90 Kreative öffneten bei den Wilhelmsburger Kunst- und Ateliertagen ihre Werkstätten und zeigten ihre Arbeiten

Wilhelmsburg. Anfassen, Anschauen und Ausprobieren – die Kunst- und Ateliertage am Wochenende in Wilhelmsburg boten ein knallbuntes Programm für alle, die sich für Kunst interessieren und für die, die sich sonst nicht in Ateliers und Galerien trauen. 90 Kreative zeigten an 30 Orten auf der Elbinsel und der Veddel Fotografien, Objekte, Malerei, Keramik und vieles mehr. „Das ist toll für die Besucher, weil sich Türen öffnen, die sonst verschlossen sind. Und für die Künstler ist es schön, weil sie positives Feedback bekommen. Das motiviert“, sagt Kathrin Milan, die das Kunstwochenende zum vierten Mal organisiert hat.

In Wilhelmsburg gibt es eine erstaunlich große Szene. Es gibt Kreative, die ihre Kunst mehr als Hobby sehen. Dann sind da die alteingesessenen Künstler wie der Fotograf Michael Eicks, der momentan Menschen aus dem Alltag ablichtet oder auch Jürgen Weber, der skurrile Schaukästen aus altem Spielzeug aus den 50er Jahren oder Zeitmaschinen, in denen sich unzählige Zahnräder drehen, baut. Den Löwenanteil macht aber der Nachwuchs aus, der in den vergangenen Jahren Wilhelmsburg für sich entdeckt hat.

Neben den großen Atelierhäusern auf der Elbinsel gab es viele spannende Locations, die für dieses Wochenende zum Ausstellungsraum wurden. Roswitha Stein verwandelte einen alten Friseursalon zur Galerie für ihre Menschen und Objekte aus Draht und unterhielt sich zwischen rosa Waschbecken und Kunstblumen angeregt mit den Besuchern. In der Buchhandlung Lüdemann gab es Comic-Kunst und mitten in einem Wohnviertel auf der Veddel durfte man im edition 8x8-Laden von Martin Graf aus selbst gestalteten Bastelbögen witzige Pop-up Karten und Szenen aus Papier falten: „Es gibt ein Leben ohne Bastelbogen – aber kein sinnvolles“, ist sein Credo. Im Grünen und unter freiem Himmel an der Veringstraße lag der Ausstellungsraum von Organisatorin Kathrin Milan. Sie bietet von April bis November Kindern aus der Nachbarschaft einen Garten, den sie selbst bewirtschaften dürfen und jede Menge Material zum Bauen und Bemalen. Auf einer Wiese erfindet sich Milans Kinderkunstprojekt „Stadtmodell Wilhelmsburg“ jeden Tag neu. Aus Ytong-Steinen, Holz und Lehm bauen sie jeden Tag die Stadt Hamburg nach, Schulklassen und Kindergärten sind regelmäßig da und machen mit.

An diesem Ort scheint es keine Schwellen zwischen Kunst und Alltag zu geben, die Menschen und vor allem die Kinder aus der Nachbarschaft kommen jeden Tag vorbei „inzwischen ist das hier ein interkultureller und sozialer Treffpunkt“, sagt Kathrin Milan mit Stolz und Freude in der Stimme. Mitten im Garten flatterten an einem Pavillon die Fotografien von Kiki Jonas mit ungewöhnlichen Perspektiven auf Hamburg und seine Menschen. „Ich habe schon ganz tolle Gespräche gehabt“, berichtet die Wilhelmsburgerin.

Fotografie, Grafik, Mosaikarbeiten und Textilkunst unter einem Dach gab’s im Atelierhaus in Georgswerder zu sehen. Kunstbesucherin Eleonore Vanoli aus Barmbek blieb bei den Objekten von Bianka Buchen hängen. Die klappte für sie gern einen schwarzen Werkzeugkoffer auf, in dem sich geheimnisvolle Kästchen befanden. Im Austausch mit sieben Künstlerinnen aus Deutschland, Österreich und Norwegen hat sich jede mit dem Thema Licht und Raum beschäftigt und den Kolleginnen das Ergebnis im Kästchen zugeschickt – im Grunde ist Bianka Buchens Objekt also ein Gemeinschaftswerk. „Ich liebe Details, das finde ich unglaublich spannend“, sagte die Besucherin aus Barmbek anschließend mit leuchtenden Augen. Witzig war auch der Kunst-Torten-Wettbewerb am Sonnabend. An schönsten war die Torte von Gloria van Krimpen, die aus Zuckerguss, Esspapier, Styropor, giftgrünem Schleim und Material aus dem Modellbauladen eine „Energieberg“-Torte mit Windrad gebaut hatte. Allerdings konnte man das gute Stück nicht essen, deswegen gewann am Ende eine Mousse-au-chocolat-Kreation. Während die Torten von den Besuchern prämiert und anschließend vertilgt wurden, saß zwei Etagen tiefer Mareike Engel aus Ottensen an der Staffelei und portraitierte Besucher. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Malerei neuer Technik öffnet, denn Mareike Engel zeichnet sowohl klassisch mit Aquarellstiften auf Papier als auch nur mit dem Finger auf dem I-Pad.

Toll war, dass es für Kinder ganz viel zu sehen und auszuprobieren gab. Im Atelier der Grafikerin Kerstin Selle im Atelierhaus an der Veringstraße hielt Johanna aus Harburg hoch konzentriert eine Föhn in der Hand und trocknete ein Stück Stoff, auf das die Achtjährige Kreise und Sterne gedruckt hatte. Währenddessen saßen ihre Eltern entspannt auf einem Sofa und unterhielten sich mit der Künstlerin. Sie waren zum ersten Mal bei den Ateliertagen und vor allem von der Aufgeschlossenheit der Künstler begeistert. Johanna war am Ende sehr zufrieden mit ihrem Werk, „das hänge ich mir über mein Bett – dann habe ich immer einen Sternenhimmel über mir“.