Interessengemeinschaft hat Gebiet auf Finkenwerder kopiert. Zutritt ist erwünscht, Workshops fördern Umweltbewusstsein

Finkenwerder . Wie macht man Menschen ein Naturschutzgebiet erlebbar, wenn der Zutritt dazu verboten ist? Ein Dilemma, dem sich viele Naturschützer stellen müssen. Auch die zusammenhängenden Naturschutzgebiete Westerweiden/Finkenwerder Süderelbe dürfen nicht betreten werden. Die Interessengemeinschaft Alte Süderelbe (IaS) fand trotzdem einen Weg, Besuchern die einzigartige Natur des Gebiets zugänglich zu machen: Die ehrenamtlichen Aktivisten kopierten das Naturschutzgebiet schlicht an anderer, aber ähnlicher Stelle. Auf dem drei Hektar großen IaS-Gelände vor dem Osterfelddeich ist fast alles so wie in dem viel größeren echten Naturschutzgebiet zwei Kilometer westlich. Hier bietet die IaS naturpädagogische Workshops an.

„Dadurch, dass man die Naturschutzgebiete nicht betreten kann, rücken sie aus dem Bewusstsein“, sagt Patricia Maciolek, Vorsitzende der IaS. „Selbst in Finkenwerder wissen viele Leute gar nicht mehr, was für Schätze sie vor der Tür haben. Das fanden wir schade, deshalb wurden wir aktiv.“

Dass die Westerweiden und die Finkenwerder Alte Süderelbe gesperrt sind, hat gute und weniger gute Gründe. Hier haben extrem seltene Tierarten ein Refugium gefunden und sollten in Ruhe gelassen werden. Hier wurden sich die einzelnen Träger des Naturschutzes aber auch nie einig und trafen sich manches Mal vor Gericht wieder. Letztlich entzog die Stadt den Verbänden die Trägerschaft und kümmert sich seitdem selbst um das Gebiet.

Anwohner gründeten deshalb 2006 die Interessengemeinschaft alte Süderelbe. „Zuerst waren wir nur ein loser Zusammenschluss“, sagt Patricia Maciolek, „aber es kamen schnell immer mehr Nachbarn dazu, und die Strukturen festigten sich, so dass wir jetzt ein Verein sind, in dem die meisten Finkenwerder Süderelbe-Anwohner Mitglied sind.“ 2011 wurde die Fläche vor dem Osterfelddeich gepachtet.

Was die Finkenwerder Süderelbe besonders macht, ist, dass sie nicht fließt. Nach der Sturmflut von 1962 – dabei war es zwischen Neuenfelde und Moorburg zu mehreren Deichbrüchen gekommen – wurde die Süderelbe vom Hauptstrom und damit von Gezeiten und Sturmflutgefahr abgetrennt. Lediglich über zwei Sperr- und Schöpfwerke findet ein geringer Wasseraustausch statt.

Als der Fluss noch floss, gab es zwischen dem Hauptdeich und dem vorgelagerten, niedrigeren Sommerdeich Obstbau und Weidewirtschaft; vor den Sommerdeichen kleine Tidewälder, Schilfzonen und einige wenige Weideflächen. In abgewandelter Form fand das nach der Abgrabung des Flusses auch weiterhin statt, allerdings verbracken nun die Uferzonen. 1989 wurden die jetzigen Naturschutzgebiete Westerweiden und Finkenwerder Süderelbe als eine Fläche unter Naturschutz gestellt. Das sollte zum Ausgleich für die Hafenerweiterung in Altenwerder dienen. Die Bewirtschaftung des Areals war damit nur noch eingeschränkt möglich.

Auf der naturpädagogischen Schaufläche zeigt die Interessengemeinschaft alte Süderelbe beides: den Zustand des Gebiets mit Bewirtschaftung und ohne. Im Vorland stehen noch einige Reihen Obstbäume, dort werden die Gräben auch noch gemäht und gepflegt. Zudem beweiden Schafe Teile des Areals. „Andere Gräben wollen wir ab jetzt unangetastet lassen, um die Unterschiede zu verdeutlichen“, sagt Patricia Maciolek.

Bislang hat die Interessengemeinschaft pädagogische Projekte mit den Finkenwerder Schulen sowie den Waldorfschulen der weiteren Umgebung umgesetzt. Dazu zählen klassische Anschauungs- Umweltpädagogik, aber auch Pflegemaßnahmen, die Erstellung von Schautafeln oder das Projekt Land- Art, in dem Schüler das, was sie in Natur und Landschaft vorfanden, in Kunstwerke verwandeln sollten. In einem echten Naturschutzgebiet wäre Letzteres zumindest problematisch.

Die Schulen, die kommen, sind auf Wetterglück angewiesen: Es gibt keinen Unterstand auf dem Gelände. Im vergangenen Jahr stellten Mitglieder der Initiative ein Zelt aus ihrem Privatbestand auf, veloren dies jedoch bei einem Sturm. Geplant ist ohnehin etwas anderes: Am Ufer soll ein Boot liegen, das sowohl als Unterstand dienen kann als auch auf das Gewässer hinausfahren, sodass die Besucher einen wasserseitigen Eindruck des Gebiets erhalten. Der Bau auf einer Finkenwerder Bootswerft wurde bereits begonnen. Zur Fertigstellung fehlen allerdings noch gut die Hälfte der etwa 45.000 Euro, die das Beobachtungsboot letztlich kosten wird.

„Wir sind auf Sponsorensuche“, sagt Patricia Maciolek. „Wenn das Boot fertig ist, können wir damit vom Wasser aus auch das eigentliche Naturschutzgebiet zeigen.“