Wie die 107 Feuerwehren im Landkreis Harburg ihre Zukunft sichern. Delegierte treffen sich zur Tagung und Wettkämpfen in Roydorf

Hittfeld/Roydorf. Sie sehen ihre Organisation gut aufgestellt, die Gemeinden investieren für sie und ihre Hilfe wird als unverzichtbar angesehen. Gute Gründe für ein gesundes Selbstbewusstsein, das die beiden Feuerwehrchefs im Kreis ausstrahlen. An diesem Nachmittag stehen Kreisbrandmeister Dieter Reymers und der Vorsitzende des Feuerwehrverbandes Volker Bellmann vor der Feuerwehrtechnischen Zentrale in Hittfeld und schauen auf das Gebäude für die Erweiterung gegenüber. Für rund fünf Millionen Euro sollen dort drei neue Lehrsäle, eine Cafeteria, Büros für Ausbilder und eine neue technische Einsatzzentrale für Katastrophen und Einsätze bei Großschäden entstehen. „Wir wollen die Zahl der Lehrgangsteilnehmer pro Jahr von 600 auf 700 oder gar 800 erhöhen“, sagt Reymers. Das Zeichen ist deutlich: Demografie und weniger Lust am Ehrenamt sind für die Feuerwehr kein Thema.

Knapp 4700 Freiwillige Feuerwehrleute gibt es im Landkreis, ein Wert, den die Wehren seit rund 15 Jahren konstant halten. „Das schaffen wir, weil wir jährlich 160 bis 200 Anwärtern übernehmen, die die Abgänge bei den älteren Mitgliedern ausgleichen“, sagt Bellmann, der am Wochenende auf dem Kreisfeuerwehrtag in Roydorf sprechen wird. „Für unsere Einsätze ist die Zahl ausreichend und wir gehen davon aus, dass wir sie in den kommenden zehn bis 15 Jahren halten können“, ergänzt Reymers. Gründe dafür gibt es einige. So wird Hamburg auch in den kommenden Jahren junge Arbeitnehmer und Familien anziehen, von denen sich viele im Landkreis ansiedeln. Das aber bedeutet auch Nachwuchs für die Wehren. „Wir haben hier keine Landflucht“, versichert Reymers. Zudem seien die Wehren vor allem für technische Interessierte attraktiv. Die Helfer haben bei 3000 Einsätzen im Jahr auch ausreichend zu tun.

Um auch die fernere Zukunft abzusichern, wenn die Menschen aus den geburtenstarken Jahrgängen in den Ruhestand gehen, wurde bereits 2012 das Brandschutzgesetz im Land geändert. Seitdem ist die Kinderfeuerwehr offiziell anerkannt: ein Vorstoß, mit dem mit den Sportvereinen gleichgezogen wird. Denn vorher musste Kindern unter zehn Jahren noch abgesagt werden, wenn sie Interesse an den roten Autos, den Leitern und Spritzen zeigten. Die wandten sich dann ab, spielten lieber Fußball und waren später für die Feuerwehren verloren. „Jetzt jedoch können wir genauso früh mit unseren Gruppen beginnen wie beim Sport und damit Nachwuchs sichern“, freut sich Bellmann. Die Wehren im Kreis waren bei dem Thema ohnehin Vorreiter. Die ersten Kinderfeuerwehren wurden bereits vor sechs Jahren gegründet.

Offiziell bestätigt wird beim Kreisfeuerwehrtag für sie nun die am 1. März gewählte Kreis-Kinderfeuerwehrwartin Melanie Schumann aus Hittfeld und ihr Vertreter Christian Schröder aus Winsen. Der Kreis-Jugendfeuerwehrwart Detlef Schröder soll nach 16 Jahren in dieser Funktion in seine fünfte vierjährige Amtsperiode gehen. Als neue, von den Musikzügen Anfang August gewählte, Kreisstabführerin wird bei der Versammlung Andrea Meyn vorgestellt. Sie löst Anke-Rea Conrad in dieser Funktion ab.

Probleme sieht die Feuerwehrführung derzeit allenfalls bei der höheren Fluktuation bei den Führungskräften. „Früher war es üblich, dass diese Funktionen für zwölf oder 18 Jahre beibehalten wurde“, sagt Reymers. Das hat sich nun auf sechs, allenfalls zwölf Jahre reduziert. „Heute werden die Menschen stärker im Beruf gefordert oder wechseln für den Job den Wohnort“, sagt Reymers. Da wird auch die Kontinuität im Ehrenamt schwierig. „Es wird eine der Aufgaben der Zukunft sein, nicht nur Beruf und Familie, sondern auch Ehrenämter aufeinander abzustimmen“, sagt Bellmann.

Mit den Jobs außerhalb des Landkreises ist auch das zweite Problem der Feuerwehrchefs verbunden. Bei knapp 60.000 Pendlern täglich kann es bei Einsätzen schnell knapp werden, weil die Aktiven zu weit vom Einsatzort entfernt sind. „Vor allem genügend Atemschutzgeräteträger sind manchmal schwer zu bekommen“, so der Kreisbrandmeister. Heute alarmiert die Feuerwehr- und Rettungsleitstelle in Winsen deshalb stets drei Wehren, auch wenn die Mitglieder aus einer Gemeinde zahlenmäßig reichen würden. Das stellt sicher, dass genügend Männer und Frauen vor Ort sind.

Um die Motivation der Feuerwehrleute weiter zu stützen, bauen die Gemeinden nicht nur neue Feuerwehrgerätehäuser, sondern haben auch auf einen Forderungskatalog reagiert. Aufwandsentschädigungen wurden angepasst, Internet-Anschlüsse in die Gerätehäuser gelegt und Arbeit vor Ort an Service-Firmen vergeben. Zudem gibt es jetzt Kurse der Kreisvolkshochschule über Menschenführung, Zeit-Management oder Computerwissen, die für Feuerwehrleute reserviert sind. Die Kosten übernimmt der Kreis über einen jährlichen Zuschuss von 15.000 Euro. Erworbene Kenntnisse lassen sich zudem im Job nutzen.

Mit Einwänden von Chefs wegen der häufigen Einsätze haben Reymers und Bellmann wenig zu tun. Schließlich seien Feuerwehrleute motivierte Arbeitnehmer. Der Chef eines Elektrotechnik-Handwerksbetriebs in Seevetal beschäftigt selbst allein zwei Feuerwehrleute unter seinen 15 Mitarbeitern. „Da bin ich ein einsichtiger Chef“, sagt er und lacht, „und mir selbst kann ich ja für meine Arbeit als Kreisbrandmeister nicht böse sein.“