Täter lassen Installation mit Wäsche und erklärender Tafel vor dem Kriegerdenkmal in Harburg verschwinden

Harburg. Mit der Kunstaktion Blickwechsel, die mit Hilfe weißer Wäsche an der Leine humorvoll die kriegsverherrlichende Symbolik an insgesamt sechs Kriegerdenkmälern in und um Hamburg kritisch hinterfragen will, hat sich Initiator Ulrich Hentschel von der Evangelischen Akademie der Nordkirche offenbar Feinde gemacht. Unbekannte haben in Harburg am Kriegerdenkmal an der Bremer Straße die Wäsche und die erklärende Tafel demontiert. Die Polizei ermittelt wegen Diebstahls.

Zuvor hatten Unbekannte in ähnlicher Weise systematisch die Kunstinstallationen an den Kriegerdenkmälern in Bramfeld und in der Gemeinde Ammersbek in Schleswig-Holstein zerstört.

Pastorin Sabine Kaiser-Reis von der Evangelisch-Lutherischen Trinitatisgemeinde an der Bremer Straße hatte die zerstörte Kunstinstallation als Erste bemerkt. Auf dem Grundstück der Kirchengemeinde steht das 1932 eingeweihte Kriegerdenkmal „Der Soldat“ neben der St.-Johannis-Kirche.

„Die Wäschestücke, die Holzklammern, Clips zur zusätzlichen Befestigung, eine Texttafel – alles ist gestohlen“, sagt Sabine Kaiser-Reis. Nur die massiven Wäschestangen stehen noch im Erdreich. Die Pastorin hat Anzeige bei der Polizei erstattet. Niemand in der Kirchengemeinde hätte sich gewundert, wenn ein einzelnes Kleidungsstück von der Leine verschwunden wäre, sagt sie. Aber dass Kunstinstallationen an gleich drei Orten zerstört würden, das hätte sie nicht erwartet, sagt Sabine Kaiser-Reis.

Strahlend weiße Bettlaken, Handtücher, Socken und ein BH haben seit dem 30. August an einer Wäscheleine unterhalb des Kriegerdenkmals an der Bremer Straße in Harburg gehangen. Mit der Kunstinstallation wollten die beiden Bildhauer Axel Richter und Uwe Schloen Passanten verblüffen und damit die Bedeutung des Kriegerdenkmals in der heutigen Zeit hinterfragen. Einige Passanten hatten in den weißen Wäschestücken zunächst eine Werbeaktion für das Weiße Dinner vermutet, das an dem Wochenende am Harburger Außenmühlenteich zelebriert wurde.

Zur Erklärung hatten die Künstler eine rote Tafel auf dem Rasen installiert und Position bezogen: Ihrer Meinung nach verherrlicht die mehr als zehn Meter hohe Soldatenstatue den Krieg und den Soldatentod. Die Künstler wollen mit der Bevölkerung diskutieren, wie man heute mit dem stummen Zeugen aus dem Jahr 1932 umgehen könne.

Die Wäsche ist komplett verschwunden. Die Erklärungstafel auch. Deshalb geht Ulrich Hentschel von einer gezielten, gegen die Installation gerichteten Aktion aus. Vor allem auch deshalb, weil eine Woche zuvor die Kunstinstallation an dem Kriegerdenkmal in Bramfeld zerstörten worden war – noch massiver als in Harburg.

Nachdem in Bramfeld die Polizei nach der Beschwerde eines Bürgers die Wäschestücke zur „Eigentumssicherung“ entfernt habe, teilte Hentschel mit, seien wenige Stunden später zudem noch die Wäschestangen und das Zubehör gestohlen worden.

In der Gemeinde Ammersbek ließen Unbekannte die erläuternde Texttafel verwinden. Die Wäsche rissen sie lediglich herunter und verstreuten sie in der Gegend.

Wer sind die Unbekannten, die sich von den Kunstinstallationen so provoziert fühlen, dass sie sie zerstören? „Jemand, der nicht diskutieren will“, sagt Sabine Kaiser-Reis. Mit Zorn und Enttäuschung nähmen die Initiatoren zur Kenntnis, dass es mitten in Hamburg Menschen gäbe, die eine zum eigenen Nachdenken herausfordernde Kunstaktion nicht zulassen wollen, sagt Ulrich Hentschel.

Mit den Zerstörungen erhält das öffentliche Gespräch am Freitag, 12. September, 19 Uhr, im Gemeindezentrum St- Trinitatis in Harburg, Bremer Straße 9, eine zusätzliche Brisanz: Ulrich Hentschel, Künstler Axel Richter und Sabine Kaiser-Reis laden zu einer Nachlese der Kunstaktion ein. Sie fragen: Wie wirkungsvoll sind Aktionen, stumme Zeugen wie Kriegsdenkmäler ins Gespräch zu bringen?