Familie Hopf führt einen Imbiss neben dem Bordell an der Buxtehuder Straße. Auch Amtsrichter holen sich hier ihre Wurst

Harburg . Dass am Unterelbebahnhof keine Züge mehr fahren, sondern hier ein Schienenersatzverkehr ganz anderer Art angeboten wird, ist kein Geheimnis. Wie auch? „Freudenhaus“ steht unmissverständlich auf dem großen Schild am Ostgiebel des Gebäudes und an jeder Tür leuchtet rund um die Uhr ein bunter LED-Schriftzug: „Open“ – Geöffnet. Nun darf man über Prostitution jede Meinung haben, die es gibt; legal ist das Gewerbe seit 2002 allemal. Und angeblich ist die Prostitution auch das älteste Gewerbe der Welt – obwohl sie sich über diesen Rekord wahrscheinlich mit der Gastronomie streiten kann.

Womit wir auf dem Parkplatz des Etablissements wären: Dort lädt schon seit Mai eine Wurstbude dazu ein, anzuhalten, einzubiegen und zu verweilen. Um es gleich vorwegzunehmen: Die einzigen scharfen Spielchen, die hier laufen, finden auf der Currywurst statt. Michael Hopf heißt der Besitzer. Er betreibt den Imbiss zusammen mit seiner Frau Kirsten und seiner Tochter Madeleine. Zehn Stunden am Tag, von 6 bis 16 Uhr hat der Imbiss werktags auf, danach und am Wochenende je nach Lust und Gästeaufkommen. Morgens sind belegte Brötchen der Renner. Nicht umsonst heißt der Imbiss „Mettmann“, der Ort bei Düsseldorf mit den Neandertalern hat damit wenig zu tun.

„Mittags kommen auch viele Leute aus dem Amtsgericht hierher“, sagt Hopf. Dann sitzen Richter und Justizbeamte zwischen Sexarbeiterinnen und Freiern und keiner stört sich aneinander. „Die Richter sagen, dass sie durch das Freudenhaus keine Fälle haben und sie deshalb ganz entspannt damit leben können“, sagt Michael Hopf

Hopf ist gelernter Fleischer, hat sich aber schon in den 90er-Jahren als Gastronom selbstständig gemacht. Um die Jahrtausendwende wanderte er nach Frankreich aus und kaufte zusammen mit einem Partner das Chateau Varsberg im Dreiländereck Saarland/ Lothringen/Luxemburg um auch dort Gastronomie zu betreiben. Fünf Jahre lang ging das gut, dann stieg der Partner aus. Allein war das Chateau nicht zu halten und Michael Hopf war im Dilemma: Ehefrau Kirsten hatte Heimweh nach Norddeutschland, Tochter Madeleine genoss die gute Schulausbildung am französischen Lycee. Der Kompromiss: Bis zu Madeleines Bac, dem französischen Abitur, übernahm der frisch gewesene Schlosswirt die Stadtkantine von Saarlouis.

Nun steht er auf dem Parkplatz vorm Freudenhaus und findet das auch nicht schlecht: „Ich war seit meiner Fleischerlehre ein Riesenfan der Currywurst vom Pferdemarkt“, sagt er. „Und das, was man in Frankreich als Currywurst kriegt, wenn man überhaupt eine bekommt, ist kaum genießbar. Ich habe deshalb schon in Saarlouis lange versucht, die Soße vom Pferdemarkt nachzuempfinden. Eines Nachts habe ich das Rezept geträumt. Ich bin aufgestanden, in die Küche gegangen, habe den Traum nachgekocht und es schmeckte tatsächlich genau wie in Hamburg.“

In seiner Imbissbude vor dem Bordell kann er jetzt jeden Tag Currywürste machen. Die Würste stellt Michael Hopf selbst her – gelernt ist gelernt: Drei Tage pro Woche darf er bei einem Harburger Fleischer zur Untermiete werkeln. So kommen immer frische Würste auf den Grill. Die Pferdemarktsoße hat Gattin Kirsten um eine würzigere Variante ergänzt: Hebanero-Chili sorgt für zusätzliche Schärfe. Wem das nicht reicht, der hat noch andere Mittel zum Nachwürzen zur Verfügung.

Besonders die Damen von nebenan essen gerne deftig: Scharf gewürzt, fettig und mit viel Fleisch. „Die haben einen harten Job. Das macht hungrig. Manchmal frühstücken sie hier mit Freiern. Die Damen essen mehr“, sagt Hopf.

Tochter Madeleine ist nur in den Semesterferien hier. Sie studiert in Ostfriesland. Das Umfeld des Imbisses stört sie nicht. Madeleine studiert Nautik und wird eines Tages Schiffe führen – mit Crews, die größtenteils genau so drauf sind, wie die Herren, die hier die Damen besuchen.

Der Imbiss läuft gut. Michael Hopf will ihn demnächst noch aufhübschen: Aus dem Chateau Varsberg hat er sich die Glocke der Schlosskapelle aufgehoben. Die hat einst sogar der Bischof geweiht. Demnächst soll sie jeden Tag um 12 Uhr läuten. Auf dem Parkplatz vor dem Freudenhaus.