Sozialbehörde plant Unterkunft Am Veringhof in Wilhelmsburg – das Reiherstiegviertel heißt Notleidende willkommen

Wilhelmsburg. Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) plant zusammen mit dem öffentlichen Dienstleister „fördern & wohnen" eine neue Unterkunft für Flüchtlinge in der Straße Am Veringhof im Wilhelmsburger Reiherstiegviertel. Das 3500 Quadratmeter große Gelände liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zur dem von der Internationalen Bauausstellung geschaffenen Atelierhaus Künstler-Community. BASFI-Projektkoordinatorin Ulrike Warlimont hat am Donnerstagabend das Vorhaben im Sanierungsbeirat Südliches Reiherstiegviertel erstmals öffentlich vorgestellt.

Die neue Unterkunft soll 132 Menschen Platz bieten. Vorgesehen sind insgesamt sechs zweistöckige Modulhäuser, fünf Wohnhäuser und ein kombiniertes Verwaltungs- und Gemeinschaftshaus. Weil das Flüchtlingsdorf in einem Gewerbegebiet läge, wäre die Nutzung nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich und auf fünf Jahre befristet.

Derzeit ist noch nicht endgültig sicher, ob die Unterkunft am Standort Am Veringhof tatsächlich gebaut werden darf. Eine Baugenehmigung liegt noch nicht vor. „Ob es losgehen darf, wissen wir nicht. Aber wir glauben es“, sagt Ulrike Warlimont. Der Bezirk Hamburg Mitte habe seine Bereitschaft erklärt. Läuft alles nach Plan, so die Projektkoordinatorin, könnte die neue Flüchtlingsunterkunft im Sommer 2015 in Betrieb gehen.

Die Sozialbehörde geht davon aus aus, dass die zweite geplante neue Flüchtlingsunterkunft in Wilhelmsburg an der Georg-Wilhelm-Koch-Straße (Ecke Kurdamm) im Oktober oder November bezogen werden kann. Nach ursprünglichen Planungen sollten dort bereits im Frühjahr Menschen einziehen. Auch an der Georg-Wilhelm-Koch-Straße, in der Nachbarschaft zu Industrieunternehmen, ist die Nutzung nur mit Ausnahmegenehmigung und befristet möglich.

Die für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständige BASFI sucht überall in der Stadt Standorte für zusätzliche Unterkünfte. Die Zahl der Menschen, die auf der Flucht sind und nach Deutschland kommen, steigt. Nach neuesten Prognosen muss die Bundesrepublik Deutschland etwa 200.000 zusätzliche Asylbewerber in diesem Jahr aufnehmen. 2,5 Prozent davon entfallen auf Hamburg. Die meisten Asylbewerber stammen aus Syrien, Eritrea und Serbien. Auch immer mehr Iraker seien auf der Flucht.

In Hamburg werden voraussichtlich bis Ende des Jahres 800 Plätze fehlen. Wegen der großen Not treffen die Behörden mittlerweile nach Güterabwägung auch Entscheidungen für Standorte, an denen Wohnen normalerweise nicht zulässig wäre. „Wir nehmen, was die Bezirke uns anbieten“, sagt Ulrike Warlimont. Wie bereits in den 1990er-Jahren sollen Flüchtlinge auch auf Wohnschiffen untergebracht werden.

Die BASFI macht keinen Hehl daraus, dass sie gerne an der Wilhelmsburger Dratelnstraße Flüchtlingsunterkünfte errichtet hätte. Das Gelände ist größer als das Am Veringhof und wurde bereits während der großen Flüchtlingsnot in den 1990er-Jahren genutzt. Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt und auch der Bezirk Hamburg Mitte hätten aber Unterkünfte in der repräsentativen, neu geschaffenen Wilhelmsburger Mitte abgelehnt.

Die Mitglieder des Sanierungsbeirates Südliches Reiherstiegviertel haben am Donnerstagabend deutlich gemacht, dass sie den Standort Dratelnstraße für besser geeignet halten als das neue geplante Flüchtlingsdorf Am Veringhof. Im Reiherstieg lebten bereits überdurchschnittlich viele Ausländer. Flüchtlingskinder, die in dem Quartier zur Schule gehen werden, hätten deshalb schlechte Chancen, die deutsche Sprache zu lernen und sich zu entwickeln, argumentiert das Beiratsmitglied Peter Flecke.

Anders als an vielen anderen geplanten Standorten für Flüchtlingsunterkünfte in Hamburg, zeigt sich im Reiherstiegviertel kein Protest gegen das Vorhaben Am Veringhof. Im Gegenteil: Laut Beiratsmitglied Volker Schenk wolle die Wilhelmsburger Tafel eine Nahrungsausgabe in dem neuen Flüchtlingsdorf anbieten. Der Künstler Volker Schenk hat noch eine andere Idee, die Flüchtlinge im Reiherstiegviertel willkommen zu heißen: „Die Künstler-Community könnte zusammen mit ihren neuen Nachbarn die Fassaden der Unterkünfte gestalten.“