Yared Dibaba, zu Gast bei „Platt for Tohörers“, über Sprachtalent und seine Verbundenheit mit dem Hamburger Süden

Harburg. Gerade hat Yared Dibaba beim Harbour Front Literaturfestival nun auch noch mit Erfolg seinen ersten plattdeutschen Poetry-Slam bestritten. Damit hat der Moderator, Sänger, Schauspieler und Autor einmal mehr unter Beweis gestellt, dass er tatsächlich ein außergewöhnliches Multitalent ist. Und multilingual. Neben seiner afrikanischen Muttersprache Oromo und Amharisch, parliert er ebenso fließend in Deutsch, Englisch, Französisch, und eben Plattdeutsch. Vor seinem Gastspiel am Mittwoch, 17. September, bei der Lesereihe „Platt for Tohörers“ in der Bücherhalle Harburg sprach er mit dem Abendblatt über die Weltsprache Platt, ein Alleinstellungsmerkmal und seine Liebe zu den Ostfriesen.

Hamburger Abendblatt:

Herr Dibaba, wann waren Sie zuletzt südlich der Elbe und warum?

Yared Dibaba:

Ach, das ist gar nicht so lange her. Ich habe mir unlängst in einem Outlet ein Hemd gekauft. Ich bin mit meiner Familie aber öfter südlich der Elbe. Dann spazieren wir durch die Harburger Berge oder essen eine Pizza bei den tollen Italienern zum Beispiel im Binnenhafen. Für mich ist Harburg keineswegs eine No-Go-Area, sondern viel eher Welcome-Zone. Weil es hier eine Menge zu entdecken gibt.

Dann ist die Teilnahme an „Platt for Tohörers“ vermutlich auch kein Neuland für Sie?

Dibaba:

Mitnichten. Ich bin schon das dritte Mal dabei. Und bin dabei stets auf ein sehr offenes und interessiertes Publikum getroffen.

Worauf dürfen sich die Tohörers denn diesmal freuen?

Dibaba:

Wird hier nicht verraten. Nein, im Ernst: Sicher ist, dass ich aus meinem neuen Buch „Moin tosomen“ lesen werde. Aber was steht noch nicht so ganz genau fest. Ich entscheide das oft ganz spontan. Dabei spielen auch aktuelle Bezüge eine Rolle, wo sie sich gerade anbieten. Ich improvisiere da ganz gern. Und schmeiß gern auch mal während der Lesung meinen Plan über den Haufen. Das hat auch mit dem Gespür dafür zu tun, ob man die Leute erreicht, sie mitgehen, oder eben nicht.

Ein Schwarzer, der platt snackt, sorgt diese Konstellation nicht per se für Aufmerksamkeit?

Dibaba:

Ich würde das jetzt nicht unbedingt an der Hautfarbe festmachen. Die Tatsache, dass ein gebürtiger Afrikaner ein Faible für Plattdeutsch hat, ist für die Leute interessant. Viele wundern sich darüber, dass gerade ich mich so mit dieser Sprache identifiziere. Dadurch bin ich vielleicht viel norddeutscher als viele native Norddeutsche.

Wie sind Sie Plattdeutsch verfallen?

Dibaba:

Als ich mit meiner Familie das zweite Mal nach Deutschland kam, sind wir in dem 800-Seelen-Ort Falkenburg im Oldenburger Land gelandet. An der Dorfschule gab es eine überaus engagierte Lehrerin, Frau Schauer. Bei ihr zu lernen hat einfach Spaß gemacht. Und weil praktisch alle Schüler im plattdeutschen Chor gesungen haben, habe ich das natürlich auch gemacht. Ich war damals übrigens noch nicht der gute Vorleser, sondern eher der Snacker. Ich finde diese Sprache einfach schön, wollte sie deshalb unbedingt oft sprechen.

Waren Sie deshalb als Kind und Jugendlicher auch im Urlaub so oft in Ostfriesland?

Dibaba:

Das lag ja nun in doppeltem Wortsinn nah. Denn von Falkenburg war es nur ein Katzensprung bis zur Nordseeküste, die lag ja praktisch vor der Haustür. Außerdem hatte die Familie Freunde und Bekannte auf Wangerooge, weshalb wir da oft hingefahren sind. Seitdem sind mir auch die Ostfriesen sehr ans Herz gewachsen.

Warum?

Dibaba:

Ich mag ganz einfach ihre Art. Sie nehmen sich nicht so wichtig und können auch ganz gut über sich selbst lachen. Sie sind überaus herzlich, gastfreundlich und gesellig, ruhen andererseits aber in sich selbst. Für mich sind sie ein Völkchen von Welt. Vielleicht auch deshalb, weil ihnen ihre geografische Lage oft eine Fernsicht ermöglicht und sie so einen wirklich großen Horizont haben.

Wer so viele Sprachen spricht wie sie, hat vermutlich ein besonderes Talent dafür.

Dibaba:

Ich habe jedenfalls keine großen Probleme damit, es fällt mir leicht. Natürlich gehört auch Fleiß dazu. Ich hatte aber nie Hemmungen, in anderen Sprachen zu sprechen. Und keine Angst, dabei auch mal Fehler zu machen. Außerdem sind Fremdsprachen nun mal der Schlüssel, um die Welt besser zu verstehen.

War Plattdeutsch auch ein Türöffner für ihre Karriere in den Medien?

Dibaba:

Zweifellos. Als Schauspieler musste ich anfangs erfahren, dass es für Schwarze in deutschen Produktionen nicht allzu viele Rollen gab. Für einen Afrikaner, der zugleich Plattsnacker ist, schon. Dieses gewisse Alleinstellungsmerkmal hat mir aber nicht nur Türen in den hiesigen Medien geöffnet, sondern auch ein riesengroßes Tor zur Welt.

Sie durften sich für den NDR erfolgreich als „Heimatforscher“ betätigen und haben gemeinsam mit Ihrer Kollegin Julia Westlake Deutsche in aller Welt besucht.

Dibaba:

Die Senderreihe „Die Welt op platt“ war ein unglaublich beglückende und bereichernde Erfahrung für mich. Zwischen 2006 und 2010 haben wir etwa 30 Sendungen produziert und sind dafür kreuz und quer durch die Welt gereist. Es ist schon erstaunlich, wo wir überall Plattsnacker getroffen haben. Im fernen China ebenso wie im tiefsten Sibirien, in Brasilien und Paraguay ebenso wie in Namibia. Da gab es die kuriosesten Geschichten und Begegnungen, von denen ich bis heute zehre – und in meinen Büchern gern erzähle.

Sie sollen aber auch ganz gern zu Hause in Altona sein.

Dibaba:

Altona, das ist meine Welt. Es ist total international und doch sehr hamburgisch. Dazu kommt die Nähe zur Elbe. Wenn ich auf den Hafen schaue, sehe ich die weite Welt direkt vor mir. Davon kann ich nicht genug kriegen, auch nach zehn Jahren nicht.