30.000 Menschen feiern das Außenmühlenfest. Partyerprobte Dragqueen erlebt in Harburg eine Überraschung.

Harburg. Edel-Dragqueen Sina Valentina dürfte von Partys in Hamburger Szenestadtteilen keine Ausschweifung fremd sein. Eine Begegnung am Sonnabend beim Harburger Außenmühlenfest bedeutet aber selbst für den Travestiekünstler eine Premiere: Eine sehbehinderte Besucherin fragt höflich, ob sie das das gertenschlanke Modell mit dem exzentrischen pinkfarbenen Federhut auf dem Kopf abtasten dürfe, Die Frau darf und spart, wenn auch vorsichtig, das Dekolleté nicht aus. „Das ist mir noch nie passiert, aber es war schön“, sagt Sina Valentina hinterher und posiert noch höflich für ein Foto.

Als sogenannter „Walking Act“ schreitet die Dragqueen Seite an Seite mit dem Holzschnitzkünstler Sören Noffz die Festmeile am Außenmühlenteich entlang und ersetzt mit ihrer glitzernden Erscheinung das Feuerwerk, das in diesem Jahr zum Schutz der im Harburger Stadtpark lebenden Fledermäuse ausfallen muss. Sina Valentina ist gerade von dem Umzug „Hamburg Pride“ in Harburg eingetroffen – und zieht sofort die Blicke aller auf sich. Zweieinhalb Stunden benötige sie allein für das Make-up, sagt sie. Noch einmal eine halbe Stunde zusätzlich, um in das Kostüm zu schlüpfen. Beinahe 30.000 Menschen haben am Wochenende an drei Tagen das mittlerweile traditionelle Außenmühlenfest in neuer Form gefeiert. Nach Angaben der Polizei besuchten am Freitag 10.000 Gäste und am Sonnabend 12.000 Gäste die Festmeile mit vier Livemusik-Bühnen am Teichufer.

Die Feier bleibt friedlich – das war in der Vergangenheit nicht immer so. Lediglich einigen alkoholisierten Jugendlichen müssen die Polizeibeamten die Grenzen aufzeigen. „Es ist so friedlich wie bei einem Kindergeburtstag“, sagt ein Polizist am Sonnabendabend.

Vor 28 Jahren hatte das Außenmühlenfest Premiere. In Spitzenjahren hatte das Volksfest in Harburg 100.000 Besucher. Derartige Rekorde jagen die neuen Veranstalter, vier Harburger Gastronomen, nicht. „Kleines Fest am großen Teich“ lautet ihr Motto. Das Außenmühlenfest ist familiärer geworden.

„Besser als früher“, empfindet sogar Stammbesucherin Yvonne Kauffeld das Fest. Die heute 33-Jährige aus dem Stadtteil Langenbek kennt die Fete am Außenmühlenteich noch von den ersten Jahren. Schade sei nur, sagt sie, dass das Feuerwerk nicht mehr erlaubt sei. Yvonne und ihr Mann Lars ziehen zusammen mit ihren zwei Jahre alten Sohn Nick über die Festmeile. Sie erinnern sich daran, dass Lotto King Karl beim Außenmühlenfest aufgetreten ist als er noch weniger populär war.

An dem gemeinsamen Stand des Holzschnitzkünstlers Sören Noffz und des Eißendorfer Unternehmens Buss Baumdienst lässt Familie Kauffeld ein etwa ein Meter langes Namensschild aus Fichtenholz für das Kinderzimmer fertigen. Nur einmal im Jahr, immer zum Außenmühlenfest, bietet Andreas Buss den Schilderservice an und ist damit eine Attraktion auf der Festmeile. Sein Geschäft ist die Baumpflege.

Auf den vier Live-Musik-Bühnen treten an den drei Tagen 40 Bands und Solokünstler auf. An etwa 55 Ständen und Buden finden die Feiernden Cocktails, Bier, Kaffeegetränke, Pommes, Bratwurst und sogar frische Knubber-Kirschen. Für einige junge Leute ist das offenbar immer noch zu wenig: „In meinem Freundeskreis meinen einige, dass das Fest zu klein geworden sei“, sagt die 17 Jahre alte Katharina. Die Marmstorferin selbst trägt auf der Bühne zur Unterhaltung bei und tanzt Zumba.

Später spaziert Katharina mit ihren Eltern über die Festmeile. Ihre Mutter Martina kennt das Außenmühlenfest von früher und findet die heutige Dimension genau richtig: „Es muss nicht so aufgeblasen sein.“

Mitveranstalter Heiko Hornbacher zeigt sich am Sonntag hochzufrieden. Das Konzept, auf Harburger Lokalpatrioten zu setzen und ein Heimatgefühl zu vermitteln, sei voll aufgegangen, sagt der Gastronom. Es sei ein gelungenes Sommerfest gewesen.