Am Rande von Wilhelmsburg hat das Unternehmen BLG-Logistics einen Standort. Tausende Fahrzeuge warten hier auf ihren Weitertransport

Wilhelmsburg. Wenn sich Autos unterhalten könnten, im Stau oder in der Ampel-Schlange beispielsweise, gäbe es vermutlich ein immer wiederkehrendes Gesprächsthema: die Kattwyk-Halbinsel im Hamburger Hafen. Der Grund: Sehr viele Autos, die in Norddeutschland herumfahren, waren schon einmal dort. Manche haben hier Zeit als Neuwagen verbracht, nachdem sie aus dem Bauch eines Schiffes rollten. Andere haben hier geparkt, bevor für sie als Gebrauchtwagen ein neues Leben begann. Die Kattwyk-Halbinsel ist ein zentraler Umschlagplatz für Autos in allen Variationen, Größen und Farben. Und die Firma, die all das organisiert, ist die BLG-Logistics Group.

Das Unternehmen, das aus der Bremer-Lagerhaus-Gesellschaft entstand und mehrheitlich der Stadt Bremen gehört, ist einer der größten Auto-Logistiker in Europa. Der Standort auf der Kattwyk-Halbinsel, einer von sieben in Deutschland, ist 325.000 Quadratmeter groß. Fast die komplette Halbinsel, eine Fläche etwa so groß wie 50 Fußballfelder, ist eine Lagerfläche für Autos. Die BLG hat sie von der Hamburg Port Authority (HPA) gepachtet. Wer auf dieser ganz besonderen Insel ankommt, landet in einem endlosen Wald von Limousinen und Kombis, Geländewagen und Sportflitzern, Lieferwagen und Mini-Mobilen für die Großstadt. Hafenkräne säumen das Gelände, ein Stück weiter östlich erstreckt sich die Köhlbrandbrücke, die erhöht wie ein Theater-Rang über dem BLG-Gelände liegt.

„Zentraler geht es nicht. Wir haben hier die Anbindung an die Schiene und an das Wasser, an die Autobahnen 7 und 1“, sagt Uwe Wiese, Geschäftsführer des BLG-Autoterminals Hamburg. Von seinem Büro aus kann er durch eine große Scheibe einen guten Teil der Gefährte sehen, die tagein, tagaus auf der Insel ankommen und sie wieder verlassen. Wie viele es sind, weiß er natürlich: „Hier gehen pro Tag zwischen 600 und 700 Autos raus. Pro Jahr liegt unser Umschlag bei 200.000 Autos.“ Damit ist der Standort eher noch klein, zumindest verglichen mit dem BLG-Terminal in Bremerhaven, der größten Auto-Verladestation in Europa. Rund 2,3 Millionen Fahrzeuge werden dort im Jahr „abgewickelt“, wie Uwe Wiese sagt.

Neuwagen, die an der Kattwyk-Halbinsel ankommen, sind vor allem für den norddeutschen Markt bestimmt, ein Teil geht auch nach Dänemark und in den Süden der Republik. Mehrmals in der Woche laufen Schiffe den Roll-On-Roll-Off-Anleger an. Zum Beispiel die „Seine Highway“, die kürzlich 1700 Autos der Marke Opel brachte, die Modelle Meriva und Mokka, die im spanischen Zaragoza gebaut werden. „Die werden dann hier einige Tage gelagert und dann auf den deutschen Markt verteilt, mit Lastwagen und Zügen“, sagt Uwe Wiese.

Fahrzeuge der Marke Kia kommen per Schiff aus Korea, BMW-Geländewagen aus US-amerikanischer Produktion ebenfalls. Mit dem Zug kommen Kia-Modelle, die in Tschechien hergestellt werden. Die großen Verschiebebahnhöfe im Hamburger Hafen, Hohe Schaar und Hamburg-Süd sind in nächster Nähe. Gleise führen direkt auf das BLG-Gelände. Für den Weitertransport hat BLG in Hamburg 30 Lastwagen. Etwa ein Drittel der Autos werde über die Straße transportiert, sagt Wiese. Je ein weiteres Drittel entfalle auf die Schiene und das Wasser.

Die BLG sorgt dafür, dass die Schiffe, Züge und Lastwagen nie leer unterwegs sind. Ein guter Teil von ihnen transportiert Gebrauchtwagen – so zum Beispiel die „City Of Lutece“, die gerade am Anlieger liegt. Eine lange Schlange von Autos, die erkennbar schon ein längeres Leben hinter sich haben, wartet auf die Verschiffung. Ein ausrangierter Krankenwagen ist darunter, die Windschutzscheibe ist mit arabischen Schriftzeichen markiert. „Diese Autos gehen nach Syrien und in den Libanon“, sagt Uwe Wiese. Für „Alt-Gebrauchte“ wie diese gebe es in Deutschland „keinen Markt mehr“.

Andere Gebrauchtwagen, „gute und sehr gute Fahrzeuge“, warten auf ihren Transport zu Händlern in Deutschland und Skandinavien. Einmal in der Woche, immer donnerstags um 10 Uhr, ist auf dem BLG-Gelände eine große Auktion. Nur Autohändler sind zugelassen, sie kommen aus zumeist Hamburg und den umliegenden Bundesländern. Geschäftsleute aus Finnland nehmen online an den Versteigerungen teil.

Daran, dass die Wagen optimal präsentiert werden können, arbeitet ein guter Teil der 250 Hamburger BLG-Mitarbeiter. Einer von ihnen ist Olaf Rowedder, der als „Fahrzeugaufnehmer“ tätig ist. Er vermisst auf dem Außengelände die Kratzer im Lack eines Golf IV, der gerade aus Hannover eingetroffen ist, und macht mit einem iPad Fotos für die spätere Versteigerung.

Weiter hinten, in der Waschstraße, wird gerade ein gebrauchter Ford Focus gereinigt. In den Genuss einer Wäsche kommen auch Neuwagen, weil diese bei der Schiffspassage „auch mal verschmutzt“ werden, wie der Geschäftsführer sagt. Auch für größere Schäden ist man bei der BLG gewappnet. In der Werkstatt ist gerade der Mitarbeiter Wadim Ermisch damit beschäftigt, den Stoßfänger eines Dreier-BMW zu schleifen, anschließend soll er neu lackiert werden.

Andere Kollegen untersuchen gerade an der Hebebühne einen weiteren Dreier-BMW. „Waschen, föhnen, legen“, nennt Uwe Wiese die Palette der Dienstleistungen, die sein Unternehmen den Autohändlern anbietet. „Die Wagen werden hier gleich fit für den Verkauf gemacht.“

Einige der Autos indes sollen gar nicht verkauft werden. Auf sie wartet eine Zeit als Firmenwagen. BLG rüstet auch die Flotten großer Unternehmen aus. In den Werkstatthallen werden gerade weiße Lieferwagen mit den Logos eines Autoglas-Unternehmens beklebt. An anderer Stelle geschieht das Gegenteil: „Ich befreie gerade einen Smart von den Logos einer Carsharing-Firma“, erklärt René Pornhagen seinen Job. Der 25-Jährige kam 2008 als Auszubildender zu dem Unternehmen, heute ist er Lackierermeister. Eine Halle weiter arbeitet sein Kollege George Boch-Ocansey: Seine Aufgabe ist es, die aufbereiteten Wagen noch einmal auf Hochglanz zu polieren. Am Ende der Prozedur werden die Autos aus der Halle herausgefahren und auf nummerierten Stellplätzen geparkt, bis es weiter an den Bestimmungsort geht. Der Transport der Gebrauchtwagen ist ein „immer wichtigeres Geschäftsfeld“, auch die Ausrüstung von Unternehmensflotten will Uwe Wiese weiter forcieren. Und noch ein Thema sei für die Zukunft wichtig: Elektro-Mobilität. „Die Umrüstung von Autos auf Elektroantrieb ist ein neues Standbein für uns.“

Angst vor Einbrüchen haben die Macher im Hamburger BLG-Terminal übrigens nicht. „Hier ist alles videoüberwacht“, sagt der Geschäftsführer. Außerdem seien die Polizei und der Zoll häufig zu Gast. Die müssten schließlich auch prüfen, „dass mit den Wagen nichts verladen wird, was nicht verladen werden darf“.