Lutz Cassel und Sabine Unbehaun erklären, warum sich die Mitarbeit im Beirat für Stadtentwicklung lohnt

Wilhelmsburg. In den Straßen der Nachbarschaft häuft sich der Müll, obwohl die Straßenreinigung regelmäßig kehrt? Im Viertel liegt ein unangenehmer Geruch in der Luft, obwohl die Fabrik nebenan versprochen hat, wirksamere Filter einzubauen? Lastkraftwagen stehen nachts mit laufenden Kühlaggregaten vor Häusern und stören die Nachtruhe?

Wer in Wilhelmsburg lebt und solche Missstände nicht einfach hinnehmen will, kann sich im Beirat für Stadtentwicklung engagieren. Das Bürgergremium sucht für die nächste Wahlperiode bis Ende 2016 neue Mitglieder: jeweils 13 Beiratsmitglieder und ihre Stellvertreter. Der neue Beirat tritt am 29. August zusammen. Seine Mitglieder werden nicht direkt von der Bevölkerung gewählt, sondern von den Fraktionen der Bezirksversammlung Hamburg Mitte eingesetzt. Die Beiratsmitglieder sind also mittelbar demokratisch legitimiert.

Das Bürgerbeteiligungsgremium bildet ein Sprachrohr für die Bevölkerung. „Gerade für die Menschen, die sich möglicherweise nicht trauen, sich öffentlich zu äußern“, sagt der Beiratsvorsitzende Lutz Cassel. Der Musiker hat sich mit seinem Artikulationsvermögen und resolutem Auftreten auf den Elbinseln politisch einen Namen gemacht, ohne einer politischen Partei anzugehören. Ein Kompromiss sei nur dann erfolgreich, wenn beide Seiten bereit seien, etwas herzugeben, sagt er.

Die „Waffe“ des Beirates sind seine mit Mehrheit gefassten Empfehlungen, die zur Folge haben, dass sich die Verwaltung dazu äußern muss. Der Beirat bringt von Bürgern beobachtete Missstände an die Öffentlichkeit. Und beschließt er seine Position mit Mehrheit, müssen sich die Fraktionen im Regionalausschuss oder im Ausschuss für Wohnen und Stadtteilentwicklung der Bezirksversammlung Mitte dazu äußern.

„Die Erfolgsquote unserer Empfehlungen liegt bei 85 bis 90 Prozent“, sagt Lutz Cassel. Das sei eine hohe Durchsetzungskraft. Erfolg bedeutet, die Verwaltung und die politischen Parteien öffentlich in Diskussion, womöglich in Erklärungsnot gebracht zu haben. Nicht, dass die Positionen des Beirates tatsächlich wie gefordert umgesetzt wurden. Der Einfluss eines Stadtteilgremiums endet, wenn die Kontrahenten der Senat oder die Deutsche Bahn sind.

Der Beirat habe erkennbar Einfluss auf die Entwicklung in Wilhelmsburg genommen, sagt Lutz Cassel. Der Beiratsvorsitzende sei daran beteiligt gewesen, die umstrittene Ansiedlung des Opernfundus am Veringkanal verhindert zu haben. „Wir haben dem Oberbaudirektor deutlich gemacht, dass wir bereit seien, uns zu streiten“, sagt Lutz Cassel. Natürlich, fügt er hinzu, haben Erfolge stets mehrere Väter.

Beiratsmitglieder sollten bis zu zwei Stunden Arbeit pro Woche einplanen

Die Verlagerung des Containerbetreibers Progeco weg von der Jaffestraße führt Lutz Cassel auf den Beirat zurück – in Zusammenarbeit mit dem Verein Zukunft Elbinsel, wie er betont. Die Belästigung der Bevölkerung mit Lärm hatte zu Konflikten geführt. Das Unternehmen selbst habe den Beirat um Hilfe gebeten.

In Georgswerder seien die Straßen sauberer geworden, seitdem sich der Beirat für zusätzliche Mülleimer stark gemacht hatte, sagt die stellvertretende Beiratsvorsitzende Sabine Unbehaun. Lkw-Fahrer hätten dort ihren Müll „wild“ entsorgt.

Beiratsmitglieder arbeiten ehrenamtlich, erhalten also kein Geld. Das Pensum könnten auch Berufstätige leisten, sagt Sabine Unbehaun. Alle zwei Monate kommen die Beiratsmitglieder zu einer Sitzung zusammen, die in der Regel drei Stunden dauert. Bis zu zwei Stunden in der Woche sollte sich ein Beiratsvertreter seinem Quartier widmen, sagt Sabine Unbehaun. Ein Vorstandsmitglied dagegen sollte mit zwei Tagen in der Woche rechnen.

Der Beirat fördert Initiativen im Stadtteil mit 15.000 Euro im Jahr

Die 35-Jährige arbeitet in der Gesundheitsbehörde. Sabine Unbehaun wird voraussichtlich in der Wilhelmsburger Öffentlichkeit zunehmend eine Rolle spielen. „Mein Stadtteil liegt mir am Herzen“, sagt sie.

Wer sich im Beirat engagiert, entscheidet bei der Förderung von kulturellen und sozialen Initiativen mit. Der Stadtteilbeirat vergibt pro Jahr insgesamt 15.000 Euro. Das Geld stamme aus Spenden und einer Kooperation mit dem Unternehmen Aurubis. Mit Hilfe des Verfügungsfonds kam der Kinderbauernhof zu einem Schneepflug oder die Katholische Schule zu Stühlen für einen Märchenvorleseplatz.

Bewerbungen für den Stadtteilbeirat Wilhelmsburg müssen bis zum 25. August beim betreuenden Büro im Bürgerhaus Wilhelmsburg. Mengestraße 20, eingereicht werden. Bewerbungsbogen gibt es im Bürgerhaus.