Die neue Leiterin des Kommissariats Neugraben liest gerne „Wallander“ – und hat keine Entschuldigung für Falschparker

Neugraben. Großdemonstrationen mit Ausschreitungen oder auch Geiselnahmen – Hamburgs Polizei hat sich bei den denkbar kritischsten Einsätzen auf Jutta Warnck verlassen. Als Polizeiführerin vom Dienst in Alsterdorf war es bisher eine Aufgabe der Polizeioberrätin, bei sogenannten „Ad-hoc-Lagen“ als Erste die Einsatzleitung zu übernehmen – so lange, bis der komplette Stab übernimmt. Blitzschnelle Auffassungsgabe und ein hohes Maß an Koordinationsfähigkeit sind also ihre Stärken, die nun bei ihrer neuen Aufgabe zum Zuge kommen sollen: Jutta Warnck, 46, ist die neue Leiterin des Polizeikommissariats in Neugraben.

Dass eine Frau die Rolle als Polizeichefin übernimmt, sei in Hamburg längst normal, sagt sie. Seit 35 Jahren werden Frauen und Männer gleich ausgebildet und arbeiten Seite an Seite in jeder Einsatzsituation. Einmal in der Woche kommt Jutta Warnck mit den Polizeichefs im Hamburger Süden aus Wilhelmsburg und Harburg zusammen: „Wir müssen ja wissen, was bei den Nachbarn los ist. Täter machen nicht an den Reviergrenzen halt, um so wichtiger ist es, dass wir uns ständig austauschen und im Sinne des Bürgers reagieren.“

Etwa 90 Quadratkilometer umfasst das Einzugsgebiet des Polizeikommissariats 47 und ist damit eines der flächenmäßig größten in Hamburg überhaupt. Die Außenstelle in Finkenwerder und den einsamen Ein-Mann-Posten in Cranz hat Jutta Warnck bereits besucht. Die Ausdehnung in der Fläche beinhaltet aus polizeilicher Sicht eine taktische Herausforderung – wie geschaffen für jemanden mit gesteigertem Koordinationsvermögen.

Zum Kommissariat gehört Neuwiedenthal. Vor vier Jahren schauten wohl alle Polizeibeamten Hamburgs auf die Hochhaussiedlung im Stadtteil Hausbruch. Damals war es zu Tumulten zwischen Polizisten und Anwohnern gekommen. Dabei ging es um einen „Wildpinkler“. Zwei Polizisten wurden bei den Ausschreitungen durch Tritte teils schwer verletzt.

Ist das Quartier deshalb bei Hamburgs Polizeibeamten gefürchtet? Jutta Warnck winkt ab: „Neuwiedenthal hat sich längst beruhigt“, sagt sie. Überhaupt gelte das Polizeikommissariat mit seinen Stadtteilen Neugraben und Hausbruch nicht als Problemrevier. Wohnungseinbrüche, Fahrraddiebstähle, Streitigkeiten im Familien- und Bekanntenkreis, darum müssen sich die Streifenwagenbesatzungen in der Regel kümmern. „In die täglichen Lagen arbeite ich mich gerade hinein“, sagt Neugrabens neue Polizeichefin nach einer Woche in ihrer neuen Aufgabe.

Von dem Sozialprojekt „Kiezläufer“ hat Neugrabens Polizeichefin schon gehört. Das sind junge Erwachsene, die Jugendliche in Neugraben ansprechen und Alternativen zum Herumlungern aufzeigen. Die „Kiezläufer“ appellieren auch, Rücksicht auf Nachbarn zu nehmen und Flaschen nicht einfach an ihren Treffpunkten auf Spielplätzen, Bänken oder am Bahnhof liegen zu lassen. „Ich finde das Projekt gut“, sagt Jutta Warnck.

Die Leitung eines Polizeikommissariats bedeutet vor allem Innendienst. Neugrabens Polizeichefin legt aber Wert darauf, dass Bürger und Geschäftsleute sie ansprechen können, sollten sie sich zum Beispiel über lautstarke Trinkgelage in der Öffentlichkeit beschweren wollen. Jutta Warnck wirkt nach innen. Sie kümmert sich um die rund 100 Mitarbeiter, schlichtet bei Dissonanzen, hält den Dienstbetrieb am Laufen. Viele Informationen aus den Stadtteilen erhält Jutta Warnck auch von ihren Beamten des Besonderen Fußstreifendienstes, die ein Ohr für die großen und kleinen Probleme haben.

Nach dem Abitur in Hamburg hatte Jutta Warnck zunächst eine Ausbildung zur Industriekauffrau absolviert - und sich dann umorientiert. „Ich wollte einfach mittendrin sein“, sagt sie. Vor 25 Jahren wechselte die Kauffrau deshalb in den Polizeidienst.

Jeder kennt sie aus dem Fernsehen: Kommissarinnen, die alle 20 Minuten einem Verdächtigen in dunkle Häuser verfolgen und stets mit der gezogenen Waffe in Wohnungen hineinschleichen. Mit der Realität hat das nahezu nichts zu tun. In 25 Dienstjahren hat Jutta Warnck im Einsatz noch nie geschossen. Die Dienstpistole zur Eigensicherung gezogen aber schon. Man sei in diesen brenzligen Situationen angespannt und später froh, wenn es gut ausgegangen ist. Und überhaupt: „Unsere Waffe ist das Wort“, sagt sie.

Ein Regisseur beim Fernsehen würde mit dieser Philosophie wohl nichts werden. Gegen Polizeiaction im Krimi hat Jutta Warnck auch nichts einzuwenden - im Gegenteil: „Ich möchte ja zur Unterhaltung nicht jemanden acht Stunden am Schreibtisch sehen“, sagt sie. Neugrabens Polizeichefin schaut privat die Reihe „Tatort“, hat aber keinen Favoriten bei den zahlreichen Ermittlerteams.

Viel lieber liest Jutta Warnck Krimis, besonders gerne die Reihe „Wallander“ des schwedischen Autoren Henning Mankell. In ihrer Freizeit surft sie, gerne in einem Fjord in Dänemark. Ansonsten entspannt sie bei der Gartenarbeit. Jutta Warnck lebt mit ihrem Mann am Rande Hamburgs im Kreis Stormarn.

Gibt es eine Situation, in der selbst eine Polizeichefin mal falsch parkt? „Nein“, schüttelt Jutta Warnck mit dem Kopf. „Sollte ich erwischt werden, würde ich mich hinterher zu sehr ärgern.“ Der Spott der Kollegen wäre ihr gewiss. „Man kann doch in die Innenstadt auch mal mit der Bahn fahren“, macht sie deutlich, dass es für Falschparker keine Entschuldigung gibt.