Hans-Peter Hansen vermittelt in seinen Selbstbehauptungskursen sicheres Auftreten gegenüber Angreifern

Neugraben . Wo sind eigentlich die ganzen Gangster“, will Maria Brandt wissen. „Man hört immer so viel, aber mir ist noch nie etwas passiert.“ Gut 30 Seniorinnen und Senioren pflichten ihr bei. Auch Gefahrentrainer Hans-Peter Hansen muss zugeben, dass er seine in den letzten zehn Jahren erworbenen Kenntnisse erst ein einziges Mal selbst anwenden musste – und das auch nur angedeutet.

Dass der Saal des AWO-Seniorentreffs trotzdem gut gefüllt ist, als Hansen seinen Vortrag zum Thema „Gefahrenerkennnung und Selbstbehauptung“ hält, zeugt allerdings davon, dass verbrechensfreie Lebenserfahrung nicht vor Verunsicherung schützt. Übrigens nicht ganz zu Unrecht: Statistisch gesehen wurde im vergangenen Jahr einer von 450 Bundesbürgern Gewaltopfer. Und als Hansen nachfragt, hat mindestens die Hälfte der Anwesenden schon Situationen erlebt, in denen sie sich konkret bedroht gefühlt haben. Frau Brandt zum Beispiel musste schon einmal selbst zwei mutmaßliche Trickbetrügerinnen aus dem Treppenhaus ihres Wohnblocks aussperren.

„So etwas kommt zwar seltener vor, als man denkt, wenn man die Zeitung liest“, sagt Hansen, „aber es kommt eben doch vor.“ Hier will er ansetzen und älteren Menschen Selsbstsicherheit und damit ein angenehmeres Lebensgefühl verschaffen.

„Wenn ich selbstbewusst auftrete, verliert ein Täter die Lust“, sagt Hansen. „Die meisten Angreifer sind ja auf leichte Beute oder ein wehrloses Opfer aus. Wenn wir also signalisieren, dass es bei uns nicht leicht wird, überlegen sie es sich anders.“ Auch in dem Fall in dem er selbst angegriffen werden sollte, reichte es aus, dass Hansen eine Pose einnahm, aus der klar wurde, dass er sich wehren würde.

Das selbstbewusste Auftreten könne man üben, sagt Hansen „Stellen Sie sich zu Hause vor den Spiegel oder vor ein Schaufenster, heben Sie die Schultern an und atmen Sie durch. Sie sehen gleich ganz anders aus und so wie sie sich im Spiegel wahrnehmen, nehmen Sie auch andere wahr.“

Sollte es dennoch zu einem Angriff kommen, rät Hansen dazu, Ruhe zu bewahren und abzuwägen: Verlust von Papieren und einigen Euro oder das Riskieren der eigenen Unversehrtheit. „Meistens ist es eine Handtasche nicht wert, deswegen Verletzungen zu riskieren“, sagt er. Große Verluste könne man auch vermeiden, wenn man seine Papiere nur in Kopie bei sich führt und nie allzuviel Bargeld einstecken hat. Ratsam sei es auch, Wertsachen auf mehrere Taschen zu verteilen. So wird man wahrscheinlich nur einen Teil los, denn die meisten Räuber haben nicht die Geduld abzuwarten, bis man alle Taschen ausgeleert hat. Sollte man einmal größere Mengen Geld besorgen müssen, empfiehlt Hansen, nicht allein zu gehen. Schon das senkt das Risiko gegen null.

Hat man sich entschlossen, seine Wertsachen nicht widerstandslos herauszugeben, rät Hansen, laut zu werden, um so Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das hemmt Täter schon einmal. „Siezen Sie Ihren Angreifer dabei“, sagt Hansen und erklärt seinen verdutzten Zuhörern gleich, wozu die Höflichkeit gut ist: „Erstens denken andere dann nicht so schnell, dass dort ein Familienstreit stattfindet und zweitens sollte man Aggression nicht noch anstacheln. Dann erreicht man ja das Gegenteil dessen, was man erreichen will.“ Auch als älterer Mensch kann man sich körperlich zur Wehr setzen. Hansen demonstriert die Abwehr eine Würgegriffs, hält sich aber ansonsten bedeckt: „Solche Dinge lernt man nicht an einem Nachmittag“, sagt er. „Das muss man regelmäßig üben, sonst geht es nach hinten los.“

Er selbst bietet solche Kurse an, einige Sportvereine ebenfalls. Hansens Übungen basieren auf Wing Tsun, einer chinesischen Kampfkunst der einfachen Leute und der einfachen Bewegungen. „Ich bin eher duch Zufall darauf gekommen“, sagt er. „In meinem Fitnesstudio wurde Wing Tsun angeboten und ich bin gleich begeistert gewesen.“ Seit zehn Jahren trainiert er zweimal wöchentlich. „Mittlerweile bin ich höher graduiert als die Trainer, bei denen ich anfing“, sagt er. Ob sie jetzt regelmäßig trainieren wollen, wissen die Neugrabener Senioren noch nicht. Sie sind da eher skeptisch. Ganz umsonst sind die Trainingsstunden auch nicht. Da fängt man schon wieder an, nachzudenken und sich zu fragen, wo die ganzen Gangster eigentlich sind.

Am Mittwoch, 24. September, um 15 Uhr wiederholt Hans-Peter Hansen seinen Nachmittagsvortrag im AWO-Seniorentreff Heimfed, Heimfelder Straße 41