Südsudanese soll aus Tostedt zunächst zurück in die Schweiz. Helfer rufen zu Spenden für Anwaltskosten auf

Tostedt. Der Südsudanese, 20, sitzt in diesen Tagen oft auf der Bank vor der Containerunterkunft am Elsterbogen und denkt nach. Über sein Leben, über seine Zukunft. Der Flüchtling, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, soll in die Schweiz abgeschoben werden. Der Mann hat sich gerade erst eingefunden in Tostedt. Er hat sogar als Hausmeister in der evangelischen Kirchengemeinde in Tostedt ausgeholfen. Jetzt soll er dorthin zurück, wo er hergekommen ist.

Das schreibt die Dublin-II-Verordnung vor. Danach muss ein Asylantrag in dem EU-Land gestellt werden, in dem der Schutzsuchende zuerst den Boden betreten hat. Das heißt: Der Afrikaner wird voraussichtlich in die Schweiz abgeschoben. Dorthin verschlug ihn seine Flucht aus dem Südsudan. „Das ist eine große Gefahr. Wir wissen nicht, wie die Schweiz mit Sudanflüchtlingen umgeht“, sagt Pastor Gerald Meier, der seit Wochen im engen Kontakt mit dem Afrikaner steht.

Im schlimmsten Fall landet der Mann am Ende wieder im Südsudan. Dort tobt ein Bürgerkrieg zwischen Regierungstruppen und Aufständischen. Erst vor wenigen Tagen hat der Uno-Sicherheitsrat vor einer Hungersnot im Südsudan in Folge des Bürgerkriegs gewarnt. Für den Flüchtling wäre es eine Reise in eine fremde Welt. Er war gerade mal zwölf, als er sein Heimatland verließ. Sein erstes Asylgesuch habe er in der Schweiz gestellt und dort auch mehrere Jahre gearbeitet, so Meier. Offenbar wurde sein Schutzgesuch abgelehnt und daraufhin ist er nach Deutschland geflohen.

Seit wenigen Wochen wohnt der Afrikaner in der Containerunterkunft am Elsterbogen. Den Ablehnungsbescheid erhielt er zusammen mit der Kopie seiner Akte. Darin wird der Verlauf seiner Flucht aus dem Südsudan auf 60 Seiten festgehalten. Die Papiere sind im Behördendeutsch verfasst. „Das ist für uns schon schwierig zu verstehen“, sagt der Gymnasiallehrer Ulli Graß, der zum Unterstützerkreis gehört.

Jetzt muss sich der Afrikaner am Montag zur Verfügung halten. Der Pastor geht davon aus, dass Polizeibeamte ihn an diesem Tag zum Flughafen bringen werden. Ihm bleibe nur noch das Abtauchen, um das zu verhindern. „In dieser Situation ist auch das seelische Stehvermögen der Unterstützer gefragt“, sagt Gerald Meier. „Sie werden mit dem Leid der Welt in Form von konkreten Personen konfrontiert und können nicht helfen.“

Und so wird das Asylverfahren nach der Dublin-II-Verordnung für den Unterstützerkreis in Tostedt zunehmend zu einem Problem. Die Helfer haben vieles möglich gemacht, wie etwa den Deutschunterricht und das Internationale Café, einen regelmäßigen Treff für Tostedter und Flüchtlinge. Vereine und Institutionen in Tostedt beschäftigen die Asylbewerber in gemeinnütziger Arbeit. Jugendliche haben vor der Unterkunft am Helferichheim einen Bolzplatz hergerichtet, zwei Tore aufgebaut und spielen mit den Flüchtlingen regelmäßig Fußball.

Viele Tostedter tun alles, um die Flüchtlinge in die Gemeinschaft zu integrieren, und dann dürfen die Schutzsuchenden doch nicht bleiben. Hinzu kommt, dass die Flüchtlingswelle ungebrochen steigt. Im ersten Halbjahr 2014 ist die Zahl der Asylerstanträge in Niedersachsen massiv gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gab es einen Zuwachs um mehr als 61,3 Prozent.

Die zuständigen Behörden registrierten laut Deutscher Presseagentur zwischen Januar und Juni 6697 Erstanträge, im ersten Halbjahr 2013 wurden nur 4153 Erstanträge eingereicht. Auch der Landkreis Harburg bekommt den Anstieg der Flüchtlinge deutlich zu spüren. Vor zwei Jahren nahm der Landkreis 105 Flüchtlinge auf. In diesem Jahr sind fast dreimal so viele Menschen (297 Personen) in den Landkreis Harburg gekommen, um Schutz zu suchen. Bis Juni 2015 muss der Landkreis noch weitere 588 Flüchtlinge unterbringen. Der Südsudanese in Tostedt ist nicht der einzige, dem die Abschiebung droht. Fast jeden Tag gehen in der Samtgemeinde Tostedt Ablehnungsbescheide ein. Für einen Eriträer und einen Mann von der Elfenbeinküste haben die Helfer in Tostedt inzwischen einen Anwalt eingeschaltet. Ziel ist, das Abschiebeverfahren über Eilanträge zu stoppen.

Doch am Ende stellt sich die Frage, wer die Anwälte bezahlt. Deshalb bitten die Unterstützer in Tostedt um Spenden auf das Konto des Vereins zur Förderung von Zivilcourage, IBAN: DE 40 2075 0000 0090 3635 99, BIC: NOLADE21HAM, Betreff: Flüchtlingshilfe Tostedt.