Eine Glosse von Manfred Scholz

Nach menschlichem Ermessen ist unsere Beziehung zum Scheitern verurteilt. Meine Herzallerliebste und ich leben in unterschiedlichen Welten. Konkret: Sie ist eine Frühaufsteherin, ich bin ein Nachtmensch. Und deshalb komme ich morgens nur mit erheblicher Willensanstrengung in die Waagerechte und brauche lange, um wieder ins Leben zurückzukehren. Wenn ich mich in Zeitlupe ins Badezimmer schleppe, sitzt sie schon am Frühstückstisch – allein. Mal wieder. „Ich fühl’ mich jedes Mal“, klagt sie, „wie eine grüne Witwe.“ Ihre Frührunde mit dem Hund im Morgengrauen liebt sie sehr: „Göttlich, wenn die halbe Welt noch schläft. Diese Ruhe!“ Kurz nach 6 Uhr vibriert diese Dame vor Energie, macht Pläne und stellt das Haus auf den Kopf – leise, natürlich. Und ich Morgenmuffel? Ich kann um diese Zeit kein Wort herauszubringen.

Holde Zweisamkeit? Dass ich nicht lache! Wir beide sind wie Rumgrog und Hochsommer oder HSV und St. Pauli – unvereinbar. Tagsüber fällt das nicht so auf, aber wenn der Abend kommt, wird’s überdeutlich. Mir kommen spät die besten Ideen, ich packe ein paar Sachen gleichzeitig an und weiß nicht, wohin mit meiner Energie. Und bei der Herzallerliebsten? Ihr Aktionsradius reduziert sich rapide. Da läuft nicht mehr viel! Es kommt sogar vor, dass sie vor dem Kasten mit den bewegten Bildern sanft wegnickt – und das liegt nicht nur am müden Sommerprogramm. So ein Paar – das kann auf Dauer nix werden? Irrtum: Es läuft schon lange. Wunderbar lange.