Stabübergabe im Landkreis Harburg: Landrat Joachim Bordt geht, Nachfolge Rainer Rempe wird heute übernehmen

Als er an diesem Abend kurz nach 19 Uhr die sechs Stufen zur Bühne hinaufgeht, ist es Joachim Bordt anzusehen, wie schwer ihm die Schritte fallen. Nicht in den Beinen, sondern im Kopf. Er weiß, jetzt kommt seine letzte Rede als Landrat. Nein, er lässt keinen Zweifel daran, dass er gern weiter gemacht hätte. „Das Amt des Landrats ist mir einfach auf den Leib geschnitten“, sagt Bordt und keiner der knapp 200 Gäste im Saal der Empore empfindet das als protzig. Nein, der Mann da vorne, will seine Emotionen nicht weg lächeln. Und er nimmt die zitternde Stimme in Kauf, als er an seinen Freund Georg Krümpelmann und den gerade erst verstorbenen Kreistagsvorsitzenden Norbert Böhlke erinnert, die er an diesem Abend vermisst. „Sie haben kein dickes Fell. Sie sind sensibel“, fasst der stellvertretende Landrat Uwe Harden den Auftritt des scheidenden Verwaltungschefs in Worte. Nach 37 Jahren in der Verwaltung und acht Jahren als Landrat geht der Jurist Bordt in den Ruhestand. „Es ist das Ende einer Ära“, sagt Johannes Freudewald, der moderiert. Einen solchen Abend könne man für den Betroffenen am besten „so leicht und so schwer wie möglich machen“, so der Sprecher der Kreisverwaltung. Das ist am Freitagabend im positiven Sinn gelungen.

Als Bordt seine Rede beginnt, ist er der sechste Redner des Abends. Die Gästeliste liest sich wie das Who is Who des Landkreises: Bundestags-, Landtags-, Kreistags- und Kommunalpolitiker, Wirtschaftsvertreter, die Spitze der Feuerwehr und der Kirchen. Gut 90 Minuten werden die Verdienste des FDP-Politikers gewürdigt. „Es reicht“, sagt Bordt, als er um 19.46 Uhr seine Rede beendet und die Zuhörer zum Klatschen aufstehen. Doch die Verabschiedung ist noch lange nicht zu Ende. Bordt ist einmal hier, einmal dort und viele nutzen das Treffen zu persönlichen Gesprächen. Bis in die Nacht hinein ist Gelegenheit zum Reden. Die Bigband Woody Sound spielt und Leiter Martin Woodford kann immer wieder von den Augen des Publikums ablesen, was gewünscht wird. Zum Beispiel der Schlager „Dein ist mein ganzes Herz.“

Wie sie Bordt erlebt haben, haben seine Wegbegleiter zuvor deutlich gemacht. Da ist der ehemalige starke Raucher, der auf seinem Schreibtisch mitunter „Aschenbecker bis zur Größe von Suppentellern stehen hatte“, wie sich der Stader Landrat Michael Roesberg erinnert. Er weiß vom Wolfsburg-Fan und vom lauten Jubel Bordts auch in Sitzungen, wenn aus der Volkswagen-Stadt gute Fußball-Nachrichten kamen. Sein Fazit nach Loriot: „Aussagen von Landräten haben immer Relevanz. Ein Leben im Kreis ohne Landrat ist möglich, aber sinnlos.“

Hubert Meyer, geschäftsführendes Präsidialmitglied beim Niedersächsischen Landkreistag, nennt Bordt einen „Exoten im Kreis der Kollegen.“ Der Grund: Er war der einzige Landrat seiner Partei bundesweit. Oftmals sei Bordt zu ihm in die Landeshauptstadt gereist, um im Verfassungs- und Europa-Ausschuss, im Finanz- oder im Gesundheitsausschuss mitzuarbeiten. „Wenn Sie ihn in Winsen vermissten, er könnte in Hannover gewesen sein.“

Bordt war aber auch der Chef von zuletzt 947 Mitarbeitern der Verwaltung und hatte Menschen zu führen. Sein Stellvertreter, Rainer Rempe, hat drei persönliche Merkmale in seinen Führungstil ausgemacht: Vergnügen, Verantwortung und Vertrauen. Immer für einen Scherz zu haben, Gesprächsrunden auflockernd und auch bei trockenen und ernsten Themen zu „legendären“ Handlungen bereit. „Zum Beispiel einen doppelten Espresso und gleichzeitig einen Grappa zu bestellen“.

Vertrauen bedeutete für Bordt vor allem Eigenverantwortung von Abteilungen und Mitarbeitern und einen „Vorschuss an Vertrauen. So wurde in der Verwaltung eine Atmosphäre geschaffen, die sich durch Leitungsbereitschaft und Loyalität auszeichnet.“ Verantwortung, das war vor allem die Verantwortung Bordts für die Mitarbeiter. „Du hast Dich immer, auch wenn es mal nicht optimal gelaufen ist, hinter sie gestellt,“ sagt Rempe. Das gelte auch für ihn. „Wir konnten uns immer aufeinander verlassen und letztlich hast Du mich zur Kandidatur für das Amt des Landrats ermutigt.“

Weil Bordt „nie die Bodenhaftung verloren“ habe, bekommt er von seiner Verwaltung eine Ballonfahrt geschenkt, um den Kreis einmal aus der Vogelperspektive zu erleben. Vom stellvertretenden Landrat und Landtagsabgeordneten Heiner Schönecke gibt es als Gefäß für einen acht Jahre alten Baum einen geflochtenen Papierkorb. Den habe Bordt über die Jahre hinweg „von Amtsstube zu Amtsstube“ mitgenommen. Zuletzt jedoch stand der Korb im Keller der Verwaltung. Mit auf den Weg gibt Schönecke Bordt an diesem Abend noch ein Zitat von Altkanzler Konrad Adenauer: „Wenn andere glauben, man ist am Ende, so muss man erst richtig anfangen.“ Bordt hat angedeutet, dass er künftig gern ein Ehrenamt in der Kultur übernehmen will. Welches es sein wird, lässt er am Freitag noch offen. Vielleicht hat er sich noch gar nicht entschieden.

Als alle Reden beendet sind, steht der stellvertretende Landrat Uwe Harden noch einmal auf: „Es ist alles gesagt und alles Gesagte stimmt“, sagt er und bittet zum Buffet. Es folgt der Fototermin, zu dem auch Bordts Frau Christina vor die Bühne kommt. Sie arbeitet ebenfalls in der Kreisverwaltung für die Untere Naturschutzbehörde und kann so ihrem Mann von dort erzählen.

Im Foyer nimmt sich Bordts Nachfolger Rempe Zeit, um sein Gefühl zu beschreiben. Was er seit seiner Wahl am 25. Mai weiß, wird jetzt Realität. „Es ist gut, dass dieser Schwebezustand zu Ende geht“, sagt er und lächelt. Vom heutigen Montag an ist er der neue Landrat.