Profis und Laien produzieren das Stadtteil-Fernsehformat, das der Sender Tide ab Oktober jeden Monat zeigt

Wilhelmsburg. Der Stadtteil Wilhelmsburg erhält ein eigenes TV-Magazin: Vorgesehen ist, dass das Hamburger Bürgerfernsehen Tide das „Willy-TV“, so der vorläufige Arbeitstitel, bereits im Oktober jeden Monat zeigt. Der genaue Sendetermin steht noch nicht fest. Die zurzeit 18 Mitwirkenden sind zwar bisher erst einmal zur Gründungsredaktionskonferenz zusammengekommen. Fest steht aber: Das Magazin will ambitioniertes Fernsehen machen, nachrichtlich berichten, aber auch satirisch sein. „Eine Mischung aus Tagesthemen und Extra 3“, sagt Mitgründerin Eva Ritter-Steindorf.

Die Initiatoren des Fernsehmagazins für Wilhelmsburg haben bereits bewiesen, dass sie anspruchsvolles Fernsehen machen können. Die 31 Jahre alte Veranstaltungsmanagerin Eva Ritter-Steindorf, Programmchefin des im vergangenen Jahr für einen Sommer wieder auferstandenen Rialto-Kinos, und der Videojournalist, Cutter und Kameramann Jonathan André Miske, 29, gehören zu den Miterfindern der zweimal für den Grimme-Preis nominierten Gastro-Pop-Show Konspirative Küchenkonzerte (ZDF Kultur).

Als Kameramann hat Jonathan André Miske die Wilhelmsburger Metrobuslinie 13 in dem Dokumantarfilm „Die wilde 13“ retro-futuristisch ins Bild gesetzt. In dem Wilhelmsburger Kreativzentrum Zinnwerke hat er sein Büro, schneidet Musikvideos und Experimantalfilme.

Wie bei Tide üblich, produzieren nicht nur Profis, sondern vor allem Männer und Frauen ohne journalistische oder fernsehtechnische Vorkenntnisse das Wilhelmsburger TV-Magazin. Jedes Redaktionsmitglied hat die Möglichkeit, sich in kostenlosen Kursen von erfahrenen Journalisten, Kameraleuten oder Tontechnikern schulen zu lassen. Die Redaktion stehe für neue Leute noch offen, lädt Eva Ritter-Steindorf zum Mitmachen ein. Sie selbst wird in Fortbildungen dazu sprechen, wie sich ein Fernsehformat möglichst günstig produzieren lasse.

Auch Sarah Eyßer arbeitet bei dem neuen Stadtteil-Fernsehmagazin mit. Im Hauptberuf ist die 31-Jährige die Kommunikationsleiterin des Wilhelmsburger Krankenhauses Groß-Sand. Sie sieht in dem Magazin die Chance, Wilhelmsburg so zu zeigen wie der Stadtteil wirklich sei, um die bei vielen Hamburgern vorhandenen Vorurteile vom heruntergekommenen Süden der Stadt abzubauen. Das funktioniere in bewegten Bildern nun einmal am besten, sagt Sarah Eyßer.

Sarah Eyßer macht es Spaß, Geschichten zu erzählen. Sie sehe es als willkommene Herausforderung an, nicht nur Themen aufzugreifen, sondern selbst zu machen, erklärt die Öffentlichkeitsarbeiterin, warum sie in ihrer Freizeit in der Bürger-Fernsehredaktion mitarbeiten möchte.

Klaus Schmidt, 49, fasziniert die technische Seite am Fernsehen. Der Webdesigner und Blogger produziert in seiner Freizeit Videos, war schon als Kind von bewegten Bildern begeistert. Er sieht in der Mitarbeit beim TV-Magazin, seine Kenntnisse in Ton- und Schnitttechnik zu erweitern. Inhaltlich hat Klaus Schmidt auch seine Vorstellung von dem künftigen Wilhelmsburg-Fernsehen: „Man kann gesellschaftliche und sozialkritische Dinge anhand des Stadtteils ansprechen“, sagt er.

Braucht Wilhelmsburg ein eigenes Fernsehmagazin? Eva Ritter-Steindorf bejaht das natürlich. Sie sieht die Zielgruppe aber keineswegs nur in den Elbinselbewohnern selbst und betont die Chance zum Perspektivwechsel: „Der Rest Hamburgs kann Wilhelmsburg nicht sehen, und das wollen wir ändern“, sagt sie.

Produziert wird das Wilhelmsburger TV-Magazin im Media Dock an der Neuenfelder Straße. Hier, wo die Räume Namen von mehr oder weniger exotischen Städten wie Split haben, ist auch der Sitz der Redaktion. Das Media Dock mit Tonstudio, Video- und Audioschnittstudios ist eines von insgesamt fünf Bildungszentren, die von der Internationalen Bauausstellung forciert worden sind. Mit Beatrix Nimphy hat es eine eigene Managerin. Wegen der Holzfassade heißt das Medienzentrum bei Schülern auch „die Scheune“.

Die Hürden, eigenes Fernsehen zu machen, seien in Hamburg niedriger als die Menschen meinen, sagt Jonathan André Miske: „Mit dem Media Dock und Tide haben wir gute Möglichkeiten.“