Dritter Stadtspaziergang in Buchholz: Ortschaften zwischen gewachsenen Strukturen und modernen Ansprüchen

Buchholz. Schuld war die Gebietsreform von 1972. Quasi über Nacht waren die Dibberser, Trelder, Sprötzer, Holm-Seppenser, Steinbecker und Reindorfer alle Buchholzer. Das hatte seinerzeit nicht jedem geschmeckt. War man den Nachbarorten doch in freundlicher Abneigung verbunden – Sprötzer Schuljungs lauerten den Treldern auf, um sie zu verdreschen, und wenn ein Steinbecker ein Mädchen aus Dibbersen „wegschnappte“, gab’s Ärger.

Doch heute sind sie alle Einwohner einer Stadt und sollen gemeinsam deren Zukunft und die ihrer Dörfer planen. Das war Thema des dritten Stadtspaziergangs, Bestandteil der Bürgerbeteiligung zum Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK). Unter dem Titel „Buchholz meets Ortschaften“ führte der Spaziergangsforscher Bertram Weisshaar die Buchholzer durch Dibbersen, Steinbeck, Trelde, Sprötze, Holm-Seppensen und Reindorf, wo Vertreter von Ortsräten und Vereinen ihre Dörfer vorstellten.

Wer hätte gedacht, dass in Dibbersen hinter Tankstelle, Laminathaus und Hotel urige Höfe unter Eichen, umgeben von Feldsteinmauern, liegen? Dass sich das kleine Neubaugebiet direkt an den alten Ortskern anschmiegt und hoffentlich irgendwann mit ihm eins wird? „Genau darum geht es: Wir wollen die Besonderheiten der Ortschaften herausstellen und zeigen, was geht und was nicht. Und warum“, erklärt dazu Stadtbaurätin Doris Grondke.

In Steinbeck erfahren die knapp 50 Teilnehmer der Tour, wie die Heimgartensiedlung entstand. Gastwirt Henry Stöver überließ ausgebombten Hamburgern und Flüchtlingen für wenig Geld ein Areal. Sie gründeten eine Genossenschaft und bauten 50 Doppelhäuser. „Jeder musste 1000 Arbeitsstunden leisten“, berichtet Günter Wottrich vom Verein Siedlung Heimgarten. Bertram Weisshaar analysiert die Bauweise: „Hier bilden alle Häuser zusammen einen Straßenzug, Form und Ausrichtung ist bei allen gleich. Das ist ein großer Unterschied zu heutigen Neubaugebieten.“ „Die Märchensiedlung ist doch auch so konzipiert“, sagt jemand, eine Frau findet gerade die total misslungen. Auch beim Steinbecker Baugebiet Kattenberg ist nicht alles perfekt. „Es fehlt die Direktanbindung an die Bremer Straße“, erläutert Ortsbürgermeister Kurt Hölzer. Der Ortsrat schlägt vor, einen Feldweg auszubauen.

In Trelde bereitet man sich auf das Musikfest am Abend vor. Die Dekoration ist schon da, die Stadtspaziergänger sind angetan von der Atmosphäre des Oarns Hoff. Nur eins stört: die zwei gelben Bungalows gegenüber. „Wer genehmigt denn sowas?“, sagt eine Frau kopfschüttelnd. „Wo treffen sich die Trelder, gibt es ein Dorfgemeinschaftshaus?“ „Das brauchen wir hier nicht“, erwidert Udo Blanck vom Ortsrat. „Wir haben ein Gasthaus, Feuerwehr, Schützenverein, Sportverein, Landfrauenverein. Dort findet das Gemeinschaftsleben statt.“

In Sprötze wird ein Gasthaus schmerzlich vermisst. Eins ist zum Büro umgebaut, das andere öffnet nur noch auf Anfrage. Großes Thema ist die geplante Erweiterung des Edeka-Marktes. „Es ist uns in jedem Fall ein großes Anliegen, dass der neue Markt sich gut einfügt“, so Grondke. Nicht glücklich zeigte sich der Ortsrat über die Seniorenwohnanlage im Bau. Hier entstehen hochpreisige Wohnungen. „Es muss aber auch günstigen Wohnraum geben für die Alteingesessenen, die nicht mehr allein auf ihrem großen Hof leben wollen, und für die jungen Leute, die zwar aus- aber nicht wegziehen wollen“, rät Bertram Weisshaar.

Holm-Seppensen ist touristisch geprägt: Vom Campingplatz profitieren Einzelhandel und Gastronomie. Betreiber Hannes Henk berichtet, wie sein Großvater den Badeteich um 1900 anlegte, damit sich die Heidetouristen erfrischen konnten. Auch in Reindorf geht es um „Neubauten und Ortsbild“, das schlechte Beispiel eines gelben Hauses steht der Chance gegenüber, am Platz des abgerissen Gasthauses ortsbildverträglich zu bauen. „Das gilt für alle Ortschaften und ist ein wichtiges Thema für das ISEK“, so Weisshaar. Auch eine „Hausaufgabe“ gibt er auf: Die Frage, was macht ein Dorf im Jahr 2014 aus? „Hier sind die Ortschaften selbst gefordert – der Stadtspaziergang soll für sie Anregung sein.“