Der Hamburger Westwerk-Künstler Michael Baltzer präsentiert im dritten Teil des SchauRaum-Specials Skulpturen und Aquarelle

Das Objekt in der Mitte des Raums verwirrt. Aus einer gewöhnlichen Gießkanne sprießt ein geronnener Wasserstrahl, aus dem Pinien- und Kiefernzapfen zu wachsen scheinen. Die Installation präsentiert sich in neutralem, ganz jungfräulichem Weiß. Und zwingt nachgerade zum Hinsehen.

Wohl selten ist der Begriff „Zapfenstreich“ so fantasievoll und sprichwörtlich in Szene gesetzt worden. Es nimmt ihm seinen militärischen Charakter und stellt ihn in einen anderen Kontext. So kündet der Zapfenstreich eben nicht mehr von Ende und Abschied, sondern von Aufbruch und Neubeginn.

Der SchauRaum am Schwarzenberg kann solcherart positive, optimistische Symbolik gut gebrauchen. Bekanntlich ist die Zukunft der kleinen Harburger Off-Galerie gefährdet. Spätestens Ende 2015 wird sie schließen müssen, wenn bis dahin keine neuen Finanzierungsquellen erschlossen sind, wie bereits ausführlich berichtet.

Deshalb war es eine glückliche Fügung, dass ausgerechnet Michael Baltzer für den dritten und letzten Teil des diesjährigen Sommer-Specials verantwortlich zeichnet, der am heutigen Freitag um 19 Uhr mit einer Vernissage eröffnet wird. Der profilierte Künstler, der sein Atelier im Westwerk an der Stadthausbrücke im Zentrum Hamburgs hat, ist bekannt für provokante Aufmerksamkeit heischende Werke. Mit denen legt er gern mal mehr als einen Finger in Wunden, die andere lieber ignorieren. „Künstler sein, heißt schließlich forschen und experimentieren, aber auch analysieren und sensibilisieren“, sagt der 50-Jährige, der an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg unter anderem von Bogomir Ecker ausgebildet wurde.

Besonders eindrucksvoll gelingt ihm das immer wieder mit Gipsguss-Skulpturen. Etwa bei seiner bekannten Installation von weißen Pissoirs, aus denen eine weiße Masse quillt. Badezimmer-Untensilien gibt es nun auch im SchauRaum zu sehen, und zwar tanzende Toilettenbürsten. Das Quartett bildet einen skurrilen Reigen. Ebenso wie die 23 hängenden Skulpturen mit dem verwirrenden Namen „Hot dogs“.

Inspiriert sind sie tatsächlich vom Interieur einer Imbissbude, in dem Ketchup und Mayo für Bratwurst und Pommes aus aufgehängten Spendern selbst gezapft werden müssen. Baltzer hat diese Optik aufgegriffen, um verschiedene Behälter, etwa Plastikflaschen und Tetrapacks mit allen möglichen „hohlen“ Objekten zu kombinieren. Dazu zählen nicht nur Luftballons, auch Gemüse, wie zum Beispiel Paprika.

„Gipsguss ist eine einfache, aber überaus kreative Art Skulpturen zu schaffen“, sagt Baltzer. Nur müsse man beim Einsatz der Luftballons etwas vorsichtig sein. Weil aufgrund schlichter physikalischer Abläufe schnell mal phallische Objekte in Serie entstehen können, was er nun wirklich nicht beabsichtige. Vielmehr ginge es ihm darum, interessante Formen zu schaffen und zu bewahren..

Eine andere Leidenschaft des gebürtigen Karlsruhers sind Aquarelle. Die entstehen oft auf der Grundlage von zeitgeschichtlichen Fotodokumenten. So hat Baltzer unter anderem Bilder von Saddam Hussein malend reproduziert. Ebenso wie Jadszenen aus Teheran, als Polizisten und Geheimdienstler auf Motorrädern friedliche Demonstranten verfolgten.

Für seine aktuelle Werkschau im SchauRaum hat Baltzer das Aquarell eines nackten Mannes mit Phallus-Maske ausgesucht. Es entstand nach einem Foto des chinesischen Fotografen Ren Hang, das für die Wahl zum Porträtfoto des Jahres 2014 nominiert ist. Zudem zeigt Baltzer vier Zeichnungen nach Fotos aus dem jüngsten Urlaub in Südfrankreich. Thema ist die große Anziehungskraft eines ausgestopften Hirschkopfes, der in einer Mülltonne in der Stadt Seth gelandet war.

Und dann sind da noch die Waggis. So bezeichneten die Schweizer ursprünglich jene Elsässer Bauern, die einst mit ihren Wagen über die Grenze kamen, um dort ihr Gemüse feilzubieten. Sie galten als dumm, arm und einfältig und wurden gern verspottet. Heute sind die Waggis unverzichtbare Begleiter der Basler Fasnacht. Wo sie als Narren in den Farben der französischen Trikolore und mit übergroßen roten Nasen Süßigkeiten und Konfetti verteilen. „Michael Baltzer ist doch immer wieder für eine Überraschung gut“, sagt Kurator Jan Ratschat. Und wünscht sich viele neugierige Besucher.

„Zapfenstreich“, Skulpturen und Aquarelle von Michael Baltzer im SchauRaum, Schwarzenbergstraße 42, Sa./So., 23./24. August und 30./31. August jeweils in der Zeit von 12 bis 18 Uhr.Der Eintritt ist frei.