Punkt-Gottesdienste wird für viele Menschen neu und unerwartet sein. So soll eine Live-Band durch Lieder mit Rock-, Soul- und Pop-Einflüssen für mitreißende Musik sorgen. Damit sie leichter mitgesungen werden können, werden die Texte mittels eines Beamers auf eine Leinwand projiziert.

Um das neue Konzept möglichst vielen Menschen bekannt zu machen, haben die Mitglieder der Projektgruppe „Punkt-Gottesdienst“ eine Flyer- und Plakatkampagne auf den Weg gebracht. Dafür wurden extra junge Grafiker und Texter aus der Werbebranche engagiert, die sich ehrenamtlich eingebracht haben. Für die Flyermotive haben sich Gemeindemitglieder ablichten lassen. „Wer also einen Flyer mit seinem Nachbarn darauf oder ein Plakat mit der Aufforderung ,Komm doch mal zum Punkt’ entdeckt, sollte die Einladung annehmen. Es lohnt sich ganz bestimmt“, sagt Julia Pause.

Erstbesucher erhalten ein Begrüßungspaket mit allen wichtigen Infos zur Gemeinde und einem Gutschein für ein Mittagessen oder ein Getränk im Anschluss an den Gottesdienst. „Da wir möglichst viele Menschen für Gott und den Glauben begeistern wollen, achten wir besonders auf eine verständliche Sprache und eine einladende Haltung“, verspricht Burkhard Senf. Das neue Angebot orientiere sich aber auch an den Bedürfnissen der alteingesessenen Gemeindemitglieder. So gibt es für Familien mit Kindern ab sofort die „Schatzinsel“ – einen Kindergottesdienst parallel zu den „Punkt-Gottesdiensten“.