Heinz-Eckehard M. hat Anlegern hohe Renditen versprochen – dabei soll er laut Anklage das meiste Geld für sich behalten haben

Hamburg/Jesteburg. Ihm wird vorgeworfen, im großen Stil von Anlegern anvertrautes Geld in die eigene Tasche gesteckt zu haben – es geht um knapp fünf Millionen Euro. Angeklagt war Heinz-Eckehard M. aus Jesteburg deswegen schon seit zwei Jahren, doch erst nachdem Anfang August gegen ihn Haftbefehl erlassen wurde, ist es gelungen ihn vor Gericht zu bringen. Der erste von insgesamt zehn angesetzten Prozesstagen vor der Großen Strafkammer 20 am Landgericht Hamburg war jedoch nach nur zwei Stunden zu Ende.

M.s Verteidiger wollte es gar nicht so weit kommen lassen: Er beantragte nach der Feststellung der Personalien des Angeklagten, das Verfahren auszusetzen. Zum einen, weil sich sein Mandant in einem schlechten Gesundheitszustand befinde und nicht verhandlungsfähig sei, zum anderen, weil er und sein Mandant sich nicht angemessen auf das Verfahren vorbereiten konnten.

Die Vorgeschichte: Bereits im Mai 2012 wurde M. wegen gewerbsmäßiger Untreue angeklagt. Die entsprechende Vorladung und Mitteilung über die Bestellung eines Pflichtverteidigers will er aber nie erhalten haben – weder an seinem Wohnsitz in der Schweiz noch am Wohnort seiner Frau in Jesteburg. M. sei auf Geschäftsreise gewesen, habe währenddessen einen Unfall erlitten und sich nach seiner Genesung um seine schwerkranke Frau in Jesteburg gekümmert, weswegen ihn die Post nicht in der Schweiz, aber auch nicht in der Nordheide erreichte. Seine Frau sei inzwischen verstorben. Am 5. August dieses Jahres erging schließlich Haftbefehl gegen M., der am 8. August vollstreckt wurde. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft existierte zu diesem Zeitpunkt keine Meldeadresse, sodass die Polizei ermittelte, um ihn aufzuspüren. Vor Gericht gab M. seine Jesteburger Adresse als Wohnsitz an. Die Samtgemeinde Jesteburg bestätigte auf Abendblatt- Anfrage, dass M. an der von ihm genannten Adresse seit 14. August gemeldet ist.

Verhandlungsfähig oder nicht? M. sagt lediglich, er sei schwerhörig

Desweiteren gab der Verteidiger an, M. sei aus gesundheitlichen Gründen nicht verhandlungsfähig, er sei unkonzentriert und labil. Ihn zu vernehmen sei ein Verstoß gegen die Menschenrechte. M. selbst machte dazu keine Angaben, er bat lediglich einmal den Staatsanwalt darum, lauter zu sprechen, weil er schwerhörig sei. Vor Gericht erweckte M. nicht den Eindruck, besonders gebrechlich zu sein, wenngleich er etwas blass aussah. Augenscheinlich trug er ein Toupet. M. ist 65 Jahre alt, wirkt älter.

Der Staatsanwalt befürwortete, den nächsten Termin auszusetzen, einen Verstoß gegen die Menschenrechte sah er hingegen nicht gegeben. Der Vorsitzende Richter Schubert wies den Antrag zur Nichtverlesung der Anklage zurück. Staatsanwalt Wegerich verlas sodann rund 20 Namen und etliche Zahlenkolonnen. 20 Namen von Menschen, die M. ihr Geld in gutem Glauben anvertraut hatten, von rund 30.000 Euro bis zu einer Dreiviertelmillion. Diese Investitionen liegen bis zu elf Jahre zurück: Von Juni 2003 bis August 2006 erhielt M. von den Geschädigten Darlehen, um diese in das sogenannte Behring- System, ein riskantes Schweizer Geschäftsmodell, zu investieren.

Die Gesellschaft, die Konten dieser Investitionsdarlehen verwaltete, hatte ihren Sitz auf den Britischen Jungferninseln. Von diesen Konten soll M. sechsmal Teilbeträge von insgesamt 4.946.000 Euro entnommen und für eigene Zwecke ausgegeben haben. Auf Drängen der Anleger hatte M. lediglich rund eine Million Euro zurückgezahlt. Die Anklage wurde zwischenzeitlich um einen weiteren Fall ergänzt, bei dem zwei Anlegerinnen ebenfalls einige zehntausend Euro in eine Gesellschaft auf den Britischen Jungferninseln eingezahlt hatten, „obwohl M. wusste, dass es sich um keine seriöse Kapitalanlage handelte, sondern ein auf Täuschung aufgebautes Konstrukt nach dem Schneeballsystem“, so der Staatsanwalt. Das Geld sei auf ein Liechtensteiner Konto gezahlt worden, die Investitionsgesellschaft meldete 2004 Insolvenz an. Auch hier habe M. nur einen Teilbetrag zurückgezahlt. Die Machenschaften waren 2008 nach Hausdurchsuchungen in Jesteburg und in Liestal (Schweiz) ans Licht gekommen.

Einmal mehr wies der Verteidiger an dieser Stelle auf M.s Verhandlungsunfähigkeit hin. Der Vorsitzende Richter Schubert fragte M., ob er seine Ärzte, die dies bestätigten könnten, von der Schweigepflicht entbunden habe. M. bestätigte, dies am 12. August im Rahmen der Haftprüfung getan zu haben. Der Richter ordnete an, M. auf seine Verhandlungsfähigkeit untersuchen zu lassen und benannte einen konkreten Arzt. Der Verteidiger beantragte, binnen drei Stunden selbst einen Gutachter vorzuschlagen. Der Staatsanwalt wies dies zurück, das Gericht habe den Gutachter auszuwählen. Man könne dem Verteidiger eine Frist für eine Stellungnahme zum Arztvorschlag einräumen. Der Richter gewährte dies und gab dem Verteidiger dafür bis 16 Uhr Zeit. Der erste Verhandlungstag war damit nach zwei Stunden zu Ende. Der für heute angesetzte Verhandlungstermin wurde auf den 10. September verschoben.

Hans-Jürgen Lück verfolgte den Prozess als Zuschauer. Er und M. waren einmal Partner, in den 90er-Jahren hatten sie eine Firma mit Sitz am Neuen Wall. „Ich habe damals schon gemerkt, dass M. Geschäfte hinter meinem Rücken tätigt. Er hatte Kunden, die ich nicht kannte, und Termine, von denen ich nichts wusste. Das gehört sich nicht unter Partnern. Ich habe ihn dann hinausgeworfen“, berichtet er. Er beschreibt M. als charmanten, aufgeschlossenen und sportlichen Mann. Der heute 65-Jährige war erfolgreich als Zehnkämpfer und Tennisspieler. Zu seinen potenziellen Opfern gehörten zahlreiche Mitglieder des Jesteburger Tennisclubs. Er glaubt M. weder, dass er krank, ist noch dass er die Ladungsschreiben nie erhalten hat. Vielmehr gehe er davon aus, dass M. schon länger in Jesteburg wohnt, obwohl am Klingelschild nur der Name einer Firma stehe. Er berichtet davon, dass M. weit mehr Anleger geprellt hat, als heute zur Anklage kommt.

„In Argentinien kann er nicht mehr einreisen. Da würde er gelyncht“, so Lück. Diese Betrügereien würden nur deshalb nicht angezeigt, da es sich bei den angelegten Geldern um Schwarzgeld gehandelt habe. Das Verhalten M.s und seines Verteidigers vor Gericht wundere ihn nicht. Bei Lück selbst habe M. noch rund 70.000 Euro Schulden. Nächster Verhandlungstag ist Donnerstag, 28. August.