Eine Glosse von Mira Frenzel

Der Mann und die Handtasche der Frau: Das ist keine natürliche Verbindung, das ist eine Zweckgemeinschaft. Sie funktioniert so: Die Frau muss im Theater, beim Parkspaziergang, im Geschäft oder wo auch immer die Toilette aufsuchen, den Schuh richten oder das bezaubernde Kleid anprobieren – und der mitgeschleifte Mann muss währenddessen das Täschchen halten. Mit den Worten „Eben mal schnell“ bekommt er das wertvolle Accessoire in die Hand gedrückt.

Je nach Charakter trägt der Mann in dieser Zeit die passende Miene zur Tasche. Da gibt es den Typ Verschämt. Seine Mundwinkel hängen unsicher hinunter, während er sich gegen eine Wand drückt und wohl am liebsten unsichtbar wäre … Typ Gleichgültig setzt einen neutralen Gesichtsausdruck auf und starrt ins Leere. Und der Typ Genervt, der stöhnt wiederholt über die ihm auferlegte Aufgabe. Damit zieht er aber lediglich noch mehr Aufmerksamkeit auf sich als gewollt.

Doch jetzt wurde eine neue Spezies des männlichen Gelegenheits-Handtaschenhalters gesichtet. Am Bahnhof stand der Typ Cool. Eine hübsche Handtasche kreiste am Halteriemen um seinen Zeigefinger. Dazu pfiff der Hüne ein fröhliches Lied und blickte in der Gegend herum, wohl Ausschau haltend nach seiner Begleiterin. Doch Fehlanzeige. Eine Frau war auch nach einigen Minuten nirgends zu sehen. Aber lässig war sein Auftritt irgendwie auch so.