Hamburger Stadtmeisterschaften im sportlichen Wettdichten: Die Vorrunde in der Honigfabrik zog zahlreiche Zuhörer in den Saal

Wilhelmsburg. Mona reimt sich öffentlich die traumatischen Jahre mit ihrer esoterischen Stiefmutter von der Seele, Emma dichtet von großer Liebe im Herzen und Insekten im Bauch – und nicht nur, dass die beiden und fünf weitere Mitdichter dies vor 150 Leuten tun; sie lassen die Verbalisierung ihrer Gefühle auch noch bewerten. Dazu gehören starke Nerven. Fünf der 150 Zuhörer haben Wertungstafeln erhalten und strecken sie nach jedem Vortrag in die Höhe. Es ist Donnerstagabend, in der Honigfabrik findet eine von drei Halbfinalrunden der Hamburger Poetry-Slam-Stadtmeisterschaften statt.

Poetry Slams finden seit gut zehn Jahren in Deutschland statt. Es sind sportliche Dichterwettstreite. Keine gepflegten Salonpoesie-Abende mit Gähnen hinter der Hand und müdem Höflichkeitsapplaus hinter jedem Werk. Je nach Veranstaltungsform stellen sich die Teilnehmer dem Urteil einer Jury oder des Publikums; vor allem aber dem Vergleich mit der Konkurrenz. Manchem erscheint das kulturtheoretisch fragwürdig, eines jedoch ist unwiderlegbar: Es gibt heute in Hamburg mehr Poetry Slams, als es vor zehn Jahren Lyrik-Abende gab. Zur Förderung von Poesie in der Öffentlichkeit hat das Slammen also beigetragen.

In Hamburg sind Poetry Slams beliebt: „Hamburg ist Slamburg“, sagt Robert Oschatz von der Gruppe „Kampf der Kulturen“, die die Meisterschaften organisiert, „nur Berlin hat so viele Slams, wie Hamburg, aber Berlin hat auch doppelt so viele Einwohner.“

Gut zwei Dutzend lokale Poetry Slams finden regelmäßig in Hamburg statt. Die Dichte in den Szene-Stadtteilen ist etwas größer, als an den Rändern der Stadt, aber mit „Heimfeld ist Reimfeld“ und dem wiederbelebten „Stellwerk-Slam“ ist der Süden auch nicht schlecht vertreten. Zu den Halbfinals der Stadtmeisterschaften haben die lokalen Slams ihre Favoriten entsandt.

Der durchschnittliche Wettstreit-Poet ist im Studentenalter und eher männlich. Der Frauenanteil bei den meisten Slams bewegt sich zwischen 20 und 30 Prozent. Quotierte oder gar reine Frauenslams gibt es kaum. Einen Sonderwettbewerb gab es bei den Hamburger Stadtmeisterschaften: Die Jugend hatte ihren eigenen U20-Contest.

Mona mit der Stiefmutter und Emma mit den Kribbeltieren im Bauch schaffen es an diesem Abend nicht ins Finale im Schanzenviertel. Mona erreicht wenigstens die Hoffnungsrunde. Das Finale am Sonnabend haben zwei Männer gewonnen.