Familienunternehmen greift den Lüneburger Strommarkt an. Bislang gibt es keinen kommunalen Versorger in der Region

Lüneburg. Sie wollen die Lücke fehlender Stadtwerke schließen, nachhaltig, fair und ökologisch sein: Mit dieser Strategie greift der Energieversorger Firstcon aus Deutsch Evern den Lüneburger Strommarkt an. Es ist nicht das erste Mal, dass das Unternehmen in der medialen Öffentlichkeit steht. 2012 lieferte ein Streit mit der Energiegenossenschaft Nordwest Schlagzeilen.

Vor gut zwei Jahren haben die Energiegenossenschaft Nordwest und Firstcon einen Vertrag geschlossen: Firstcon sollte die Genossen mit Strom und Gas beliefern, dann aber gab es Ärger um die Weitergabe von Kundendaten und eine fehlende Zustimmung des Aufsichtsrats der Genossenschaft. Das Landgericht Hannover hat den Vertrag daraufhin als nicht rechtskräftig erklärt.

Ende der Geschichte: Die Energiegenossenschaft hat im November 2013 einen Insolvenzantrag gestellt, Anfang dieses Jahres hat das Amtsgericht Delmenhorst das Verfahren eröffnet. Für Firstcon sei das Thema mit dem Gerichtsurteil erledigt gewesen, heißt es von Seiten des Unternehmens, Revision wurde nicht angestrebt. 2009 gegründet, hat das Familienunternehmen seinen Sitz in Deutsch Evern wenige Kilometer südöstlich von Lüneburg. Geschäftsführer ist Jannik Kreye, 26, Inhaber ist sein Vater Joachim Kreye, 52, der sein Geld ansonsten bei der Vermögensberatung OVB verdient.

Firstcon agiert vom kleinen Deutsch Evern aus bundesweit und bietet Ökostrom, Erd- und Biogas an. Die Firma liefert nach eigenen Angaben garantiert ausschließlich zertifizierten Ökostrom, überwacht vom TÜV Rheinland.

Ein Teil des Strompreises fließt direkt in die Renovierung oder den Neubau von Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energie – und zwar der gesamte Aufpreis für den Ökostrom. Firstcon ist derzeit an 15 Windparks beteiligt, insgesamt 193 Windanlagen.

Aus der bundesweiten Orientierung will die Gesellschaft jetzt eine verstärkt regionale machen. Geplant ist ein Büro in Lüneburg für persönliche Service-Zeiten, auch der Telefonkontakt läuft nicht über ein Call-Center. „Wir fühlen uns der Region verpflichtet“, sagt Inhaber Joachim Kreye. „Geprägt durch die vielen Castor-Transporte liegt es uns besonders am Herzen, ein Alternativangebot von Lüneburgern für Lüneburger zu schaffen.“ Die Tarife, verspricht der Chef, seien „bezahlbar“.

Wer als neuer Kunde einen der neuen „Lünestrom“-Tarife bucht, bekommt als Begrüßungsgeschenk keine Reisetasche und kein Messerset, sondern einen Gutschein fürs Lüneburger Programmkino, die älteste Kneipe der Stadt oder die Möglichkeit, einem Lüneburger Verein etwas zu spenden.

Kreyes Ziel: „Es gibt in Lüneburg keine Stadtwerke. Diese Lücke wollen wir nun als lokal verankertes Unternehmen mit Lünestrom schließen.“ Wichtig ist der Gesellschaft, unabhängig von den großen Energieversorgern zu sein. Im Gegenteil: Diesen wolle man aus Deutsch Evern „Paroli bieten“.

Gestartet am 15. Juli, hat die GmbH mit „Lünestrom“ derzeit 52 Kunden gewonnen. Die ersten werden im Oktober beliefert.

Interessant kann das Modell vor allem für die regionale Energiewende im Landkreis Lüneburg werden, der sich seit Juli „100-Prozent-Erneuerbare-Energien-Region“ nennen darf. Auf den ersten Blick verwirrt die Auszeichnung zwar, weil erst fast 50 Prozent des im Kreis verbrauchten Stroms aus Erneuerbaren Energiequellen kommt und zehn Prozent der Wärme.

Die Urkunde diene jedoch mehr als Ansporn, das Ziel der 100 Prozent mittelfristig zu erreichen, heißt es aus der Kreisverwaltung. „Der Landkreis Lüneburg gehört zu den Vorreitern der regionalen Energiewende. Das wird mit der Auszeichnung anerkannt“, sagt Dr. Silke Panebianco, „der Titel ist auch eine Anerkennung für die vielen Projekte und Netzwerke, die sich vor Ort in den Kommunen gebildet haben.“

Firstcon will mittelfristig versuchen, den in der Region verkauften Strom auch in der Region zu beziehen. Das heißt: Der Strom soll dort verbraucht werden, wo er auch produziert wird. Bislang war das laut EEG nicht möglich, jetzt besuchen Mitarbeiter Schulungen zur EEG-Reform, um die Möglichkeiten des regionalen Einkaufs auszuloten.

Pressesprecherin Claudia Kalisch: „Wir versuchen festzustellen, was hier vor Ort möglich ist und möchten Gespräche mit lokalen Akteuren führen. Wir wollen uns nicht nur wirtschaftlich mit der Region verflechten über unser Gutscheinsystem, sondern auch den Einkauf regionalisieren.“