„Lola“ war abgemagert und voller Flöhe. Rund 20.000 verwilderte Katzen leben in Hamburg

Harburg. Ein klägliches Miauen hörte Waltraud Hoellger als sie vor fünf Wochen im Harburger Stadtpark mit dem Fahrrad fuhr. Sie entdeckte eine vermutlich ausgesetzte, rötlich-getigerte Katze im Gebüsch sitzen, abgemagert und voller Zecken.

„Sie tat mir so leid. Da habe ich mit ein paar Freunden das füttern übernommen“, erzählt sie. Seitdem gehen sie mittags und abends in den alten Harburger Schulgarten und rufen die zutrauliche Katze, der sie den Namen „Lola“ gegeben haben, um sie zu füttern. Da es jetzt in schnellen Schritten auf den Herbst zugeht, macht sich die Rentnerin sorgen um die rote Lola: „Wir können sie doch nicht beschützen. Deswegen wollen wir sie ins Tierheim geben.“

Lolas Schicksal ist kein Einzelfall: Der Hamburger Tierschutzbund geht alleine in Hamburg und Umgebung von etwa 20.000 verwilderten Katzen aus. Das Tierheim Süderstraße, welches auch für Harburg zuständig ist, nahm 2014 mehr als 850 Hauskatzen auf. Diese wurden beschlagnahmt oder gefunden. „Der häufigste Grund für eine Abgabe ist eine – meist plötzlich auftretende – Allergie. Teilweise auch bei den Kindern“, erklärt Sven Fraaß vom Hamburger Tierschutzbund.

Der Harburger Stadtpark ist leider ein beliebter Aussetzort für Tiere: Schildkröten, Kaninchen, Katzen – es gibt viele Haustiere, die hier ihr Dasein fristen. Waltraud Hoellgers Freundin Marica Rumpf, der das Schicksal von Lola nahe geht, hat einen liebevollen Brief aus der Perspektive der Samtpfote verfasst, um die Mitmenschen aufzurütteln und ihnen ihre Verantwortung gegenüber Tieren bewusst zu machen:

„Ich bin apart rötlich-getigert mit schönen Bernstein-Augen und eine ehemalige Hauskatze. Vor einiger Zeit verlor ich mein Zuhause. Vielleicht wollte meine Familie in den Urlaub fahren oder sie konnten nicht mehr für meinen Unterhalt sorgen – es ist ja Sommer und diese Parkanlage erschien für mich geeignet als Bleibe.

Zuerst war ich nur traurig und wartete jeden Tag sehnsüchtig darauf, dass man mich wieder abholte. Da ich das Mäusefangen nicht erlernte, magerte ich immer mehr ab. Dabei kamen die täglichen Aufregungen mit freilaufenden Hunden und quälenden Zecken. Am späten Abend stören dann noch jugendliche Alkohol- und Kiff-Feten.“

Lola soll nun so bald wie möglich ins Tierheim gebracht werden. Ein erster Einfangversuch scheiterte jedoch. Generell können Fundtiere im Tierheim jederzeit kostenfrei abgegeben werden. Nach einer einwöchigen Fundfrist werden die Tiere schließlich – nach Möglichkeit – weitervermittelt. Bei verwilderten Katzen, die nicht mehr zugänglich sind, wird eine Kastration vorgenommen. Danach werden sie zum Teil wieder zu ihrem angestammten oder einem neuen Futterplatz gebracht. Verwilderte Katzen, die nicht zu ihrem Futterplatz zurück können, warten im Tierheim, bis ein neuer Futterplatz gefunden wurde. Hierfür sucht das Tierheim Süderstraße noch Interessenten.

Der Schulgarten-Katze Lola könnte dieses Schicksal erspart bleiben. Wilde Katzen würden den Kontakt zum Menschen nicht zulassen. Die Mitarbeiter der Tierheime stellen meist schnell fest, wie lange Katzen schon in freier Natur leben. „Das ist meist an den Ohrkerben zu erkennen“, erzählt der Diplom-Biologe Sven Fraaß weiter. Alleine für die verwilderten Katzen gibt das Tierheim jährlich etwa 100.000 Euro aus. Die Stadt Hamburg beteiligt sich an diesen Kosten mit ca. 60.000 Euro.