Nach Fertigstellung der beiden neuen Wohnblöcke soll es Platz für 206 Flüchtlinge und Wohnungslose geben. Anwohner fühlen sich nicht ernst genommen

Harburg. Mit dem feierlichen Richtfest für zwei neue Wohnblöcke in der öffentlichen Unterkunft an der Wetternstraße am Mittwochnachmittag setzt die Stadt ihre Bemühungen zur Schaffung weiterer Plätze für Asylsuchende und Wohnungslose konsequent fort. Die Notwendigkeit steht angesichts ständig steigender Flüchtlingszahlen außer Frage. Doch der unerlässliche Dialog mit Anwohnern und anderen unmittelbar Betroffenen bleibt offenbar eine ebenso große, problembehaftete Dauerbaustelle.

Runde Tische dienen im Idealfall dazu, über konstruktive Gespräche zu Kompromissen zu kommen, die für einen gewissen Interessenausgleich sorgen. Im Fall der Wohnunterkunft an der Wetternstraße gestaltet sich dieser Prozess überaus schwierig. So schwierig, dass die dortige Bürgerinitative (BI) sogar ernsthaft über ein Ende des Runden Tisches nachgedacht hat.

„Wir haben immer wieder den Eindruck, dass die Sorgen der Anwohner nicht ernst genommen werden“, sagt die BI-Vorsitzende Iwona Mazurkiewicz. Je konkreter Mitglieder der Bürgerinitiative nachfragten, umso ausweichender oder abweisender würden die Vertreter des Senats, des zuständigen städtischen Unternehmens fördern und wohnen (f & w), des Bezirksamtes oder der Polizei antworten. Der Unmut hat sich seit dem vorerst letzten Runden Tisch am 9. Januar 2014 dermaßen angestaut, dass die BI dem Unterkunftsverwalter f & w sogar „Vertrauensbruch“ vorwarf.

So sei es seit April 2012 zu einer drastischen Reduzierung der Wachdiensteinsatzzeiten gekommen, ohne dass die Bürgerinitiative darüber informiert wurde. Überdies seien in diesem Zusammenhang mehrfach falsche Angaben gemacht worden, die nicht der Wahrheit entsprochen hätten. Und zwar sowohl beim neunten Runden Tisch am 5. November 2013, als auch in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU. Statt wie mehrfach behauptet acht Stunden pro Woche, drehe der beauftragte Wachdienst pro Werktag tatsächlich nur noch eine halbe Stunde seine Runde, wie unlängst selbst f & w-Bereichsleiterin Anka Pötting einräumen musste.

„Die Kontrollen des Wachdienstes sind für die Bürgerinitiative ein ganz zentrales Thema“, so Iwona Mazurkiewicz. Weil sich in den vergangenen Jahren kriminelle Tatbestände gehäuft hätten. Von offenem Drogenhandel, Ruhestörung durch laute Musik wie Schlägereien und sogar tätlichen Angriffen auf Anwohner würde immer wieder berichtet. Die nach Beobachtungen der BI vor allem von den rund 70 Haftentlassenen und wohnungslosen Männern ausgingen, die an der Wetternstraße untergebracht sind.

Mazurkiewicz: „Den Mitgliedern der Bürgerinitiative wird gern eine ,subjektive Wahrnehmung‘ unterstellt. Weil Polizeieinsätze im Umfeld von öffentlichen Wohnunterkünften offenbar ein Politikum sind.“ Tatsächlich hatte Günter Sellmann, Leiter des Kommissariats 46, Anfang Februar 2013 im Harburger Innenausschuss vorgetragen, es gäbe in der Siedlung Wetternstraße „keine signifikant höhere Kriminalität als im Rest Harburgs“. Nach Ansicht der BI ist die Sicherheitslage seinerzeit aber nicht objektiv wiedergegeben worden. So seien weder Rauschgiftdelikte, noch tätliche Übergriffe und Sachbeschädigungen in die Statistik eingeflossen. „Es kann gar keinen Zweifel daran geben, dass im Bereich Wetternstraße im Verhältnis zur jeweiligen Einwohnerzahl siebenmal mehr Delikte begangen wurden als im Harburger Durchschnitt“, hat Kay Wolkau, Abgeordneter der Grünen, damals vorgerechnet.

All dies hat das Vertrauen der Bürgerinitiative in die für die öffentliche Unterkunft zuständigen Institutionen nicht gerade bestärkt. Die Lage spitzte sich jetzt noch zu, als beim ersten gemeinsamen Runden Tisch zur Zentralen Erstaufnahme und den anderen öffentlichen Einrichtungen in Harburg am 5. August im Elbcampus kein einziger Vertreter der BI Wetternstraße zugegen war. Verantwortlich dafür waren angeblich Probleme beim Zustellen der Einladungen und ein veralteter Mailverteiler. Allerdings hatte es bei f & w auch niemand für nötig befunden, einmal nachzufragen, warum es seitens der BI keine Rückmeldung gab.

Immerhin sah sich Bezirksamtsleiter Thomas Völsch im Nachgang des kurios besetzten Runden Tisches und auf Druck der Bürgerinitiative dazu veranlasst, bei fördern und wohnen auf eine zeitnahe Neuauflage des Runden Tisches zu drängen, die eigentlich erst für Februar 2015 geplant war.

Mit den beiden Neubaublöcken, die Anfang 2015 bezugsfertig sein sollen, entstehen auf dem Gelände des ehemaligen Harburger Stadtgefängnisses an der Wetternstraße 16 neue Wohnungen mit insgesamt 66 Plätzen für Flüchtlinge und wohnungslose Menschen. Die Gesamtkapazität der Einrichtung wird dann bei 206 Plätzen liegen. Was den knapp 300 Anwohnern der Siedlung eine beträchtliche Integrationsleistung abverlangt. Die zu erbringen die Mehrzahl auch bereit ist. Wenn auch ihre Sorgen und Nöte tatsächlich gehört und ernst genommen werden.