Morgen feiern der ehemalige HAN-Chefredakteur Helmut Peitsch und seine Frau Gisela ihre Eiserne Hochzeit

Buchholz . 65 Jahre gemeinsam zu erleben, sich nie aus den Augen zu verlieren, sondern Freud, Leid, Interessen und ein gutes Stück Arbeit zu teilen und dabei immer die Liebe für den anderen zu bewahren – das ist bei Paaren, die die Eiserne Hochzeit feiern, nicht immer zu spüren. Bei Gisela und Helmut Peitsch, die morgen, am 26. August, dieses außergewöhnliche Jubiläum feiern können, schon. So, wie sie im Wohnzimmer ihrer frisch bezogenen Wohnung in Buchholz zusammen sitzen und aus ihrem Leben berichten, erkennt der Besucher schnell, wie viel Respekt und Hochachtung dieses Paar für einander hegt. Wenn sie erzählen, ergänzen sie sich perfekt – und sie sind sich immer einig.

Blutjung waren Helmut und die hübsche, dunkel gelockte Gisela, als sie sich kurz nach Kriegsende in Wrist bei Neumünster bei einem Dorffest zum ersten Mal begegneten. Hinter ihnen lagen Jahre voller Angst und Leid, denn beide haben ihre Wurzeln in Ostpreußen und mussten aus der alten Heimat fliehen. Helmut Peitsch stammt aus dem Kreis Preußisch Eylau, seine Frau Gisela wurde in Königsberg geboren. Gisela, die damals noch Kerwien hieß, schaffte es als 15-Jährige im Januar 1945 nur Stunden, bevor die Russen einmarschierten, zu fliehen. Gemeinsam mit ihrer Mutter, Tante und zwei Cousinen konnte sie einen Platz auf der „Monte Rosa“ ergattern, die parallel zur „Wilhelms Gustloff" Flüchtlinge über die Ostsee in Sicherheit bringen sollte. Die Gustloff wurde von einem russischen U-Boot versenkt, etwa 10.000 Menschen ertranken im eisigen Wasser. Die junge Gisela hatte Glück. Sicher erreichte die „Monte Rosa“ mit 8000 Vertriebenen den Kieler Hafen. In Wrist bei Elmshorn kamen die Frauen bei einem reichen Bauern unter und verdienten sich Unterkunft und Essen mit Melken und Landarbeit.

Helmut Peitsch, Jahrgang 1925, musste ab 1943 seinen Wehrdienst ableisten und blieb bis zum Kriegsende Pilot bei der Luftwaffe. In seine alte Heimat Ostpreußen konnte er nicht zurück, und so kam er auf Umwegen nach Schleswig-Holstein. Seine zukünftige Frau entdeckte er zuerst bei einem Dorftanz in Wrist. „Ich hatte ein weißes Kleid mit Tulpenmuster, zum Tanz bin ich mit meinen Freundinnen mit „High Heels“ auf dem Kopfsteinpflaster durch Dorf gestöckelt“, erinnert sich Gisela Peitsch an die sensible Kennenlernphase. Der schneidige Helmut beeindruckte sie mit seinen Tanzkünsten, „als sie bei der Damenwahl auf mich zukam, dachte ich nur: Aha, die mag dich“. Die Sympathie wuchs, die Liebe entflammte, „wir waren jung und voller Romantik“, sagt Gisela Peitsch und ihre Augen leuchten auf. Dass Helmut Peitsch seiner Gisela regelmäßig die Schätze aus den von der amerikanischen Verwandtschaft geschickten Care-Paketen präsentieren konnte und der halb verhungerte Helmut sich unter dem bäuerlichen Obdach bei seiner Gisela so richtig satt essen durfte, tat ein Übriges, um das junge Glück zu festigen.

Am 26. August 1949 gaben sie sich das Jawort, natürlich wurde groß gefeiert, „danach habe ich ein Jahr den Schnaps abbezahlt“, schmunzelt Helmut Peitsch. Auf Hochzeitsreise ging es für das junge Paar nach Berchtesgaden. „Ich habe ihm die Liebe zum Wasser beigebracht, er mir die Liebe zu den Bergen“, erzählt die 84-Jährige weiter. Ein Jahr später kam Sohn Ralph zur Welt. Die Zeiten waren hart, das Wirtschaftswunder noch in weiter Ferne. Die junge Gisela nutzte ihr handwerkliches Geschick, strickte Pullover für einen Modesalon und bemalte für eine Manufaktur Porzellan. Goldrichtig war ihr Entschluss, dann in einem Abendkursus Steno und Schreiben auf der Schreibmaschine zu lernen.

Helmut Peitsch hatte schon immer das Journalisten-Gen in sich. Schon als Zehnjähriger dachte er sich für eine Königsberger Kinderzeitung Geschichten über eine grimmige Räuberbande aus, als es darum ging, als Jungvermählter seine kleine Familie zu ernähren, machte er sein Hobby zum Beruf. Zunächst schrieb er als Reporter für die Siegermächte und wurde später Lokal- und Sportredakteur bei der Norddeutschen Rundschau in Itzehoe. 1949 gründete er einen eigenen Nachrichten-Wochendienst. All seine Texte brachte Gattin Gisela auf der Schreibmaschine in leserliche Form, „ich war die flotteste Maschinenschreiberin, die er je hatte“, sagt sie stolz. Wenn es nötig war, steuerte sie Zeichnungen und Skizzen für die Artikel bei. Da die Post damals noch eher im Schneckentempo arbeitete, brachte das Ehepaar Peitsch die fertigen Beiträge dann persönlich zu den Zeitungskunden nach Kiel, Flensburg und Lübeck. 1957 übernahm er die Chefredaktion der Harburger Anzeigen und Nachrichten und lenkte bis zu seiner Pensionierung 28 Jahre lang die Geschicke von Hamburgs ältester Tageszeitung. Als Journalist war der heute 89-Jährige weltweit unterwegs, und auch privat war das Reisen für ihn und seine Frau schon immer ein Genuss. Amerika, Japan, Südafrika, fast alle Kontinente hat das Paar besucht, „nur in Australien waren wir nicht“. Auch der Freundeskreis war den beiden immer sehr wichtig. Mit über 30 gründeten sie den „Pfropfenzieher“-Kegelclub. Trainiert wurde anfangs noch im Hotel Lindtner, später kegelten die Brüder und Schwestern im Schützenhof in Marmstorf. Und mit über 40 beschlossen die beiden, sich auf die Skier zu wagen, mit Freunden fuhr man von da an vor allem nach Österreich in die Berge. Die Freunde aus dem Kegelklub waren es auch, die Helmut und Gisela Peitsch bei einem weiteren Projekt unterstützten, das ihr Leben maßgeblich beeinflusst hat. 1976 durfte Helmut Peitsch, noch zu Zeiten des Kalten Krieges, als einer der ersten das Memelland und Masuren besuchen. Die ehemaligen Landsleute, die in Ostpreußen, dem heutigen Polen geblieben waren, lebten in bitterster Armut. In Gisela und Helmut Peitsch reifte der Wunsch zu helfen, und so gründeten sie den Verein Ostpreußen-Hilfe. Sie sammelten Kleidung und alles, was die Menschen dort brauchten. Im Haus des Paares in Tötensen packte der ganze Kegelklub in den Anfangszeiten die Pakete. Die Spendenwelle, die dann anrollte, kam auch für Gisela und Helmut Peitsch überraschend. Gisela Peitsch kümmerte sich 37 Jahre lang um die Hilfe für ihre ehemaligen Landsleute, als Anerkennung für ihre Leistung wurde sie mehrfach geehrt und mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Ende des Jahres geht ihr Engagement zu Ende, aus gesundheitlichen Gründen wird der Verein Ostpreußenhilfe aufgelöst. Das Haus in Tötensen ist verkauft, in ihrer seniorengerechten Wohnung in Buchholz fühlen sich die beiden sehr wohl.

Am Wochenende steht erst mal die große Feier zum 65. Hochzeitstag an. Sohn Ralph wird da sein und auch die Enkelkinder Adreana, Natascha und Matthias sind dabei. Dazu ein paar enge Freunde und Familie aus Amerika. Auch wenn das Reisen inzwischen beschwerlicher geworden ist, wollen sie anlässlich ihres 65. Ehejubiläums noch mal auf eine Hochzeitsreise gehen, „am liebsten auf eine Kreuzfahrt“, sagt er und schaut liebevoll zu der Frau seines Lebens herüber. Sie lächelt und nickt – die beiden sind sich auch in diesem Punkt nach so langer Zeit immer noch einig.