Tochter des 1984 gestorbenen Pastors Paul Liebeneiner will die vom Vater geschriebenen Bücher der Nachwelt erhalten

Hanstedt/Harburg. Er ist nicht vergessen, weder in Hanstedt noch in Harburg: Paul Liebeneiner, der von 1933 bis 1968 als Pastor in der Kirchgemeinde Hanstedt-Undeloh tätig war und seinen Ruhestand bis zu seinem Tod am 13. Februar 1984 in Harburg verbrachte. Keine Frage: Den Ruhestand nutzte der am 2. Januar 1899 in Hildesheim geborene Theologe ebenfalls für geistliche Arbeit und unterstützte Harburger Kirchengemeinden, wo er nur konnte. Sein Rat war gefragt. Er schrieb Bücher zu biblischen Themen, brachte unter anderem Notizen zur Nazizeit in Hanstedt zu Papier, malte Bilder, engagierte sich nicht zuletzt in Männer- und Seniorenkreisen der Paulus-Kirchengemeinde und übernahm – wenn dafür Bedarf bestand – auch Vertretungen in den Gottesdiensten weiterer Kirchengemeinden.

85 Jahre alt ist Paul Liebeneiner geworden, sein Tod liegt 30 Jahre zurück. Seine Wohnung und sein Arbeitszimmer an der Eißendorfer Straße haben sich seitdem kaum verändert. Seine inzwischen 86 Jahre alte Tochter, Lieselotte Liebeneiner und sein Sohn Winfried, der 84 Jahre zählt, leben in der Pastorenwohnung und der Wohnung nebenan. „Ich habe das gesamte Arbeitszimmer des Vaters der Hanstedter Gemeinde versprochen“, berichtet Lieselotte Liebeneiner, die früher als ausgebildete Krankenschwester im betriebsärztlichen Dienst des NDR gearbeitet hatte. Bruder Winfried war Sozialarbeiter beim Diakonischen Werk. „Unser Vater hat immer als bibelfester Christ gedacht und gehandelt“, sagt Lieselotte Liebeneiner, „so machte er bei einer Diskussionsveranstaltung zum Paragraf 218 in der Friedrich-Ebert-Halle seine Haltung gegen Abtreibung deutlich und stellte dabei fest, dass er sehr viele junge Leute mit seinen Ansichten überzeugen konnte.“

Mit Blick ins Arbeitszimmer und in die randvoll gestellten Bücherregale schüttelt Lieselotte Liebeneiner bedauernd den Kopf. „Es ist traurig, dass all diese aufgezeichnete Lebenserfahrung und das viele Wissen hier in den Regalen steht und vermutlich irgendwann einmal in Vergessenheit geraten wird.“ Dabei dürften gerade die von Paul Liebeneiner angefertigten Aufzeichnungen über das Gemeindeleben in Hanstedt zur Nazizeit neue Erkenntnisse liefern. Liebeneiner hatte 1933, zum Beginn der Nazizeit, im Alter von 34 Jahren, seinen Dienst als Pastor in Hanstedt-Undeloh begonnen.

Auszugsweise schreibt er: „In den ersten Monaten unter der nationalsozialistischen Regierung war kein Grund anzunehmen, dass es sich hier um eine kirchenfeindliche Bewegung handeln könnte. … Zunächst schien ein freundliches Nebeneinander von Partei und Kirche möglich. Dieselben Leute, die sich bisher zur Kirche gehalten hatten, taten es weiter. Es dauerte aber nicht sehr lange, da wurde aus dem freundlichen Nebeneinander die eindeutige Forderung, dass der Partei und ihren Organisationen allein auf den Dörfern die Führung gebührt.

Neben und über die Bürgermeister, die selbst nur geduldet wurden, wenn sie von der Partei anerkannt waren, traten die Ortsgruppenleiter. Die Landwirte verloren ihre Selbständigkeit und waren selbst oft so fanatisch in die neue Idee verrannt, dass sie es selbst gar nicht bemerkten. Sie ließen sich von einem fremden Willen völlig beherrschen und nannten die Unterwerfung Freiheit. … Der „Führer“, wie sich Hitler nennen ließ, sprach von der Vorsehung und dem Schicksal. Viele Leute in unseren Dörfern hatten gar kein Empfinden dafür, dass hier eine unpersönliche, neutrale Macht, ein Es, aber nicht der allmächtige lebendige Gott, wie wir ihn durch Jesus kennen, der Vater unseres Herrn Jesu Christi und durch ihn unser Vater, den wir Du nennen dürfen, angebetet wurde. Wenn zu Anfang viele diese Gedanken zurückwiesen, so wurde doch im Laufe der Zeit deutlich, dass die nationalsozialistische Idee Religionsersatz, ja, eine neue Religion wurde, die ihren Ausdruck in dem Glauben an den Führer fand.“

Liebeneiner stellte schon nach kurzer Zeit Zersetzungen innerhalb der Gemeinde Hanstedt fest und machte die Entwicklung an folgendem Geschehen deutlich: „1934 sollte in Dierkshausen ein großer Findling als Ehrenmal für den Führer errichtet werden. Bei dem Transport des riesigen Steines kam ein Mann aus Dierkshausen ums Leben. Es wurde von der Partei eine große Beerdigung angeordnet. SA und eine große Schar Parteiführer in Uniform folgten dem Sarge. Man überließ der Kirche in üblicher Weise die Bestattung. Darauf trat der Kreisleiter Mahler an das Grab und sagte: Der Pastor hat eben über das Bibelwort gesprochen, niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lasse für seinen Führer. Heil Hitler. Über diesem Grabe wurde ein Gedenkstein mit einem Hakenkreuz errichtet. Es ist das einzige im Kirchspiel geblieben. Dass Verstorbenen anstelle des sonst üblichen Abendmahlsrockes eine Hitler-Uniform angezogen wurde, habe ich mehrere Male beobachtet.“

Pastor Paul Liebeneiner brachte alle seine Gedanken handschriftlich zu Papier. Die Manuskripte ließ er anschließend von einer Schreibkraft abtippen. So entstand auch eines seiner Bücher „Der moderne Mensch und die christliche Botschaft von der Gerechtigkeit - Was ist Recht, was Unrecht?“