Kohlrabi, Brokkoli und Salat – fast alle Handelsketten sind Kunden von Rudolf Behr aus Ohlendorf

Ohlendorf. Rudolf Behr steht auf einem Feld in der Nähe von Thieshope und blickt nach unten. Zu seinen Füßen wächst Eisbergsalat. Heute wird geerntet. Hinter dem Chef der Behr AG, einem der größten Gemüseanbauer in Deutschland, steht ein Traktor mit Anhänger. Dahinter erhebt sich riesig ein mit einer Zeltplane überspannter Aufbau, der sich langsam über den Acker schiebt. Rund 30 Arbeiter schneiden per Hand die Salatköpfe: „Salat wächst immer unterschiedlich, deshalb können wir nicht maschinell schneiden“, erklärt Rudolf Behr den Aufwand. Die Köpfe verschwinden im Inneren, dort sitzen Verpackerinnen, die das empfindliche Gemüse in Folie einwickeln.

Anschließend werden die Köpfe je nach Kundenauftrag in Gemüsekisten gelegt und auf Paletten in einen Lkw-Anhänger gerollt. Wenn er voll ist, geht es für den frisch geernteten Salat ein paar Kilometer weiter zum Verteilzentrum in Ohlendorf. Hier warten schon die 40-Tonner auf die Ware, damit sie möglichst schnell in die Supermärkte geliefert werden kann. Von der Ernte bis zur Anlieferung beim Kunden in Deutschland vergehen so keine 24 Stunden.

Seit vier Generationen steht die Firma Behr für gutes Gemüse aus dem Süden Hamburgs. Rudolf Behrs Familie stammt aus Rosenweide bei Fliegenberg, seit vier Generationen bauen die Behrs Obst und Gemüse an. Als zweiter Bruder von fünf Kindern war klar, dass der junge Rudolf den elterlichen Hof nicht erben würde. Er lernte Gartenbau mit Schwerpunkt Gemüsebau, sparte fleißig und kaufte Anfang der 80er-Jahre einen kleinen Hof, ebenfalls in Rosenweide. Es wuchs und gedieh auf seinen Feldern, Behr expandierte und zog mit seinem Betrieb auf die Geest nach Stelle. Seit 1988 ist die Behr AG in Ohlendorf angesiedelt und baut in der näheren und weiteren Umgebung Gemüse im Freiland an.

Auf die Familie stützt sich Rudolf Behr auch bei der Leitung seines Unternehmens. Seine Frau Christiane ist verantwortlich für das Personal, die Töchter Christine, Ulrike, Anja und Julia arbeiten im Verkauf, Marketing und Controlling. Nur der älteste Sohn hat sich abgesetzt, er ist eigenständiger Gemüsehändler in Südeuropa. Grundsätzliche Entscheidungen bespricht der 62-Jährige mit Frau und Töchtern, „ich mache einen Vorschlag, dann reden alle so lange, bis ich keine Lust mehr habe“, erzählt er und schmunzelt.

Insgesamt über 4000 Hektar an verschiedenen Standorten und in der Region südlich von Alicante in Spanien bewirtschaftet das Unternehmen im konventionellen Anbau, dazu kommen 150 Hektar für das Bio-Gemüse. Zu seinen Kunden zählt Rudolf Behr alle Supermärkte und Discounter in Deutschland und in großen Teilen Europas. Wer in der Gemüseabteilung zum Eisberg- oder Römersalat greift, hält fast immer ein Behr-Produkt in der Hand. Weiterhin liefert das Unternehmen Frischgemüse an verarbeitende Betriebe in Deutschland und in den europäischen Nachbarstaaten, und beliefert die deutschen und europäischen Großmärkte.

Angebaut wird die ganze bunte Gemüsepalette von Baby-Spinat bis Zucchini von Möhre bis Topinambur. Absoluter Spitzenreiter ist der Eisbergsalat, außerdem stark ist das Unternehmen beim Anbau von Brokkoli, Kohlrabi, Romasalat und der Eigenmarke „Salarico“, einer Neuzüchtung aus Eisberg und Romasalat. 150 Millionen Setzlinge kommen pro Jahr in die Erde. Sie werden von Zuchtbetrieben drei Wochen lang angezogen, bis sie dann auf den Feldern eingepflanzt werden. Sechs bis acht Wochen, mehr braucht es nicht, bis aus den zarten Pflänzchen knackig runder Eisberg geworden ist. Bevor geerntet wird, kommt der Chef auf Feld und schaut sich den Stand der Pflanzen an. Dann werden die Kundenbestellungen abgeglichen. „Das Feld ist sozusagen unser Lager, es wird nur geerntet, was anschließend gleich verkauft wird“, erläutert Behr. Dank der 12 Meter-Fahrbreite seiner modernen Ernteeinheiten kann er 84.000 Salatköpfe auf einem Hektar anbauen, früher waren es nur 64.000.

Im Verteilzentrum in Ohlendorf fahren täglich im Schnitt 65 Lkw auf den Hof, liefern nach einer Drei-Tages-Fahrt aus Spanien Gemüse an und bringen die empfindliche Ware an ihren Bestimmungsort. Das „Grünzeug“, das nach Norddeutschland geliefert wird, steht gut verpackt in der vier Grad kalten Kühlhalle. Hier werden die Bestellungen der Kunden zusammengestellt und für die Lieferung fertig gemacht. Jede Gemüsekiste rollt auf großen Paletten vor dem Weitertransport durch einen Vakuumkühler und wird auf vier Grad Kerntemperatur gebracht – Frische ist bei der sensiblen Ware das A und O. Der Eisbergsalat ist eins der Hauptanbauprodukte bei der Firma Behr. Rudolf Behr war einer der ersten, der erkannte, dass diese Salatsorte Zukunft haben würde. Als Eugen Block Anfang der 80er-Jahre seine ersten Steakhäuser eröffnete, setzte er auf den knackigen Eisberg, musste ihn aber aus den USA importieren. „In Deutschland dachte man damals, dass es zu kalt für dieses Gemüse sei, also hat es keiner angebaut.“

Rudolf Behr ließ sich nicht abschrecken, der Gartenbaumeister bestellte trotzdem Samen in Amerika. Doch als es an die Ernte ging, stellte sich heraus: „Der Ami hatte nur Blätter, aber keinen Kopf“. Ohne das knackige Innenleben aber hatte der Salat keine Chance, das wusste Behr.

Zu der Zeit hatte er viel um die Ohren, erst zwei Wochen nach der Eisberg-Pleite kam er wieder auf den Acker, um den misslungenen Pflanzversuch unterzupflügen. Doch – o Wunder – da hatte der Eisberg plötzlich ein gut gefülltes Innenleben. „Der brauchte einfach nur mehr Zeit“, sagt Rudolf Behr.

Damit war der Grundstein für den heutigen Erfolg seines Unternehmens gelegt. Im ersten Jahr des professionellen Eisberg-Anbaus erntete er 100.000 Köpfe, heute sind es 60 Millionen. Liefern kann der heute 62-Jährige sommers wie winters, heute gibt es frisches Gemüse das ganze Jahr. In der kalten Jahreszeit kommt der Salat aus Spanien. In dem trockenen, kontinuierlich warmen Klima im Süden wächst der robuste Eisberg genau so gut wie in Ohlendorf – Hauptsache er bekommt genug Licht.