Jürgen Schmidt-Mittag und Renate Marun haben in einer früheren Kirche in Buchholz eine kreative Kulturstätte geschaffen

Buchholz. Angefangen hat es mit der „Malklangwand“. Ein Kunstprojekt, das Jürgen Schmidt-Mittag schon längst mal verwirklichen wollte: Eine Konstruktion, bei der hinter der Leinwand Sensoren angebracht sind, die die Malerei in Töne umwandeln. Dafür benötigte er allerdings einen Raum mit hoher Decke.

Fündig wurde der inzwischen pensionierte Kunstlehrer bei der Friedenskirche Buchholz. Die hatte wegen rasant steigender Mitgliederzahlen und ihres Umzugs in größere Räume ihr bisheriges Domizil an der Suerhoper Straße zum Verkauf angeboten. Ein idealer Ort. Nicht nur die hohe Decke, sondern auch eine Bühne. Und vor allem viele, viele Räume.

So viel Raum, so viele Räume, dass aus dem „Malklangbild“ ganz schnell der Wunsch wuchs, noch mehr genreübergreifende Aktionen zu starten. „Ich kenne viele Künstler, und daraus entstand die Idee, aus dieser ehemaligen Kirche einen Kunsttempel zu machen“, sagt Schmidt-Mittag, der früher auch als freischaffender Künstler tätig war. Durch Mundpropaganda wurde der Kreis jener, die an Musik-, Tanz-, Vortrags- und Theaterabenden teilnahmen, stetig größer. „Die Künstler und die Besucher empfehlen uns weiter. Inzwischen sitze ich jeden Morgen zwei Stunden im Büro und beantworte Anfragen von Künstlern“, sagt der Hausherr. Inzwischen würden sogar Agenturen anfragen.

Trotzdem lassen er und seine Lebensgefährtin Renate Marun sich keinem festen Terminplan unterwerfen. Veranstaltungen finden statt, so wie es kommt. Keine Regelmäßigkeit, kein Zwang. Dafür umso mehr Liebe bei der Ausführung, denn die beiden machen alles selbst. Von der Dekoration – heute ist „Indischer Tanz“ auf dem Programm, und die Besucher empfängt nicht nur der Duft von Räucherstäbchen, sondern eine Schaufensterpuppe mit Sari, Stofflaternen und Stoffschirmchen, gedämpfte Beleuchtung – bis hin zur Technik, der Moderation und der Bewirtung.

„Ihr sitzt an Tisch fünf“, sagt Jürgen Schmidt-Mittag zu einem Besuchergrüppchen. „Oh, heute mit Tischen“, staunt eine Zuschauerin, die offensichtlich öfter im Kunsttempel ist. Der Saal ist heute wie ein kleines Varietétheater eingerichtet, kleine Runde Tische, für die Unangemeldeten ein paar Stuhlreihen. Platzanweiser ist Jürgen Schmidt-Mittag nebenbei auch noch, während Renate Marun an der kleinen Bar im Foyer die Gäste mit Wein, Wasser und Bionade bewirtet.

Bis zu 100 Zuschauer können im Kunsttempel Platz nehmen, sie haben in der Regel eine persönliche Einladung erhalten oder werden von Freunden und Familie mitgenommen. „Ich möchte meine Gäste gern persönlich kennenlernen“, sagt der Gastgeber dazu. Selbst so exotische Angebote wie eben „Indischer Tanz“ sind gut besucht. „Ich hatte noch nie einen leeren Saal. Verschiedene Künstler haben sogar berichtet, dass sie hier mehr Zuschauer hatten als in bekannten Hamburger Einrichtungen.“ Dort hätten sie vor sieben, acht Zuschauern gespielt, in Buchholz aber vor vollem Haus.

„Ich bin stolz auf mein Publikum, weil es so begeisterungsfähig ist“, sagt Jürgen Schmidt-Mittag. „Genau das war auch mein Wunsch, als ich hier vor knapp zehn Jahren anfing. Wir lassen uns begeistern durch kulturelle Projekte.“

Das sind nicht nur Abende mit Jazz oder Irish Folk, Tanz oder Theater, sondern auch Dia-Vorträge oder Motto-Partys. So hat es schon mehrere Male „Tea Time“ gegeben. Ein typisches Teetrinkerland wird dann vorgestellt – nicht nur der Tee und die Tee-Trinkgewohnheiten, sondern auch die jeweiligen kulturellen Besonderheiten, ob Japan oder Großbritannien. „Einmal habe ich auch den ganzen Saal mit schwarzer Folie ausgekleidet. Die Gäste mussten Löcher hineinschneiden, um sich zu orientieren und sich gegenseitig zu erkennen.“ Die Kreativität ist überall spürbar, ob es in der Einrichtung ist – die als Kuh verkleidete Schaufensterpuppe, die die Klofrau mimt, die grafischen Muster, die Karikaturen an den Außenwänden, die Barbiepuppen als WC-Orientierungshilfe – oder in den Namen der Veranstaltungen. Ein offener Abend für regionale Künstler etwa heißt „nur-so-Show“.

Der Kunsttempel ist ein ganzheitliches Projekt – und ein rein privates. Eintrittsgelder werden nicht erhoben, stattdessen geben die Besucher eine Spende nach eigenem Ermessen und Möglichkeiten. Manchmal gibt Jürgen Schmidt-Mittag etwas dazu, „mir tut es sonst leid für die Künstler“, sagt er. Und er ist auch die Privatwohnung des Paares – verteilt auf mehrere Etagen. Schlafzimmer im Obergeschoss, aufs ganze Haus verteilt sieben WCs, im Erdgeschoss Büro und Lager, das Wohnzimmer im Keller, daneben der Probenraum. „Ich hab‘ ja schließlich auch noch’ne Band“, sagt der 67-Jährige.

Weitere Infos und Kontakt unter www.kunsttempel-buchholz.de